Hadza
Jäger und Sammler wie die Hadza legen bis zu 16 Kilometer am Tag zurück. Bildrechte: IMAGO / Pond5 Images

Jäger und Sammler Gesund leben wie in der Steinzeit

05. Februar 2024, 06:24 Uhr

Wir träumen von einem langen, erfüllten und gesunden Leben und stehen uns dabei mit ungesunder Ernährung, zu wenig Bewegung und Stress selbst im Weg. Unsere Vorfahren und diejenigen, die noch heute als Jäger und Sammler leben, wussten, wie es anders geht. Können wir einiges davon in unser Hier und Jetzt übernehmen? Die Antwort ist „Ja!“, und zwar in etwa so: Gemeinsam leben. Überwiegend pflanzliche, vollwertige Ernährung, auch Fasten. Und viel Bewegung.

Proträtfoto einer Frau mit eine rosa Bluse.
Bildrechte: Stefan Huhn

Gemeinschaften von Jägern und Sammlern konnten und können nur überleben, wenn sie zusammenhalten. Die meisten Ressourcen sind nicht immer und überall verfügbar, es lauern Gefahren, also muss jeder seinen Beitrag dazu leisten, die Gruppe zu ernähren, zu beschützen und die Kinder großzuziehen. Menschen wie die Hadza in Tanzania, die heute noch so leben, sehen darin den Sinn ihres Lebens.

Der britische Anthropologe James Woodburn hat ab 1958 viel Zeit mit ihnen verbracht, um ihren Alltag zu studieren. "Ihr Leben als Jäger und Sammler, sie betrachten es als wunderbares, als sinnerfülltes Leben", berichtete er aus Gesprächen mit ihnen. Dieser Sinnhaftigkeit des Lebens wird in Japan übrigens eine lebensverlängernde Wirkung zugeschrieben. Inzwischen weisen auch Studien wie die der University of Michigan in Ann Arbor darauf hin: Wer überzeugt ist, ein sinnvolles Leben zu führen, ist körperlich und geistig gesünder und lebt länger als andere.

Gesunde Beziehungen verlängern das Leben

Das für Jäger und Sammler überlebenswichtige soziale Miteinander beeinflusst auch unsere Gesundheit und letztendlich auch unsere Lebenserwartung in der sogenannten Zivilisation. Das legte unter anderem die Langzeitstudie „Adult Development Study“ der Universität Harvard offen, die von 1938 an 724 Männer durchs Leben begleitete, die damals Jugendliche waren.

Eine Erkenntnis daraus: Diejenigen, die gute und enge Beziehungen zur Familie und zu Freunden hatten, waren gesünder als die Teilnehmer, die keine solche Beziehungen haben, und lebten im Schnitt sogar länger. Mittlerweile bestätigt eine Reihe weitere Untersuchungen diesen Zusammenhang. Doch die Anonymität der Großstadt, ständiger Zeitdruck, der Trend zur Kleinfamilie, Konsum und Medien können von realen zwischenmenschlichen Verbindungen ablenken und sie letztendlich sogar untergraben.

Wir können allein überleben – aber tut uns das auch gut?

Denn theoretisch können wir, zumindest so lange wir gesund sind, in unserer Gesellschaft auch allein überleben: Allein wohnen, allein einkaufen, allein essen und arbeiten. Doch wie lange fühlen wir uns dabei wirklich wohl? Wie lange können wir auf die Nähe anderer verzichten? Immerhin sorgt zum Beispiel die Berührung zur Ausschüttung von Glückshormonen, und diese können uns langfristig gegen Stress, Infektionen, Schmerzen, Herzerkrankungen und seelische Tiefs schützen. Und ist der Alltag nicht auch einfacher in einem sozialen Netzwerk?

Tipps für den Alltag in Gemeinschaft: Wer seine Freizeit im Verein verbringt, ist dort meist in guter Gesellschaft.

Ehrenamtliches Engagement kann helfen Kontakte zu knüpfen, wenn man neu in der Stadt ist. Oder einfach mal beim Nachbarn klingeln...

Regional und saisonal: Essen, was die Natur gerade bietet

Pflanzen zu sammeln ist weniger zeit- und kraftaufwändig als zu jagen. Deshalb ernährten und ernähren sich Jäger und Sammler überwiegend von Knollen, Beeren und Früchten, weniger von Fleisch. Gegessen wurde und wird das, was die Natur gerade zu bieten hat und wie sie es zu bieten hat. Die Zugabe von Zucker, Salz, gesättigten Fettsäuren, künstlichen Konservierungs- und Geschmacksstoffen war und ist für Jäger und Sammler fremd.

Schüsseln und Gläser mit Nüsse, Saaten und Früchten
So könnte die Ernährung der Jäger und Sammler übertragen ins Hier und Jetzt aussehen Bildrechte: IMAGO / UIG

Doch in unseren industriell verarbeiteten Lebensmitteln wie Fertiggerichten findet sich jede Menge davon, und das macht uns krank, denn sie liefern viel Energie bei geringem Gehalt an wichtigen Nährstoffen. In Deutschland machen sogenannte "Convenienceprodukte" (dt. bequeme Produkte) etwa 50 Prozent unserer Mahlzeiten aus. Studien belegen den Zusammenhang unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2, Adipositas, Allergien und Krebs.

Tipps für gesunde Ernährung im Alltag: Der Nutriscore auf vielen Verpackungen gibt Aufschluss über die Energie-Nährstoffbalance und bietet damit eine erste Orientierung.

Je naturbelassener die Lebensmittel, desto besser: Fleisch ohne Panade, Spinat ohne Blubb, Joghurt mit frischem Obst

Viel Obst und Gemüse

Vegane Fleischersatzprodukte sind ebenfalls hoch verarbeitet und damit keine gesunde Alternative. Besser: Bratlinge aus Saaten selbst zubereiten.

Saaten und Nüsse statt Getreide

Fasten? In der Steinzeit waren Menschen daran gewohnt

Hatte die Natur gerade nichts Essbares zu bieten, mussten Jäger und Sammler notgedrungen fasten. Heute legen Studien nahe, dass zumindest Intervallfasten unter bestimmten Bedingungen Vorteile für die Gesundheit haben kann.

Untersuchungen an Tieren weisen darauf hin, dass der regelmäßige Nahrungsverzicht das Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologische Krankheiten und Krebs senken kann. Auch die Gehirnfunktion konnte durch diese Form des Fastens positiv beeinflusst werden. Studien am Menschen liegen hingegen nur wenige vor und ihre Aussagen sind nicht eindeutig.

Jäger und Sammler liefen durchschnittlich 16 Kilometer pro Tag

Bis zu 16 Kilometer legten und legen nomadisch lebende Jäger und Sammler pro Tag zurück, um Nahrung zu suchen und gegebenenfalls auch einen neuen, besseren Standort für ihr Lager. Unser Weg zum nächsten Supermarkt ist deutlich kürzer und dank Auto, Bus, Bahn und Aufzug sind wir eher selten mit Muskelkraft unterwegs. Hinzu kommt unsere oft viel zu kalorienreiche Ernährung. Um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen, brauchen wir mehr Bewegung.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren pro Woche mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung. Beides kann auch gemischt werden, jeweils aber mindestens 10 Minuten dauern. Außerdem sollten an zwei Tagen in der Woche gezielt die Muskeln trainiert werden. Dann kann Sport tatsächlich das Leben verlängern und sogar gegen Depressionen und Demenz helfen.

Strecken und in die Knie gehen: Funktionelle Bewegungen erhalten Mobilität

Auch wenn wir das Pensum der Jäger und Sammler vielleicht nicht täglich erreichen, können wir es zumindest anstreben. Auch bei der Art und Weise der Bewegung können wir uns an ihnen orientieren: Das Strecken nach Früchten am Baum oder das Hocken, um an Wurzeln zu gelangen, sind funktionelle Bewegungen, die - regelmäßig geübt - auch uns eine längere Beweglichkeit beschweren können.

Tipps für mehr Bewegung im Alltag Pro Woche 150 Minuten moderate Bewegung: mit dem Hund spazieren gehen, mit dem Rad zur Arbeit fahren

Und/oder 75 Minuten pro Woche intensiv bewegen: Joggen, schnell Radfahren, Fußball spielen usw.

Gelegenheiten im Alltag nutzen: Treppe statt Fahrstuhl, zu Fuß statt mit dem Auto

Gezielte funktionelle Gymnastik, zum Beispiel um die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu trainieren

Auch wenn die Verlockung groß ist, in Anbetracht des Zeitdrucks im Alltag bequemere Wege zu gehen, gibt es doch viele gute Gründe und auch Möglichkeiten, unseren ursprünglichen Lebensgewohnheiten zumindest doch wieder näher zukommen und damit auch dem Traum vom langen, gesunden und sinnerfüllten Leben mit Konzentration aufs Wesentliche. Denn auch das haben uns die Jäger und Sammler voraus.

Weniger Stress: Jäger und Sammler hatten viel mehr Freizeit

Jäger und Sammler hatten weniger Stress und mehr Freizeit. Zu dieser Vermutung kommen Mark Dyble und Abigail Page von der University of Cambridge. Welche Veränderung der Wechsel vom nomadischen zum Leben als niedergelassene Bauern mit sich brachte, beobachten sie an den Agta, einer indigenen Bevölkerungsgruppe der Philippinen. Sie leben überwiegend noch immer als Jäger und Sammler, einige jedoch betreiben auch Landwirtschaft.

Letztere müssen deutlich mehr arbeiten, vor allem die Frauen. Das zeige, wie effektiv die Jäger- und Sammlerlebensweise ist, so Dyble. "Die viele gemeinsame Freizeit, die sie dadurch haben, könnte auch erklären, wie es solche großen Gemeinschaften schaffen, so viel Wissen von Generation zu Generation weiterzugeben."

6 Kommentare

Eulenspiegel1 vor 12 Wochen

Hallo ralf
Und sie essen natürlich jede Menge Fleisch im rohen Zustand wie jedes andere Raubtier auch.
Ich denke dagegen denke das ohne die Beherrschung des Feuers und damit die Technik des Kochens und Bratens ist der Mensch erst ein mal zum Fleischesser geworden.
Es hat schon seine Gründe warum der Mensch in der Regel kein frohes Fleisch ist.
Das der menschliche Organismus gar nicht in der Lage ist die Fleischmengen die er heutzutage verzehrt ohne gesundheitliche Schäden zu überstehen.

weils so nicht unwidersprochen bleiben darf vor 12 Wochen

Was also ist jetzt der Schluss, den wir aus dem Artikel ziehen sollen?
Rückkehr zum Jagen und Sammeln, um "mehr Freizeit" zu haben. Schwierig, wenn ALLE Berliner zugleich damit anfangen, oder?
Aber in der Tat passt es in die (Medien-)Stimmung der Zeit, dass eine an sich vernüftigen Zusammenfassung zu den Folgen einer prähistorischen Weiterentwicklung der Menschheit in Tonfall und Phrasengebrauch daherkommt wie ein absurdes Pladoyer für die Rückkehr in Feuersteins Famlien-Höhle. Leben wie Jäger und Sammler - nur dabei halt auf die Bio-Herkunft der Mammute achten. Und viel viel Gemüse sammeln - weils sonst vor allem die Frauen mehr arbeiten müssen, und das Lagerfeuer elektrisch betrieben...
So steigt die Lebenserwartung, und den Zahnarzt (s.MDR: bald 500.000 Menschen in S-Anhalt ohne Zahnarzt) vertritt dann der Wunderheiler; Karies gibts ja eh nur wegen Stress und Fleischkonsum, oder?

MDR-Team vor 13 Wochen

Hallo liebe @Brigitte Schmidt,
schwierig, da Lebenserwartung nicht gleich Sterblichkeit ist.
Erstes ist ein Durchschnitt. Da in der Steinzeit die Kindersterblichkeit sehr hoch war, zieht das den Schnitt der Lebenserwartung gesamt nach unten (ca. 35 Jahre). Überlebten die Menschen zur damaligen Zeit aber das 20. Lebensjahr, konnten diese noch 20 und mehr Jahre leben. Denn dies wiederum war davon abhängig, ob sie den Kampf um Ressourcen für sich gewannen. Die Steinzeit lässt sich daher nicht mit der heutigen Zeit vergleichen. Jedoch kann man aber Aussagen treffen, ob Krankheiten wie Diabetes und metabolische Erkrankungen damals eine Rolle spielten.
Herzliche Grüße