Flugzeuge schreiben Kondensstreifen in den Himmel
Noch sind es "normale Kondensstreifen", die man manchmal am Himmel sieht. Wird es bald eine Zeit geben, wenn großflächig Aerosole in die Stratosphäre gebracht werden, um die Strahlung der Sonne auf die Erde abzuschwächen? Bildrechte: IMAGO / Arnulf Hettrich

Klima Mit Geo-Engineering die Sonne verdunkeln, um die Eisschmelze zu stoppen?

18. August 2023, 15:58 Uhr

Könnte künstliches Abdunkeln der Sonne die Eisschmelze verhindern? Diese Frage haben Schweizer Forscher untersucht. Sie sagen: Ohne Dekarbonisierung kommt die Erde trotzdem nicht aus und es gibt hohe Risiken.

Das sogenannte Geo-Engineering wird seit mehreren Jahren heiß diskutiert. Gemeint sind damit Technologien und Methoden, die das Klima gezielt beeinflussen sollen. CO2 aus der Atmosphäre zu holen, ist einer der beiden Hauptzweige des Geo-Engineerings. Er wird CDR (Carbon Dioxide Removal) genannt.

Der andere Hauptzweig heißt SRM, was für Solar Radiation Management steht, wo es darum geht, die Sonneneinstrahlung zu beeinflussen. Zum SRM wiederum gibt es verschiedene Überlegungen, die allesamt sehr aufwändig in die Tat umzusetzen wären. Man könnte zum Beispiel im Weltraum Spiegel oder Schirme rund um die Erde platzieren, um Sonnenstrahlen von der Erde abzulenken. Oder man besprüht Wolken über den Meeren mit Salzwasser, wodurch sie mehr Sonnenlicht reflektieren könnten. Oder aber man bringt Aerosole (kleine Schwebeteilchen) in die Stratosphäre ein, die dann ebenfalls mehr Sonnenlicht reflektieren und die Erde abkühlen würden, ähnlich wie nach großen Vulkanausbrüchen.

Was würde die Verdunklung der Sonne bringen?

... möglich, dass technische Maßnahmen zur Beeinflussung des Klimas in Zukunft ernsthaft in Erwägung gezogen werden.

Johannes Sutter, Physiker und Eismodellierungsspezialist, Universität Bern

Wird man irgendetwas davon ernsthaft probieren, gewissermaßen als schnelle Notlösung für die Klimakrise, weil alles andere zu lange dauert? "Das Zeitfenster, in dem sich der globale Temperaturanstieg auf unter zwei Grad beschränken lässt, schließt sich schnell", sagt Johannes Sutter, Physiker und Klimamodellierer an der Universität Bern. "Es ist deshalb möglich, dass technische Maßnahmen zur Beeinflussung des Klimas in Zukunft ernsthaft in Erwägung gezogen werden." Deshalb sei als theoretische Grundlage nötig, so Sutter, in Modellen die Auswirkungen und Risiken zu untersuchen.

Sutter hat sich deshalb zusammen mit Kollegen mit der Sonnenverdunkelung näher befasst. Umsetzbarkeit und Finanzierung der Aerosol-Methode spielten dabei keine Rolle, sondern es ging um die reine Frage des Nutzens. Also wie würde sich eine künstliche Verdunkelung der Sonne aufs antarktische Meereis auswirken und dessen Schmelzen verhindern oder zumindest verlangsamen?

Verdunkelung hilft nur in Kombination mit weniger Treibhausgasen

Weil unklar ist, wie sich der Treibhausgasausstoß auf der Erde in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, hat die Forschungsgruppe drei Szenarien untersucht, die alle aus Klimamodellrechnungen bekannt sind:

  • RCP2.6, der wahrscheinlich "mildeste" mögliche Verlauf, bei dem die Erderwärmung im Mittel unter dem Zwei-Grad-Ziel bleibt
  • RCP4.5, ein "mittlerer" Verlauf, bei dem das Zwei-Grad-Ziel verfehlt wird, die Erwärmung aber unter drei Grad bleibt
  • RCP8.5, ein "schwerer" Verlauf mit noch deutlich höheren Emissionen als heute, bei dem sich die Erde im Mittel um 4,8 Grad erwärmt (verglichen mit dem vorindustriellen Zeitalter)

Antarktischer Eisschild
Ein Abschmelzen der riesigen Eismassen in Arktis und Antarktis wird zu einem erheblichen Anstieg der Meeresspiegel auf der ganzen Welt führen. Bildrechte: imago images/adfoto

Einhergehend mit der jeweiligen Temperaturerhöhung ist auch ein mehr oder weniger großer Anstieg der Meeresspiegel, abhängig davon, wie viel Eis zum Beispiel in der Antarktis schmilzt. Die Ergebnisse der Simulationen für dieses Schmelzen waren dann sehr differenziert, abhängig vom jeweiligen RCP-Szenario.

  1. Wenn weiter genauso viel ausgestoßen wird wie bislang, dann würde auch eine Verdunkelung der Sonne, selbst wenn sie schon Mitte des Jahrhunderts großflächig begänne, den Kollaps des Westantarktischen Eisschildes nicht verhindern, sondern nur ein wenig verzögern.
  2. Im mittleren Emissionsszenario RCP4.5 könnte sich ab Mitte des Jahrhunderts eingesetztes SRM dann schon als "effektives Werkzeug" erweisen, um das Kollabieren des Eisschilds zu verlangsamen oder sogar zu verhindern, heißt es in der Studie.
  3. Am besten helfen würde diese Form von Geo-Engineering gemäß den Berechnungen, wenn sie einerseits möglichst bald beginnt und wenn gleichzeitig die "Netto-Null" bei den Treibhausgasen schnell erreicht wird.

Der Westantarktische Eisschild im Jahr 3000 bei verschiedenen Szenarien, die in der Schweizer Studie, modelliert wurden. Die Zahlen in den roten Kreisen geben an, welchen Beitrag zum Anstieg der Meeresspiegel (in Metern) die jeweilige Eisschildregion leisten würde.
Der Westantarktische Eisschild im Jahr 3000 bei verschiedenen Szenarien, die in der Schweizer Studie modelliert wurden.
Die Zahlen in den roten Kreisen geben an, welchen Beitrag zum Anstieg der Meeresspiegel (in Metern) die jeweilige Eisschildregion leisten würde.
Bildrechte: J. Sutter et al. / Universität Bern

"Unsere Simulationen zeigen, dass der effektivste Weg zur Verhinderung eines langfristigen Zusammenbruchs des Westantarktischen Eisschildes eine rasche Dekarbonisierung ist", fassen die Studienautoren zusammen, und zwar "ohne Verzögerung".

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ... ja, wen eigentlich?

Wie muss man sich ein Abdunkeln der Sonne praktisch vorstellen? Laut Johannes Sutter müsste eine ganze Flotte von extrem hoch fliegenden Flugzeugen Millionen von Tonnen Aerosole in der Stratosphäre ausbringen. Dieser technische Eingriff ins Klima müsste jedoch ohne Unterbrechung und letztlich über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte aufrechterhalten werden. Wenn die Intervention gestoppt wird, solange die Treibhauskonzentration in der Atmosphäre hoch bleibt, dann steigt die Temperatur auf der Erde sofort wieder sprunghaft um mehrere Grad an. Die Folgen eines solchen Abbruchschocks, gibt Johannes Sutter zu bedenken, sind nur eine der möglichen Gefahren, die von SRM-Maßnahmen ausgehen.

Noch sind die potenziellen Nebenwirkungen ungenügend erforscht, aber sie reichen von einer Verschiebung des Monsunregimes bis zur Veränderung von Ozean- und Atmosphärenzirkulation. Auch würde die Versauerung der Ozeane weiter voranschreiten. Kritische Stimmen mahnen zudem politische und gesellschaftliche Effekte an: Der Einsatz solcher Techniken könnte dazu führen, dass andere Klimaschutzmaßnahmen verlangsamt oder gar verhindert würden. Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern und Mitautor der Studie, sagt deshalb: "Geoengineering wäre ein potenziell gefährlicher Eingriff der Menschen in das Klimasystem, was gemäß Artikel 2 der UNO-Klimarahmenkonvention auf jeden Fall verhindert werden sollte."

(rr)

18 Kommentare

Nelke vor 35 Wochen

Interessant. Bislang war "Geoengineering" ein utopisches Thema hinsichtlich einer möglichen Nutzung des Mars. Bezüglich irdischer Verhältnisse löste der Begriff bislang allenfalls ein herablassendes Lächeln der "Wissenden" aus. CO2 ist deutlich schwerer als Luft. Sowohl Luft als Gasgemisch als auch der enthaltene Sauerstoff werden spätestens ab 4000-5000m Höhe ziemlich dünn. Nur Gase leichter als Luft wie z.Bsp. Wasserstoff oder Helium können in größere Höhen aufsteigen. Wie soll das schwere CO2, welches ohnehin nur im Promillebereich vorhanden ist, in der Höhe einen Treibhauseffekt auslösen ? Um energiesparende und sauberere Technik kümmerten sich Techniker und Entwickler schon lange vor der Verbreitung der neuen CO2-Religion. Noch Anfang der 90er Jahre stand der Erhalt der (Regen)wälder im Vordergrund. Heute werden diese auch für Palmöl, E 10, Windräder gerodet. Die system-ischen Ursachen liegen im Kapitalsystem selbst, welches am besten mit Schaffung von Problem u. Lösung verdient

wo geht es hin vor 36 Wochen

"Ein wichtiger Aspekt der Wissenschaft ist der wissenschaftliche Diskurs, in dem unterschiedliche Ideen und Hypothesen diskutiert werden können."
Deshalb ja meine Frage (Wo kommen die z. Bsp. bei Ihnen zu Wort?), deren Beantwortung Sie geflissentlich ignorieren.
"Dennoch kann es Situationen geben, in denen eine starke wissenschaftliche Konsensbildung aufgrund einer breiten und überzeugenden Evidenz stattfindet."
Und genau das ist Ihr Narrativ, was bei genauer Beleuchtung der Realität nicht standhält. Wie Ihr "Konsens" aussieht, wissen wir ja. Stichwort 97 %. WIE diese Zahl aber zustande gekommen ist, wissen Sie selbst und sollten es daher besser wissen. Für mich ist das gezielte Täuschung der Leser.

MDR-Team vor 36 Wochen

Hallo wo geht es hin,

Klimawissenschaftler*innen arbeiten daran, die vielfältigen Faktoren, die das Klimasystem beeinflussen, besser zu verstehen, einschließlich menschlicher Aktivitäten, natürlicher Schwankungen und Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren.

Der wissenschaftliche Ansatz beinhaltet ständiges Hinterfragen und Anpassen von Hypothesen basierend auf neuen Erkenntnissen. Wissenschaftler*innen sind stets bestrebt, den bestmöglichen Kenntnisstand zu erreichen und Unsicherheiten anzuerkennen, wo sie existieren.

Ein wichtiger Aspekt der Wissenschaft ist der wissenschaftliche Diskurs, in dem unterschiedliche Ideen und Hypothesen diskutiert werden können. Dennoch kann es Situationen geben, in denen eine starke wissenschaftliche Konsensbildung aufgrund einer breiten und überzeugenden Evidenz stattfindet. Die Anwendung des Konsenses in der Kommunikation zielt darauf ab, auf der Basis des aktuellen Wissensstandes Entscheidungen zu treffen und Handlungen zu unterstützen.