Collage Impfung und Diagramm
Bildrechte: dpa / MDR

Covid-19 Mutationen: Beginn der dritten Corona-Welle steht bevor

12. März 2021, 15:45 Uhr

Inzwischen liegen immer mehr Daten zur Verbreitung der ansteckenderen britischen Coronavariante in Deutschland vor. Und die zeigen: Die dritte Welle steht kurz vor dem Anfang.

Die britische Mutante B.1.1.7 ist im Vereinigten Königreich schon für etwa 90 Prozent aller Infektionen verantwortlich und auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Ihr Anteil in untersuchten positiven Covid-19-Proben verdoppelt sich hierzulande relativ regelmäßig von Woche zu Woche, steigt also exponentiell an. Schon bald wird sie die herkömmliche Variante, den sogenannten Wildtyp verdrängt haben.

Britische Mutante kann nicht mehr gestoppt werden

Aufhalten kann man die Mutante nun nicht mehr, sagt Kristan Schneider. Er ist Mathematik-Professor an der Hochschule Mittweida. Sein Spezialgebiet: Modellbildung und Simulation, gemeinsam mit angesehenen internationalen Forschenden. Seine Modelle sind Weiterentwicklungen eines Covid-19-Simulators, den man im Internet findet. Hoch komplex, aber dadurch sehr genau. Bislang, so Prof. Schneider, waren alle Vorhersagen seiner Simulationen richtig. Was bedeutet die Mutation für die Entwicklung der Pandemie?

Die britische Mutante ist wahrscheinlich 35 bis 40 Prozent ansteckender als der Wildtyp. Da drängt sich eine einfache Überschlagsrechnung auf: In den letzten Wochen hatte das Coronavirus in Deutschland einen effektiven Reproduktionswert zwischen 0,8 und 0,9. Bei 35 Prozent mehr läge dieses effektive R deutlich über 1. Und ein konstant über 1 stehendes R wiederum zieht einen exponentiellen Anstieg der Neuinfektionen nach sich. Steht die befürchtete "dritte Welle" also unmittelbar bevor?

Das folgende Diagramm zeigt die Entwicklung der Neuinfektionszahlen für verschiedene effektive R-Werte - unter der hypothetischen Voraussetzung, dass der jeweilige R-Wert von nun an konstant bliebe.

Wärmeres Wetter könnte helfen

Zwei Faktoren könnten laut Professor Schneider dafür sorgen, dass es nicht ganz so schlimm kommt, wie man rechnerisch befürchten kann: Der Faktor Wetter und der Faktor Mensch.

Grundsätzlich sollte die Ansteckungsgefahr langsam sinken. Die UV-Strahlung wird höher, das Wetter wird besser. Sicherlich wäre das Tragen von FFP2-Masken sinnvoll. Mittlerweile bekommt man sie ganz preiswert. Wichtig ist, dass Mund und Nase gut bedeckt sind und der Nasenbügel der Masken nicht nur gequetscht sondern der Nasenform angepasst wird. Ein Hauptproblem der herkömmlichen Masken ist, dass fast niemand sie korrekt aufsetzt.

Trotz des wärmer werdenden Wetters hält der Mathematiker eine Fortführung des Lockdowns bis etwa Ostern für unausweichlich. Und die Schulen würde er lieber geschlossen als offen sehen. Denn Schülerinnen und Schüler tragen dort normalerweise den ganzen Tag dieselbe Maske. Die durchfeuchtet dann und bietet kaum noch Schutz. Kinder und Jugendliche stecken sich an, bleiben zwar symptomlos, werden aber "heimliche" Überträger des Virus.

Impfungen machen den Unterschied

Prof. Dr. Kristan Schneider
Prof. Dr. Kristan Schneider Bildrechte: Kristan Schneider

Kristian Schneider glaubt, dass vor allem die Impfkampagne etwas ändern kann. "Das Modell zeigt klar, dass der Nutzen der Impfung ungleich größer ist als der potenzielle Schaden. Mit der Impfung gewinnt man in jedem Fall! Die Impfung ist die sicherste und kostengünstigste Strategie, das Virus wieder los zu werden."

Und wer soll geimpft werden? Natürlich möglichst alle. Risikogruppen und systemrelevante Personen zuerst (wie in Deutschland gehandhabt). Aber der Mathematiker denkt schon viel weiter:

Es reicht nicht, nur die Erwachsenen zu immunisieren. Kinder und Jugendliche können ein Reservoir für das Virus bilden. Auch wenn ihre Infektionen gesundheitlich unbedenklich für sie selbst wären, wäre das gefährlich. Es könnten neue Mutationen auftreten, vor denen die Impfung nicht schützt, und das ganze Spiel würde von neuem losgehen.

Die südafrikanische Mutante

Mit Spannung verfolgt Kristan Schneider die Entwicklung der südafrikanischen Virusmutante. Noch kommt sie in Deutschland sehr selten vor, aber mit fortschreitenden Impfungen könnte sich das ändern, zumindest wenn verstärkt auf den AstraZeneca-Impfstoff gesetzt würde. Denn der schützt nicht vor dieser Mutation. "Wenn zu viele Personen mit diesem Impfstoff immunisiert werden, wird sich die südafrikanische Variante bald ausbreiten, und es muss nachgeimpft werden."

Allerdings sei das kein Argument gegen das Impfen an sich. Im Gegenteil. Die viel verwendete AHA-Formel (Abstand, Hygiene, Atemmaske) könnte im Sinne des Professors gern um ein I für Impfen erweitert werden.

Am meisten kommt es darauf an, dass die Bevölkerung sich rasch impfen lässt und die Kontaktbeschränkungen einhält. Hätten alle die Maske richtig getragen und hätten alle sich verhalten, als ob sie bereits ansteckend sein könnten, dann gäbe es das Virus schon längst nicht mehr.

rr

211 Kommentare

knarf2 am 13.03.2021

Mut Vorsicht und Realitätssinn erscheint mir bei Ihnen auch nicht ausgeprägt zu sein,von der Ahnung ganz zu schweigen!Es weiß jeder daß Fehler gemacht wurden und vielleicht auch noch werden.Ob Ihr Radar richtig alles zeigt kann man durchaus bezweifeln.Ritter ,ewige Meckerer und Besserwisserei bringt uns leider nichts als Luftblasen.Und das haben die Menschen nicht verdient!

DermbacherIn am 08.03.2021

Dieses Interview auf Phönix fand ich spannend:

https://www.ardmediathek.de/phoenix/video/corona-nachgehakt/gibt-es-eine-alternative-zum-lockdown/phoenix/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTIxMmQ2MDE1LTc1NTctNDUzOS05NzZlLWQ5NGJlMmNlNWY4OA/

In Deutschland starben je nach Bundesland zwischen 50 und 75 Prozent in den Pflegeheimen.
Professor Detlev Krüger deutet es vorsichtig an:
Statt Millionen die Existenzgrundlage zu rauben und sie dann staatlich zu alimentieren, hätte es vermutlich gereicht, einen Bruchteil der Summe in Personal und Infrastruktur in die Alten- und Pflegeheime zu investieren.
Besonders vulnerable Gruppen geschützt (nicht, weggesperrt) - alle anderen führen ihr normales Leben weiter, waschen sich öfters die Hände und halten etwas mehr Abstand.

MDR-Team am 04.03.2021

@Ritter Runkel,
gleich das erste Diagramm im Artikel zeigt den Anteil der Variante an den PCR-Ergebnissen insgesamt. Bei einem Anteil von 50 Prozent an allen Tests ist davon auszugehen, dass die Variante inzwischen überall auftritt. Jeder zweite Corona-Infizierte hat das mutierte Virus.

Und es macht einen Unterschied, wie ansteckend das Virus ist, schließlich gehen wir ja noch einkaufen, fahren Bus und treffen andere Menschen, z.B. in Betrieben (etwa auch in Kliniken, wo die Arbeit nicht ins Home Office verlagert werden kann). Wenn zuvor Ansteckungen verhindert werden konnten, wenn die Virenmenge durch Masken und Co. vielleicht nicht auf null aber doch auf ein ausreichend niedriges Niveau reduziert werden konnte, reichen jetzt deutlich weniger Viren für eine Infektion.

Was genau das für Gefahren bedeutet beim Einkaufen, im Nahverkehr etc. ist leider noch nicht klar. Aber klar ist, dass Lockerungen das Problem mit den Varianten verschärfen werden.