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Einstein-Teleskop 3 min
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Die Lausitz darf sich Hoffnungen machen, als Standort für das Einstein-Teleskop in Frage zu kommen. Dass das so ist, liegt an aktuellen Messungen eines Großforschungszentrums, das in Görlitz Räumlichkeiten bezogen hat.

MDR AKTUELL Di 28.05.2024 00:00Uhr 03:09 min

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Weltraumforschung Mit Gravitationswellen bis zum Urknall lauschen: Das Deutsche Zentrum für Astrophysik in Görlitz

26. Mai 2024, 16:01 Uhr

In der Lausitz wollen sie herausfinden, wie der Urknall geklungen hat. Das neue Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA) soll zur weltweit führenden Einrichtung für Gravitationswellenphysik werden.

Volontär Til Schäbitz sitzt lächelnd auf dem Boden vor einem schwarzen Lederstuhl
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  • Das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA) soll tiefer als alle anderen Institute bisher die Vibrationen der Raumzeit erforschen
  • Es soll neue Techniken für das präzise Messen von Gravitationswellen und die Verarbeitung großer Datenmengen entwickeln
  • Möglicherweise wird die Lausitz auch Standort des Einstein-Teleskops, eines milliardenschweren wissenschaftlichen Instruments, das bahnbrechende Erkenntnisse bringen könnte

Über 30 Kilometer Tunnel in 250 bis 300 Metern Tiefe, um vielleicht irgendwann nachvollziehen zu können, wie der Urknall abgelaufen ist: Nicht weniger als das soll mit dem Einstein-Teleskop gelingen – einem europäischen Gravitationswellendetektor der dritten Generation. Die baulichen Dimensionen und vielleicht auch die wissenschaftliche Bedeutung dieses weltweit einmaligen Instruments würde wohl der des Teilchenbeschleunigers CERN bei Genf gleichkommen. Für die Vorbereitungen und den Bau werden aktuell rund zwei Milliarden Euro veranschlagt. Einen Standort für das Einstein-Teleskop gibt es bisher noch nicht, doch die Lausitz darf sich berechtigte Hoffnungen machen. Dass das so ist, liegt vor allem an einem neuen Großforschungszentrum, das in Görlitz erste Räumlichkeiten bezogen hat.

Görlitz: Das DZA zieht ins historische Postamt

Ein prunkvolles Gebäude aus Backstein und zwei Laubbäume an einem sonnigen Tage
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Im historischen Postamt von Görlitz gibt es noch kaum Büromöbel. Auf einem der wenigen Tische steht ein nachträglicher Geburtstagskuchen. Eine glasierte Teigmasse, aus der drei antennenartige Gebilde ragen: Es sollen Teleskope sein. Der Kuchen ist für Günther Hasinger. Vor etwas mehr als einem Jahr war er noch Forschungsdirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Madrid, zog dann aber freiwillig in die Lausitz. Denn der Aufbau des Deutschen Zentrums für Astrophysik (DZA), den er als Projektleiter maßgeblich gestaltet, sei nach seiner Aussage "wohl das größte Forschungsprojekt, das in Deutschland je vergeben wurde". 1,2 Milliarden Euro stehen dafür aus dem Strukturwandelfonds für Braunkohlegebiete zur Verfügung – für eine nachhaltig positive Entwicklung der gesamten Region. Allein beim DZA sollen später einmal über 1000 Leute arbeiten, Anfang Mai sind es genau 26. 

Deutsches Zentrum für Astrophysik (DZA) * Seit April 2023 befindet sich das DZA in einer dreijährigen Aufbauphase.
* Ende 2025 soll das Zentrum für Astrophysik gegründet werden.
* Es sind ein Rechenforschungszentrum in Görlitz und ein Untergundlabor zur Erforschung von Teleskop- und Messtechnik im Kreis Bautzen geplant.
* Rund tausend Arbeitsplätze sollen neu entstehen.
* Das Großforschungszentrum wird aus dem Strukturwandelfonds für Braunkohlegebiete mit einer Summe von 1,2 Milliarden Euro finanziert.

Großforschungszentrum: Vor der Gründung liegt die Aufbauphase

Ganz streng genommen gibt es das DZA noch gar nicht. Wenn alles glatt läuft, wird es irgendwann im kommenden Jahr offiziell gegründet. Denn bevor die eigentliche wissenschaftliche Arbeit beginnt, muss bei einem solchen Großprojekt zunächst eine funktionierende Administration aufgebaut werden. Neben viel Bürokratie gibt es in Görlitz aber auch schon Knete, Klettraketen und Murmeln, die in einen riesigen Wackelpudding geschmissen werden.

Was das mit dem Wackelpudding soll? Ein Bild von dem vermitteln, was Gravitationswellen sind. Eine der aktuellen Aufgaben besteht nämlich darin, das DZA in der Region bekannter zu machen.

Dafür hält Stefan Ohm Vorträge. In Kindergärten, an Schulen, überall. Er ist gelernter Astrophysiker, arbeitet beim DZA jedoch vorrangig in der Wissenschaftskommunikation. Inzwischen kann er sich vor lauter Anfragen kaum noch retten, vielleicht auch aufgrund seiner kreativen Darstellungsformen. Lässt man Murmeln in den Wackelpudding fallen, dann – logisch – wackelt er. Dabei kommt die Art und Weise, wie die ausgelösten Schwingungen Länge und Breite des Blockes verändern, der Ausbreitung von Gravitationswellen erstaunlich nahe. Und damit einem der geplanten Forschungsschwerpunkte des DZA.

Stefan Ohm und Katharina Henjes-Kunst vom Deutschen Zentrum für Astrophysik stehen lächeln in einem frisch renovierten Raum mit weißen Wänden hellgrünem Fußboden und einer eingezogenen Glasscheibe
Stefan Ohm und Katharina Henjes-Kunst (DZA) in den neuen Räumlichkeiten Bildrechte: MDR/Til Schäbitz

Über Gravitationswellen immer weiter in die Vergangenheit des Universums hören

Für die Schwerpunkte der astrophysikalischen Forschung am DZA sind Michèle Heurs (Universität Hannover) und Stefan Wagner (Universität Heidelberg) verantwortlich. Ihnen geht es darum, eben jene Gravitationswellen aus dem Weltraum möglichst präzise einzufangen. Ein vergleichsweise neuer Bereich der Astrophysik, der es ermöglicht, das Universum erstmals nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören. Dass das funktioniert, liegt an marginalen Verzerrungen der Raumzeit, die durch große Massenverteilungen auftreten. Wenn zum Beispiel zwei Schwarze Löcher verschmelzen, zieht sich eine Art Wackeln durch das Weltall – der Raum und die Zeit selbst geraten in Schwingung. Wie beim Wackelpudding verändert sich dabei der Abstand zwischen zwei Objekten. Wird die Länge größer, verringert sich die Breite und umgekehrt. Dieses Wackeln ist winzig klein. Seine Existenz wurde zwar schon vor über hundert Jahren von Albert Einstein vorhergesagt, doch bis ins Jahr 2015 war die Technik nicht präzise genug, es auch wirklich messbar zu machen.

Grafik: So könnte das unterirdische EInsteinteleskop aussehen. 1 min
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Fr 24.05.2024 16:12Uhr 00:55 min

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Inzwischen kann es mit sogenannten Laserinferometern gemessen und hörbar gemacht werden. Winzig kleine Abweichungen liefern so Erkenntnisse über fundamentale Fragen wie die Beschaffenheit und Entstehung des Universums. Mit immer sensiblerer Messtechnik soll es möglich werden, weiter und weiter in die Vergangenheit zu lauschen. Eine akustische Reise durch die Zeit, im besten Fall bis hin zum Urknall, so die Hoffnung der Physikerinnen und Physiker.

Entwicklung von Messtechnik im Oberlausitzer Granitblock

Um die dafür benötigten Messinstrumente entwickeln zu können, braucht es absolute Ruhe, da die von den Gravitationswellen ausgelösten Verzerrungen unvorstellbar gering sind. Laut Günther Hasinger, dem designierten Gründungsdirektor, sei das Dreieck zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda der europaweit geeignetste Platz. Denn der Lausitzer Granitstock ist dort ungebrochen und seismisch gut isoliert. Das DZA plant deswegen den Bau eines Untergrundlabors (Low Seismic Lab). Rund 250 Meter tief unter der Erde soll zukünftig die präziseste Messtechnik für Gravitationswellen entwickelt werden. Um den perfekten Standort des Untergrundlabors noch weiter einzugrenzen, wurden vor Ostern hunderte Messwürfel aufgestellt. Mithilfe der so gesammelten Daten soll schon mal eine erste Vorauswahl getroffen werden. Für eine endgültige Standortentscheidung sind zusätzliche Probebohrungen nötig.

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Perfekte Bedingungen auch fürs Einstein-Teleskop?

Die gesammelten Daten sind dabei gleich doppelt nützlich. In Europa wird aktuell nämlich auch nach einem Standort für das Einstein-Teleskop gesucht. Und wenn in der Umgebung des DZA die Messtechnik dafür weiterentwickelt werden soll, stellt sich die Frage, ob nicht direkt das ganze Teleskop dort aufgebaut werden könnte.

Einstein-Teleskop
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Das Einstein-Teleskop ist ein neuer europäischer Gravitationswellendetektor, der noch zehnmal empfindlicher sein soll als die heutigen Instrumente und so einen tausendfach größeren Bereich des Universums untersuchen kann. Oberirdisch wird davon kaum etwas zu sehen sein. Denn damit das Einstein-Teleskop auch Längenänderungen messen kann, die deutlich kleiner sind als der Durchmesser eines Atomkerns, muss es optimal isoliert liegen. Dafür passiert unterirdisch umso mehr: Laut Plan soll 250-300 Meter tief unter der Erde ein gleichschenkliges Dreieck mit jeweils zehn Kilometer Kantenlänge errichtet werden. Die Gesamtlänge der dafür benötigten Tunnel würde damit sogar die Ausmaße des CERN überragen. Durch die drei Schenkel werden dann Laserstrahlen geschickt, die sich an beschichteten Spiegeln reflektieren. Die Lichtintensität wird dabei ständig gemessen. Wenn eine Gravitationswelle vorbeizieht, ändert sich der Abstand zwischen den Spiegeln minimal. Diese Längenänderung zeigt sich dann in einer Änderung der Intensität des Lichtstrahls – gewissermaßen der Fingerabdruck der jeweiligen Gravitationswelle.

Laut Katharina Henjes-Kunst, Gesamtprojektleiterin des DZA, sieht die aktuelle Datenlage erstmal vielversprechend aus. Und auch Günther Hasinger war sich schon vorab sicher, dass der Lausitzer Granitstock den europaweit geeignetsten Platz darstellen würde. Wo das Einstein-Teleskop schlussendlich gebaut wird, entscheidet die europäische Politik voraussichtlich gegen Ende des Jahres 2025. Als potenzielle Standorte kommen neben der Lausitz auch Sardinien und das Dreiländereck um Aachen in Frage.

DZA: Der Umgang mit Datenmengen als weiterer Forschungsschwerpunkt

Eine Visualisierung des geplanten Forschungszentrums für Astrophysik.
So könnte der geplante Campus des Deutschen Zentrum für Astrophysik aussehen, aktuell wird noch nach einem entsprechenden Standort gesucht. Bildrechte: Staab Architekten

Doch selbst wenn das Einstein-Teleskop schlussendlich nicht in der Lausitz aufgebaut wird, kommen die von ihm produzierten Daten trotzdem nach Görlitz. Denn am DZA sollen neben der Erforschung von Gravitationswellen auch die Datenströme aus aller Welt gebündelt und verarbeitet werden. Die großen internationalen Teleskope erzeugen jährlich mehr Daten als das gesamte Internet. Momentan gibt es noch keine Möglichkeit, all diese Informationen zu speichern. Sie müssen vorab ausgesiebt werden. Um daran etwas ändern zu können, wird beim DZA ein weiterer Forschungsschwerpunkt auf der Datenverarbeitung liegen. Man hofft darauf, eine neue Art der Komprimierung entwickeln zu können. Ähnlich wie mp3, nur besser. Die erste Person in diesem Forschungsbereich soll voraussichtlich Anfang Juni ihre Arbeit aufnehmen.

Ambitionierte Pläne und offene Frage

Generell mangelt es weder an Plänen noch an Ambitionen. Als Kaderschmiede für das DZA wird an der TU Dresden eigens ein neuer Masterstudiengang der Astrophysik eingerichtet. Mit weiteren Hochschulen und Instituten werden Kooperationen aufgebaut. Neben dem Untergrundlabor im Kreis Bautzen soll in Görlitz ein Campus mit Besucherpark und Rechenforschungszentrum entstehen. Wann genau und wo genau wird gerade noch geprüft.

In einem hellen Raum mit zwei über Eck liegenden Fenstern stehen viele Leitern, Eimern, Gerüstteile und sonstige Baumaterialien
Aus diesem Raum sollen ab kommendem Jahr Teleskope in Botswana und Südafrika gesteuert werden, Ministerpräsident Michael Kretschmar (CDU) saß hier zur Einweihung an einem Biertisch. Bildrechte: MDR/Til Schäbitz

Das DZA befindet sich in der Gründungphase. Aus einem Co-Working-Space sind die Mitarbeitenden erst vor wenigen Monaten ins historische Postamt gezogen, immer mehr werden eingestellt. Gerade ist selbst das Provisorium erst am Entstehen. Denn so viel ist sicher: Obwohl die restlichen Büromöbel bald kommen werden, gibt es hier nur Platz für rund 80 Mitarbeitende. Viele andere Fragen sind noch offen. Auch, ob auf einem der zukünftigen Geburtstagskuchen von Günther Hasinger vielleicht ein Dreieck sein wird – als Symbol für das Einstein-Teleskop.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 25. Mai 2024 | 00:00 Uhr

3 Kommentare

MDR-Team vor 2 Wochen

In der Regel führt man drei belastbare Punkte in der Evolutionstheorie an: Die Erkenntnisse, die aus der Untersuchung von Fossilien gewonnen werden ( Fossile Funde belegen eine Fortentwicklung innerhalb geologischer Zeiträume von einfachen Zellen über Mehrzeller bis hin zu komplexeren Lebensformen), die Ähnlichkeit zwischen Arten (DNA-Sequenzen sind bei verschiedenen Arten erstaunlich ähnlich) und die beobachtbaren Anpassungen.
Ein bekannter Fall evolutionärer Anpassung ist der Darwinfink auf den Galapagosinseln. Die Population der Finken auf den Inseln hat sich im Laufe der Zeit in verschiedene Arten mit unterschiedlichen Schnabelformen aufgespalten. Jede Form ist an eine bestimmte Art von Nahrung angepasst.
Liebe Grüße aus der Wissensredaktion

Stammzelle49 vor 2 Wochen

Ihr interessanter Beitrag der Urknall, inklusive die spontane Entstehung von Leben laut der Evolutionslehre bedeutet also, sie glauben ebenso an eine sogenannte Evolution, allen im Glauben voran die Wissenschaft, korrekt glauben Sie an Darwins Evolutionstheorie, die er selbst eine Hypothese nennt, Weiler sie bis zu seinem Todestag nicht beweisen konnte.

ABER WO IST DER BEWEIS DER EVOLUTION?

Bisher konnte noch kein einziger Virologe oder Wissenschaftler eine sogenannte Evolution beweisen, insbesondere nicht vor einem ordentlichen Gericht. Selbst Tatsachenbehauptungen aus der Wissenschaft keine Beweise, eventuell bis der Beweis erbracht ist, bestenfalls eine Hypothe.

Untertan vor 3 Wochen

Fantastisch, die Forschung an / mit Gravitationswellen ist nur zu begrüßen. Wie und wo ist eigentlich nicht wichtig, Hauptsache das Geld wird in die Grundlagenforschung investiert und nicht in Panzer und Bomben.

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