Figur eines Neandertalers und Besucher im Neandertalmuseum Mettmann
"Neandertaler" und Besucher im Neandertalmuseum Mettmann: Die Hälfte der Menschen außerhalb Afrikas hat eine schützende Genvariante von Homo neanderthalensis geerbt. Bildrechte: imago/Rupert Oberhäuser

Coronavirus Neandertaler-Gene senken Risiko für schwere Covid-19-Erkrankung

17. Februar 2021, 20:00 Uhr

Eine Gengruppe, die ein großer Teil der Menschheit von den Neandertalern geerbt hat, senkt laut einer Studie das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe. Die Gene aktivieren Enzyme, die die Genome eindringender Viren wie Sars-Cov-2 zerstören. Einer der Studienautoren ist Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Eine Gengruppe, die das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung um mehr als 20 Prozent vermindert, hat die Hälfte der Menschen außerhalb Afrikas von den Neandertalern geerbt. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Evolutionsbiologe Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Neurowissenschaftler Hugo Zeberg vom Karolinska Institut Schweden in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlicht haben.

Gene für Enzym-Aktivierung

Grafik Neandertaler-Schädel Coronavirus und DNA-Abschnitt
Neue Forschungen zeigen, dass eine Gengruppe, die das Covid-19-Risiko minimiert, von Neandertalern vererbt wurde. Bildrechte: Bjorn Oberg/Karolinska Institutet

Die beiden Professoren fanden heraus, dass die als Schutz gegen schwere Covid-19-Verläufe identifizierte Variante fast identisch mit einer bei drei Neandertalern in Kroatien und Südsibirien nachgewiesenen Gengruppe ist. Konkret geht es um einen Abschnitt auf Chromosom 12. Das Forscherteam konnte nachweisen, dass drei Gene dieses Abschnitts namens OAS (Oligoadenylatsynthetase) der Code für die Aktivierung bestimmter Enzyme sind. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Zerstörung der Genome von Viren wie etwa dem Coronavirus SARS-Cov-2.

Das Studienergebnis von Pääbo und Zeberg legt nahe, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob diese Anti-Viren-Enzyme von einer Neandertaler-Genvariante aktiviert werden oder nicht. "Es scheint, dass die Enzyme, die von der Neandertaler-Variante aktiviert werden, effizienter sind, was die Wahrscheinlichkeit schwerer Folgen von SARS-CoV-2-Infektionen verringert", erklärt Pääbo.

Starke Ausbreitung im vergangenen Jahrtausend

Illustrierte  Darstellung: Eine Neandertalerin und ein Homo sapiens berühren sich gegenseitig, als ob sie sich das erste Mal sähen.
So könnte es vor 60.000 Jahren ausgesehen haben, als ein männlicher Homo sapiens einen weiblichen Homo neanderthalensis traf. Bildrechte: imago/Leemage

Die Studienautoren konnten auch nachweisen, dass die vor 60.000 Jahren von Neandertalern an moderne Menschen weitergegebene Genvariante erstmals nach der letzten Eiszeit vor 11.700 Jahren verstärkt auftrat. Im letzten Jahrtausend hat sie dann noch ein zweites Mal deutlich an Häufigkeit gewonnen. Die Neandertaler-Genvariante kommt heute bei etwa der Hälfte der außerhalb von Afrika lebenden Menschen vor.

"Der Anstieg der Häufigkeit dieser schützenden Neandertaler-Variante deutet darauf hin, dass sie auch in der Vergangenheit von Vorteil gewesen sein könnte, vielleicht bei anderen Krankheitsausbrüchen, die durch RNA-Viren verursacht wurden", sagt Pääbo.

Neandertaler-Erbe "ein zweischneidiges Schwert"

Das Modell eines Neandertalers aus dem Landesmuseum in Halle, das einen Mundschutz trägt: Urzeitlicher Mensch mit gedrungenem Körperbau und stärkerer Körperbehaarung, hockt mit Blick nach schräg oben, Kopf auf Faust gestützt. 4 min
Bildrechte: Landesmuseum für Vorgeschichte Halle

Die neuste Studie von Pääbo und Zeberg ist noch in anderer Hinsicht äußerst bemerkenswert. Es waren genau diese beiden Forscher, die im vergangenen Jahr nachgewiesen hatten, dass ein bekannter genetischer Risikofaktor für schwere Covid-19-Verläufe auf Chromosom 3 ebenfalls von den Neandertalern an uns heutige Menschen vererbt wurde.

"Das zeigt, dass unser Erbe von den Neandertalern ein zweischneidiges Schwert ist, wenn es um unsere Reaktion auf SARS-Cov-2 geht. Sie haben uns Varianten gegeben, für die wir sie sowohl verfluchen als auch ihnen danken können", sagt Studienautor Zeberg. Und sein Kollege Pääbo ergänzt: "Es ist auffällig, dass zwei von den Neandertalern vererbte genetische Varianten die Covid-19-Verläufe in entgegengesetzter Richtung beeinflussen. Offensichtlich beeinflusst ihr Immunsystem uns heute sowohl in positiver als auch in negativer Weise."

(dn)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 10. Juli 2020 | 08:41 Uhr

2 Kommentare

MDR-Team am 18.02.2021

Hallo Ritter Runkel,
danke für Ihren Kommentar und den Hinweis darauf, dass Beleidigungen einen Diskurs schaden.
Doch was haben Ihre Einlassungen mit dem Thema des Artikels zu tun? Steht Ihr Kommentar eventuell unter dem falschen Artikel?
Sie sind herzlich dazu eingeladen hier, an dieser Stelle, über Neandertaler und die entsprechende Studie im Zusammenhang mit Covid-19 zu diskutieren.

Ritter Runkel am 18.02.2021

Der wie selbstverständliche Gebrauch diffamierender Begriffe wie "Covidiot" sollte überdacht und eingestellt werden. Er würdigt den anderen herab, entzieht ihm jede Legitimität. Zu den traurigen diskursiven Begleiterscheinungen der Krise gehört, wie bedenkenlos Andere in der Diskussion beleidigt werden.
Auch darauf muss immer wieder hingewiesen werden:
Es gibt etwas, das nennt sich Grundrechtskonflikt. Verursacht durch die Kollision von Grundrechten. In der Bundesrepublik Deutschland können Grundrechte nicht schrankenlos gelten. Abwägungen, Kompromisse sind vonnöten. Schäuble, Papier, Prantl, viele andere weisen darauf hin. Die emotionalisierten Diskussionsbeiträge hingegen, die auf Angstszenarien beruhen und Aggression gegen andere richten, zeigen besonders auf, wie viel mehr die Krise psychisch mit Menschen macht.