Luftaufnahme der Unesco Stätte Atlantischer Wald Süd Ost Reservate, Alto Ribeira 1 min
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Wir haben es schon oft gehört, dass die Fläche der Regenwälder schrumpft. Hier sieht man die Abholzung im Zeitraffer.

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Mehr als angenommen Vernichteter Regenwald: Zahlreiche Baumarten akut bedroht

29. Januar 2024, 10:05 Uhr

Viel mehr Baumarten als zunächst angenommen, sind weltweit vom Aussterben bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie nach Erhebungen im atlantischen Regenwald. Die Ergebnisse wurden extrapoliert und auf andere Waldgebiete übertragen.

Eine aktuelle Studie hat Daten aus dem atlantischen Regenwald ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass 82 Prozent der Baumarten, die nur in dieser Region vorkommen, vom Aussterben bedroht sind. 13 Arten sind nach Einschätzung der Studie sogar bereits ausgestorben. Etwa 65 Prozent der Baumarten, die im atlantischen Regenwald sowie in anderen Waldgebieten weltweit vorkommen, werden als bedroht eingestuft. Diese Einschätzung trifft die Studie aufgrund einer Extrapolation, bei der die im atlantischen Regenwald erhobenen Daten in Zusammenhang mit dem Flächenverlust auf andere Waldgebiete übertragen wurden.

Das Forscherteam betont, die Ergebnisse zeigen, dass der Zustand der Tropenwälder erheblich schlechter sei als bisher angenommen. "Die Situation im Atlantischen Küstenregenwald ist schon seit Jahrzehnten sehr kritisch, aber viele andere Regenwaldgebiete sind längst auf dem gleichen Entwicklungspfad. Insofern halte ich auch die verallgemeinernden Schlussfolgerungen für die Tropen weltweit für stichhaltig", betont Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

Bekannte Baumarten sind vom Aussterben bedroht

Vom Baumsterben in der Region besonders betroffen ist beispielsweise Paubrasilia echinata, ein halbimmergrüner, bis zu 30 Meter hoher Baum, aus dem früher der rote Farbstoff Brasilin hergestellt wurde, namensgebend für das Land Brasilien. In den letzten drei Generationen reduzierten sich die Bestände um 84 Prozent. Auch die Anzahlen der einst verbreiteten Arten Paraná-Kiefer, Palmherz und Yerba Mate sind um mindestens die Hälfte zurückgegangen.

Atlantischer Regenwald
Paubrasilia echinata Bildrechte: IMAGO / Joa Souza

Der atlantische Regenwald befindet sich an der Ostküste Brasiliens. Auch kleine Teile Argentiniens und Paraguays gehören zu dem Gebiet, das als "Biodiversitätshotspot" gelten kann. Mehr als 15.000 Pflanzenarten kommen dort vor. Allerdings hat der atlantische Regenwald durch Abholzung im 20. Jahrhundert mehr als 80 Prozent seiner Gesamtfläche verloren. Damit wurde er im Verhältnis zur Gesamtfläche deutlich stärker abgeholzt als beispielsweise der Amazonas-Regenwald.

Die Karte zeigt das ehemalige sowie aktuelle Verbreitungsgebiet des atlantischen Regenwalds
Die Karte zeigt das ehemalige sowie aktuelle Verbreitungsgebiet des atlantischen Regenwalds. Bildrechte: Sophie Mildner/ MDR

43 Prozent aller Baumarten weltweit sind durch Lebensraumverluste bedroht

Die aktuelle Studie hebt besonders hervor, wie sehr der Verlust von Lebensräumen die tropische Baumvielfalt bedroht. 20.504 bis 24.910 tropische Baumarten seien alleine dadurch bedroht, schätzen die Autorinnen und Autoren. Das entspricht bis zu 43 Prozent aller Baumarten weltweit. Ein positives Ergebnis hat die Studie zu den Baumarten im atlantischen Regenwald aber auch: Fünf Baumarten, die bereits als ausgestorben galten, konnten die Autoren wiederentdecken.

Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betont, dass der atlantische Regenwald stark gefährdet sei, wisse man bereits länger – in der aktuellen Studie seien allerdings wesentlich mehr Arten einbezogen worden als in früheren Forschungsarbeiten. "Und es wurden unterschiedliche Kriterien herangezogen, mit denen Gefährdung und Aussterberisiko abgeschätzt werden können."

Konsum in Europa trägt zum Baumsterben bei

Pierre Ibisch findet: "Leider bestätigt diese Studie nicht nur die schlimmsten Befürchtungen, die Tropenökologen seit langem hegen, sondern macht plausibel, dass die Lage vor allem von Waldarten noch schlechter ist als angenommen." Der Atlantische Küstenregenwald in Brasilien gehöre zu den artenreichsten und biologisch einzigartigsten Regionen der Erde, aber er sei durch die Landnutzung in viele kleine Relikte zersplittert worden. Aus seiner Sicht liegt in den Ergebnissen der aktuellen Studie allerdings auch eine Chance: "Die Ergebnisse sind geeignet, uns einmal mehr aufzurütteln. Aber Schutzbemühungen werden leider weitgehend ins Leere laufen, wenn wir nicht ernsthaft über die Gründe für die Waldvernichtung sprechen." Das betreffe auch Konsumentinnen und Konsumenten in Europa. Wer hier vermeintlich "nachhaltig zertifiziertes" Eukalyptusholz kaufe, sei mitunter an der Zerstörung des Regenwalds beteiligt.

Korrekturhinweis In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es in der Überschrift, mehr als die Hälfte aller Baumarten weltweit sei vom Aussterben bedroht. Das ist so nicht korrekt. Sondern: Bedroht sind mehr als die Hälfte der Baumarten, die sowohl im atlantischen Regenwald an den Küsten Brasiliens und Argentiniens, als auch in anderen Regenwäldern auf der Welt vorkommen.

Links/Studien

Die aktuelle Studie ist im Journal Nature erschienen und kann hier nachgelesen werden.

iz/ mit smc

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