Welthamstertag Ausgezählt: Hat der Feldhamster noch eine Zukunft?

12. April 2023, 13:41 Uhr

Heute ist Welthamstertag. Grund genug, einen Blick auf die Hamster zu werfen, die nicht jeden Tag gefüttert werden. Denn dem kleinen Held im Hamsterfeld geht es gar nicht gut. Er ist vom Aussterben bedroht.

Mal ehrlich: Haben Sie schon einmal einen Feldhamster gesehen? Nein, nicht den aus der MDR-Doku (die wir Ihnen dennoch sehr ans Herz legen). Es ist nur ein paar Jahrzehnte her, da waren es auf den Feldern in Mitteldeutschland Millionen. Noch bis zur Wende gab es in der DDR Prämien für erlegte Tiere, die damals den nicht gerade schmeichelhaften Beinamen "Kornwolf" trugen. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Jetzt schauen wir dem Feldhamster gerade beim Aussterben zu, sagen Artenschützer. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit könnten die Tiere in wenigen Jahren oder höchsten Jahrzehnten Geschichte sein. Seit 2020 führt die "Red List" der IUCN, die internationale Rote Liste der Weltnaturschutzunion, den Feldhamster weltweit als "Critically endangered". Diese höchste Einstufung entspricht der Gefährdungskategorie "Vom Aussterben bedroht" in den deutschen Roten Listen.

"Deutschland und damit auch die Bundesländer, die Feldhamstervorkommen haben, stehen in der Verantwortung, den Feldhamster vor dem Aussterben zu bewahren", sagt Saskia Jerosch. Die Landschaftsökologin hat in den vergangenen Jahren viel getan, um den bedrohten Tiere doch noch eine Zukunft zu geben. Zusammen mit ehrenamtlichen Helfern wurden allein in Sachsen-Anhalt 2.000 ha Fläche kartiert und mit Landwirten konnten auf über 400 ha Maßnahmen zum Schutz der Hamster angelegt werden, berichtet sie nicht ohne Stolz. Das alles im Rahmen des vom Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderten Projektes "Feldhamsterland", für das Saskia Jerosch als Vertreterin der Deutschen Wildtier Stiftung in Sachsen-Anhalt verantwortlich ist.

Die ewige Suche nach neuen Fördertöpfen

"Einer der Erfolge ist, dass die Ährenernte als Feldhamsterschutz-Maßnahme in das Kooperative Modell aufgenommen wurde", sagt Jerosch. Bei dieser Erntemethode wird das Getreide kurz unterhalb der Ähre abgemäht – die Ähre landet im Mähdrescher, die Halme bleiben stehen und schützen die Feldhamster.

Doch das Projekt Feldhamsterland selbst endet 2023. Folgeprojekte über dieses Förderprogramm wird es nicht geben, erklärt Jerosch, aber sicher andere. "Wir müssen weiterhin am Ball bleiben und den Feldhamsterschutz von der lokalen Ebene auf die überregionale Ebene bringen, d.h. ideal wäre es, wenn wir im Landschaftsraum (Magdeburger Börde, nördliches Harzvorland, usw.) Feldhamsterschutz-Maßnahmen in die landwirtschaftlichen Abläufe integrieren könnten." Zeitlich befristete Projekt wie das Feldhamsterland können dafür ein wichtiger Ausgangspunkt sein, so die Artenschützerin. Aber ohne langfristige Finanzierung funktioniert Artenvielfalt nicht. "Das ist möglich, wenn wir flexible Fördertöpfe, eine individuelle Betriebsberatung und eine kontinuierliche Feldhamster-Erfassung bekommen."

Gehen Sie doch selbst mal Feldhamster zählen

Warum eigentlich der Feldhamster? Wer ihm hilft, fördert die Artenvielfalt, macht Jerosch (deren Herz auch für Wildkatze schlägt, über die sie ihre Doktorarbeit geschrieben hat) den Zusammenhang klar. "Der Feldhamster steht stellvertretend für die vielen Arten, die in der Agrarkulturlandschaft einen Lebensraum finden." Wobei finden im Augenblick der schwierige Teil ist. Der Feldhamster findet immer weniger Platz und wir finden immer weniger Feldhamster. Wie viele noch übrig sind, davon kann sich jeder und jede selbst ein Bild machen. Denn zum letzten Mal in diesem Projekt gehen Freiwillige im Mai wieder auf Feldhamstersuche. Jedes helfende Augenpaar für die Frühjahrskartierung ist willkommen, sagt Jerosch.

Neben der Freude, sich an der frischen Luft für den Artenschutz zu engagieren, sind nur festes Schuhwerk und bei sonnigen Tagen die Sonnencreme wichtig, weiß die Feldhamsterland-Koordinatorin aus Erfahrung. "Unsere Wochenend-Kartierungen sind bereits festgelegt für den 6. Mai in Prosigk und den 13. Mai in Ovelgünne. Interessierte können sich gerne bei mir anmelden."

Links/Infos

Interesse an einer Feldhamsterzählung? Hier die Kontaktadresse von Saskia Jerosch: s.jerosch@deutscheWildtierStiftung.de

Feldhamsterland ist ein auf fünf Jahre (2018 bis 2023) angelegtes Projekt in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz.

Kooperativer Naturschutz in der Landwirtschaft ist ein Modellprojekt in Sachsen-Anhalt.

gp

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 15. April 2023 | 13:15 Uhr

2 Kommentare

MDR-Team am 12.04.2023

@Peter Pan
Es geht nicht darum, dass Tiere "Helden" sein sollen. Aber auch der Feldhamster leistet seinen Beitrag im Ökosystem, etwa als potenzielle Nahrung für Raubvögel. Durch den massiven Rückgang seines Lebensraums ist die Situation eben nicht mehr wie in der DDR, sondern sein Bestand ist stark gefährdet und von "Schädling" kann keine Rede sein. LG, das MDR-Wissen-Team

Peter Pan am 12.04.2023

Mal ehrlich, haben Sie schon mal den Vorratsraum eines Feldhamsters gesehen.
in meiner Kindheit zahlten die LPG Fangprämien für jeden gefangenen Feldhamster, man musste das Tier am Bau fangen und die Bau kennzeichnen, dann wurden diese aufgegraben und das Getreide geborgen, 1 Zentner Getreide in einem Hamsterbau war die Regel und es gab massenhaft Hamster.
Jetzt sind es plötzlich Helden? Wohin die übertriebene Vorsorge von Schädlingen letztendlich führt, kann man seit Jahren beim Komoran sehen, eigentlich nicht mal in heimischer Vogel, Dank extremen Schutzes, massenhafte Vermehrung und extremer wirtschaftlicher Schaden in unseren Gewässern.
Die Tiere vorm Aussterben bewahren ist die eine Seite, aber so zu tun als ob Schädlinge die großen Nutztiere plötzlich sind, halte ich für prinzipiell falsch.