Ein Gewitter zeichnet sich hinter Windraedern ab.
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Energiewende Erneuerbare Energien: Was tun bei Dunkelflaute?

30. Oktober 2023, 23:23 Uhr

Wie muss ein Stromnetz beschaffen sein, das hauptsächlich aus erneuerbaren Energien besteht, damit es Phasen der Dunkelflaute übersteht, wenn also kein Wind weht und keine Sonne scheint?

Dass die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht, weiß jedes Kind. Entsprechend können Photovoltaik- und Windkraftanlagen auch nicht immer Strom produzieren. Und so gibt es Tage, an denen viel Strom aus erneuerbaren Quellen ins Netz eingespeist wird und Tage mit nur wenig. Im Jahr 2022 sah das so aus.

Die Spanne zwischen extremen Tagen ist dabei groß. Erinnern Sie sich an den 27. Mai 2022? Es war ein Freitag nach Christi Himmelfahrt. Es war oft sonnig, aber auch immer recht windig, Höchsttemperaturen um die 20 Grad. Weil es ein Brückentag zwischen Feiertag und Wochenende war, haben nicht so viele Menschen gearbeitet wie an normalen Werktagen, einige waren im Kurzurlaub. All das zusammengenommen bedeutet, es wurde mehr Strom aus Sonne und Wind generiert und eingespeist als üblich, es wurde aber insgesamt auch weniger Strom verbraucht als üblich. Im Durchschnitt konnten Sonne und Wind so mehr als 71 Prozent des Strombedarfs decken.

Und erinnern Sie sich an den 10. Januar 2022? Vermutlich noch weniger, aber es war ein Tag, der als Sinnbild stehen kann für das, was man Dunkelflaute nennt. An diesem Tag schien so gut wie nie die Sonne, und es wehte auch kaum Wind. Ein grauer Montag bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, entsprechend war der Stromverbrauch auch deutlich höher als am Wochenende und in wärmeren Jahreszeiten. Es war der Tag mit dem geringsten Anteil von Sonne und Wind am Strommix im gesamten Jahr, mit gerade einmal sieben Prozent.

Was Wind und Sonne nicht liefern können, muss aus anderen Quellen kommen, denn das Stromnetz muss stabil gehalten werden, Erzeugung und Verbrauch müssen immer gleich groß sein, damit es keine Blackouts gibt. An unseren beiden recht extremen Beispieltagen im Jahr 2022 sah die "Zulieferung" von Leistung aus anderen Stromquellen so aus: am "guten Sonne-Wind-Tag" 27. Mai waren zwischen sieben und 22 Gigawatt aus anderen Quellen nötig, am "Dunkelflaute-Tag" 10. Januar zwischen 41 und 71 Gigawatt.

Um kurzfristige Lücken in solchen Größenordnungen zu schließen, gibt es grundsätzlich zwei Wege. Man kann Großverbraucher für kurze Zeit vom Netz nehmen, was natürlich so selten wie möglich, bestenfalls nie passieren soll. Oder man muss andere Kapazitäten vorhalten, die bei Bedarf Strom liefern. Diese werden Flexibilitäten genannt. Das können zum Beispiel schnell zuschaltbare Gaskraftwerke sein (in Zukunft auch mit Wasserstoff).

Was hilft bei Dunkelflauten?

Beim Science Media Center Germany hat sich nun eine Expertenrunde getroffen, um die Frage "Was hilft bei Dunkelflauten?" zu diskutieren. Einig waren sich die Forscher darin, dass es keinen einzelnen Königsweg geben wird. Netzausbau, Zubau von Kraftwerken, intelligente Vernetzung von Energiespeichern (auch privaten) - all das wird aus ihrer Sicht nötig sein. Und es war Skepsis zu hören, ob das bis 2030 so gelingt, wie es sich die Bundesregierung vornimmt.

Christian Rehtanz, Institutsleiter für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft an der TU Dortmund, sagte, dass große deutsche Firmen derzeit lieber in anderen Ländern in Kraftwerke investieren, weil hierzulande die Anreize zu niedrig sind. Er denkt deshalb, "bis 2030 werden wir, wenn sich nicht massiv etwas in dem Bereich beschleunigt, nur wenige oder keine neuen Gaskraftwerke sehen." Und gleichzeitig werden dann seiner Ansicht nach auch Automatisierung, Smart-Meter-Rollout und Flexibilisierung nicht so weit vorangetrieben sein wie nötig. "Und die Konsequenz ist, dass wir dann die Kohlekraftwerke eben nicht aus dem Markt nehmen können. Die aber dann vielleicht von den Firmen aus dem Markt genommen werden wollen aufgrund von CO2-Preisen und Ähnlichem." Alles spiele in diesen Fragen zusammen. Und deswegen sei so wenig vorhersehbar.

Um Anreize wird es aber nicht nur bei Investoren, sondern auch bei privaten Stromverbrauchern gehen. Patrick Jochem vom Institut für Vernetzte Energiesysteme am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat solche Fragen in Simulationen und Pilotprojekten schon oft wissenschaftlich untersucht. "Wir sehen dort, dass die Flexibilitäten, die wir bei den Haushalten vermuten, einen großen Einfluss haben auf die Preise", sagt er. "Wir werden künftig größere Preisspreizungen sehen im Strommarkt." Gemeint sind damit veränderliche Preise je nach Tageszeit als Anreiz, tagsüber möglichst weniger Strom zu verbrauchen und nachts dafür mehr, so dass sich die Netzlast ausgeglichener über den Tag verteilt.

... und dann wird das gnadenlos langweilig, dann tut das keiner mehr.

Prof. Dr. Christian Rehtanz, Institutsleiter Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft (ie3), TU Dortmund

Aber genau da kommen wieder Smart Meter und Digitalisierung ins Spiel. Technik, die dem bequemen Menschen hilft, Strom zum "richtigen" Zeitpunkt zu verbrauchen. Denn Christian Rehtanz hat die Erfahrung gemacht, dass es sonst nicht funktioniert: "In Pilotprojekten hat sich gezeigt: Wenn Menschen das vor Ort selber machen müssen, die machen das eine Woche lang, und dann wird das gnadenlos langweilig, dann tut das keiner mehr", sagt der Dortmunder Forscher. Keiner werde wegen 150 Euro im Jahr "jeden Tag irgendwelche manuellen Tätigkeiten vollbringen. Das muss vollautomatisiert, groß, plattformmäßig passieren."

Andreas Löschel, Professor für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum wagt einen Blick in die Zukunft: "Zum Beispiel könnte das so ausgestaltet sein, dass man sagt: Ich möchte gern, dass die Batterie meines Autos morgens einen Ladestand von 80 Prozent hat oder 90 Prozent oder 70 Prozent. Und das wird unterschiedliche Preise haben. Man kann wahrscheinlich auch 100 Prozent wollen, dann wird es noch teurer." Der Endverbraucher gebe dann etwas Entscheidungsbefugnis ab, damit der sogenannte Aggregator Zeiten fürs Laden nutzen kann, wo Strom im Überfluss vorhanden und deshalb billiger ist.

Darin waren sich die Forscher einig: Man braucht diese Aggregatoren, die für die vielen kleinen Privatanwender ein Energie-Management anbieten, das voll automatisiert ist und für die Nutzer keinerlei Komforteinbußen mit sich bringt, während die Stromflüsse durch Preisanreize im Hintergrund zeitlich so gesteuert werden, dass es dem Netz gut tut. Virtuelle Kraftwerke, die so etwas tun, gibt es heute schon.

Für Christian Rehtanz könnten theoretisch schon bald große Firmen (Tech-Giganten, wie er sie nennt) so eine Rolle übernehmen. "Alexa, bitte mach es mir wärmer", könnte es dann zu Hause zum Beispiel heißen, meint Rehtanz, "und dann wird das irgendwo da eingepreist. Und Amazon orchestriert dann Millionen von Kunden. Das wäre eine zukünftige, sagen wir mal IT-basierte Lösung, die man auch heute schon umsetzen könnte." Eingeleitet hatte Rehtanz diese Idee mit den Worten "Ich habe da so eine Vision", fügte aber auch noch hinzu, es sei vielleicht gar keine Vision, "vielleicht ist es auch eher ein Schreckensbild, je nach Einstellung."

(rr)

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6 Kommentare

Captayne vor 28 Wochen

Das hätte man sich alles mal vorher überlegen sollen.
Jetzt haben wir immer weiter steigende Strompreise, weil immer mehr teure Technik erforderlich ist, um mit dem Flatterstrom klar zu kommen.
Dabei waren sie schon hoch.

Ich nicht vor 28 Wochen

Warum gibt es keine Kühlschränke die kühlen wenn der Strom günstig ist und die Kälte in Akkus speichern? Die Technik gibt's seit 100 Jahren, da gibt's keine Probleme.
Ich würde mir sofort so ein Kühlschrank kaufen!

goffman vor 28 Wochen

Man sollte nicht nur die Risiken benennen sondern auch die Chancen. Ein dezentrales Netzwerk mit vielen kleinen Kraftwerken ist viel sicherer gegen technische Defekte oder Sabotage.

Wenn bei wenigen Großkraftwerken eines plötzlich ausfällt, ist dieses viel schwerwiegender für die Netzstabilität, als wenn bei vielen kleinen Kraftwerken eines ausfällt.