Nordamerikanischer Signalkrebs
Der große weiße Fleck auf den Scheren ist das beste Erkennungsmerkmal des Signalkrebses. Bildrechte: imago images/Westend61

Invasive Arten Vom Aussterben bedroht: Wie der europäische Flusskrebs von seinem nordamerikanischen Pendant verdrängt wurde

28. Oktober 2021, 15:09 Uhr

Oft schadet es mehr, wenn gebietsfremde Arten geholt werden, um verlorene Bestände einheimischer Spezies zu ersetzen. Das zeigt das Beispiel des europäischen Flusskrebses, dessen Sterben sich durch den nordamerikanischen Signalkrebs noch beschleunigt hat.

Auf diese Entwicklung weist eine Studie hin, die die Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt/Main zusammen mit europäischen Partnereinrichtungen erstellt hat. Demnach habe das Aussetzen des nordamerikanischen Signalkrebses (Pacifastacus leniusculus) dazu geführt, dass die Bestände des europäischen Flusskrebses (Astacus astacus) noch weiter zurückgingen und er inzwischen vom Aussterben bedroht ist. Zuvor war der europäische Vertreter von der Krebspest dezimiert worden. Als Ersatz wurde der dagegen vermeintlich immune nordamerikanische Kollege hierzulande eingeführt. Mit fatalen Folgen, so die Forscher.

Warnungen wurden absichtlich ignoriert

Die Wirtschaft habe dabei über den Naturschutz gesiegt, resümieren die Experten. Denn bei der Ansiedlung des nordamerikanischen Signalkrebses ging es vor allem um den kommerziellen Wert der Tiere, die den Wegfall der einheimischen Pendants wegen der Pest kompensieren sollten. Bereits zu Beginn der Ansiedlung des nordamerikanischen Krebses in den 1960er-Jahren habe es Warnungen gegeben, dass dieser den Erreger der Krebspest auf die einheimischen Arten übertragen könnte. Diese wurden aber teilweise sogar absichtlich ignoriert. Auch waren nicht alle nordamerikanischen Unterarten gegen die Krebspest immun, wie es zuvor prognostiziert worden war.

Vom Aussterben bedroht: Europäischer Edelkrebs (Astacus Astacus).
Vom Aussterben bedroht: Europäischer Edelkrebs (Astacus Astacus). Bildrechte: Anders Asp.

"Als sich die Bestände der Signalkrebse nicht wie versprochen entwickelten, wurde die Prognose nicht korrigiert. Einzelne Akteure haben zudem absichtlich versucht, Argumente gegen gebietsfremde Arten in Argumente gegen einheimische Flusskrebse zu verdrehen", erklärt die Studienautorin Dr. Kathrin Theissinger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Welche Folgen der starke Rückgang der einheimischen Tiere hat, sei noch nicht abzusehen. "Flusskrebs ist nicht gleich Flusskrebs. Die ökologischen Unterschiede gebietsfremder Arten sind oftmals mannigfaltig und der Effekt auf das Ökosystem schwer zu prognostizieren", so Kathrin Theissinger.

Eine großflächige Ausrottung der Signalkrebse sei dabei so gut wie unmöglich, erklärt die Expertin. Denn sie könnten nur in kleineren Teichen gezielt entfernt werden, in zusammenhängenden Seegebieten wie etwa in Schweden, wo viele Signalkrebse angesiedelt wurden, sei dies praktisch aussichtslos. Nun sollen zumindest die Aussetzung, der Fang sowie der Verkauf gebietsfremder Krebse als Lebensmittel verboten werden. Wichtig sei auch, die Öffentlichkeit für das Problem invasiver Krebse – und anderer Tierarten – zu sensibilisieren.

"Wir, die Gesellschaft, müssen unsere Umwelt stärker als Ganzes wahrnehmen und ein funktionierenden Ökosystems wertschätzen", so Katja Theissinger. "Der Signalkrebs ist der am weitesten verbreitete gebietsfremde Krebs in Europa, es gibt aber auch andere gebietsfremde Krebsarten."

Um das Aussterben des Europäischen Flusskrebses abzuwenden, muss man wohl eher beim Menschen als bei den Krebsen ansetzen.

Dr. Katja Theissinger, Studienautorin

cdi

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