Taktile Wahrnehmung von menschlichem und bionischem Finger
Die Entwicklung des Konzepts eines bionischen Fingers wurde von den taktilen Fähigkeiten menschlicher Finger inspiriert. Bildrechte: Li et al

Statt Röntgen und Ultraschall Bionischer Finger ertastet das Innenleben von Körpern und Geräten

15. Februar 2023, 17:00 Uhr

Forscher aus China haben einen bionischen Finger entwickelt. Er kann das Innenleben von Körpern und Geräten ertasten und so die Fähigkeiten von Röntgenstrahlen und Ultraschall ersetzen. Die Ergebnisse seiner "Stoß- und Stupps-Scans" werden in 3D-Abbildungen am Computer wiedergegeben.

Chinesische Wissenschaftler haben eine Technik entwickelt, die verborgene Strukturen nicht mit Röntgenstrahlen oder Ultraschall, sondern per "Tastsinn" erfasst und als 3D-Profil wiedergibt. Der von einem Team der Wuyi Universität in Jiangmen, Provinz Guangdong, entwickelte bionische Finger ist in der Lage, das Innere von menschlichen Körpern, elektronischen Geräten und anderen komplexen Objekten zu erfassen und detailgenau in 3D abzubilden.

Der bionische Finger mit der "Fähigkeit der taktilen Tomographie unter der Oberfläche" eröffnet nach Ansicht seiner Entwickler einen nicht-optischen Weg für die Untersuchung des Innenlebens menschlicher Körper oder elektronischer Bauteile, ohne dass sie dafür geöffnet werden müssen.

Menschlicher Finger als Vorbild

Die chinesischen Forscher ließen sich bei ihrem Projekt von menschlichen Fingern inspirieren, die mit ihrer hochempfindlichen taktilen Wahrnehmung nicht nur die Beschaffenheit von Haut, sondern auch die darunterliegenden Knochen erspüren können. Das Team um Prof. Jianyi Luo schuf ein Gerät, das bisherige künstliche Sensoren weit übertreffen soll. Während letztere nur äußere Formen, Oberflächenstrukturen und Härte erkennen, kann der bionische Finger die inneren und äußeren Merkmale komplexer Objekte aus verschiedenen Materialien erfassen.

Der künstliche Finger "scannt" Objekte, indem er sich darüber bewegt und durch ständiges Stoßen und Stupsen Druck ausübt. Bei jedem Stoß werden die Kohlenstofffasern komprimiert. Der Grad der Kompression gibt dabei Aufschluss über die relative Steifheit oder Weichheit des Objekts. Diese Informationen werden zusammen mit dem Ort, an dem sie aufgenommen werden, an einen Computer weitergeleitet und als 3D-Profil ausgespielt.

Erstaunliche Genauigkeit

Taktile Wahrnehmung von menschlichem und bionischem Finger
Mechanismen der taktilen Wahrnehmung von menschlichem und bionischem Finger: Während bei ersterem Mechanorezeptoren aktiv sind, kommen bei letzterem taktile Sensoren auf der Basis von Kohlenstofffasern zum Einsatz. Bildrechte: Li et al

Beim "Scannen" eines kleinen zusammengesetzten Objekts aus drei verschiedenen Materialien gelang es dem bionischen Finger von Luo und Kollegen nicht nur, zwischen der weichen Außenbeschichtung und den harten Innenrillen zu unterscheiden. Auch den Unterschied zwischen der weichen Außenbeschichtung und dem weichen Material, das die Innenrillen ausfüllt, konnte das Gerät erfassen.

Der bionische Finger war sogar in der Lage, simuliertes menschliches Gewebe aus einer harten Polymer-"Skelett"-Komponente und einer weichen Silikon-"Muskel"-Schicht zu erkennen und abzubilden. Dabei gelang es, ein 3D-Abbild der Gewebestruktur zu reproduzieren und ein simuliertes Blutgefäß unter der Muskelschicht zu lokalisieren.

Untersuchung elektronischer Geräte

Auch Probleme in elektronischen Geräten konnten die chinesischen Forscher mithilfe ihres bionischen Fingers diagnostizieren. So gelang es ihnen beispielsweise, das Profilbild der internen elektrischen Komponenten eines elektronischen Gerätes zu erstellen, ohne das Gerät zu öffnen. Mit Hilfe dieser 3D-Abbildung lokalisierten sie eine Stelle, an der der Stromkreis unterbrochen war. Zudem entdeckten sie ein falsch gebohrtes Loch.

"Diese taktile Technologie eröffnet einen nicht-optischen Weg für die zerstörungsfreie Prüfung des menschlichen Körpers und flexibler Elektronik", sagt Professor Luo. Und die Pläne der chinesischen Wissenschaftler gehen noch weiter. Als Nächstes wollen sie die Fähigkeit ihres bionischen Fingers zur "omnidirektionalen Erkennung" mit verschiedenen Oberflächenmaterialien entwickeln.

Die Studie von Luo und Kollegen wurde in der Fachzeitschrift Cell Reports Physical Science veröffentlicht.

(dn)

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Bildrechte: TU Chemnitz/ Jacob Müller

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Einfach genial | 16. Juni 2020 | 19:50 Uhr

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