Ein Forscher montiert Bauteile im inneren des Versuchsreaktors Wendelstein 7-x
Umbau des Wendelstein 7-x im Jahr 2021: Forscher hatten ein neues Kühlsystem in der Anlage montiert, die den Weg zur Kernfusion ebnen soll. Bildrechte: MPI für Plasmaphysik/Jan Michael Hosan

Kernfusion Fusionsreaktor Wendelstein 7-x: Greifswalder Anlage erreicht neuen Meilenstein

27. Februar 2023, 16:04 Uhr

Wissenschaftlern haben mit dem experimentellen Kernfusionsreaktor Wendelstein 7-x in Greifswald einen neuen Meilenstein erreicht. Die Anlage hielt ein Plasma aus heißem Wasserstoff für acht Minuten stabil.

Forschende am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald haben Mitte Februar mit dem experimentellen Fusionsreaktor Wendelstein 7-x einen neuen Bestwert erreicht. Sie heizten Wasserstoff zu einem Plasma auf und ließen es acht Minuten lang durch den Reaktorkern zirkulieren. Dabei wurde insgesamt 1,3 Gigajoule Energie umgesetzt. Das ist eine Steigerung um den Faktor 17 im Vergleich zu früheren Versuchsläufen, als maximal 75 Megajoule umgesetzt werden konnten.

Neues Kühlsystem Anlage trotz gewaltiger Hitze stabil

Bei den Experimenten geht es aktuell noch nicht darum, eine Kernfusion in Gang zu setzen, denn die Wissenschaftler arbeiten noch an den Voraussetzungen für diesen Prozess. Dazu gehört, die Anlage bei extremen Temperaturen stabil halten und vor allem ausreichend kühlen zu können. Über das Kühlsystem soll später einmal Strom erzeugt werden, indem die Kernfusion Kühlwasser aufheizt und in Dampf verwandelt, der schließlich eine Turbine antreibt.

Vor dem aktuellen Versuchslauf war der Reaktor drei Jahre lang umgebaut worden. Dabei hatte er eine Wasserkühlung der Wandelemente und ein erweitertes Heizsystem für die Aufheizung des Plasmas erhalten. Die Wandelemente bestehen aus hitzebeständigen Divertor-Prallplatten. Diese haben einen Unterbau aus Wasserleitungen, die die entstehende Wärme ableiten sollen.

Blick in die Halle mit der Versuchsanlage Wendelstein 7-x in Greifswald. Zu sehen ist ein Gewirr aus Leitungen, Rohren und Kabeln. Am Rand auf einer Plattform über den Anlage stehen zwei Menschen mit gelben Schutzhelmen.
Blick in die Halle mit der Versuchsanlage Wendelstein 7-x. Bildrechte: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan

Forscher wollen Plasma über 30 Minuten stabil halten

Die Heizung für das Plasma wiederum besteht aus drei Komponenten: Einer Infektion von Neutralteilchen, einer Mikrowellen-Elektronenheizung und einer gerade neu eingebauten Ionenheizung. Diese Heizung speist die Energie in das Plasma ein und soll irgendwann in der Zukunft einmal die Fusion von Wasserstoffisotopen zu Helium in Gang setzen.

Vor allem die Mikrowellen-Elektronenheizung sei für die jetzt erreichte Leistung zentral, da nur sie über mehrere Minuten das Plasma immer weiter aufheizen könne. Durchschnittlich wurden für die Aufheizung 2,7 Megawatt pro Sekunde verbraucht. In den kommenden Jahren soll die Anlage weiter hochgefahren werden, bis das Plasma insgesamt für eine halbe Stunde stabil gehalten werden kann. Dann rechnen die Forscher mit einem Gesamtumsatz von rund 18 Gigajoule.

Versuchsbetrieb soll Grenzen der Anlage weiter ausloten und vergrößern

"Wir tasten uns jetzt an immer höhere Energiewerte heran", sagt Thomas Klinger, Leiter des Bereichs Stellarator-Dynamik und -Transport. "Dabei müssen wir Schritt für Schritt vorangehen, um die Anlage nicht zu überlasten und zu beschädigen."

Bei dem Wendelstein 7-X handelt es sich um einen Stellarator, also einen bestimmten Typ eines experimentellen Reaktors. Hier erzeugt ein System aus Magnetspulen einen magnetischen Käfig für das viele tausend Grad heiße Plasma. Gelingt es den Forschenden, das Plasma über lange Zeit stabil zu halten, kann auch ein Fusionsprozess über viele Stunden ablaufen und gewaltige Energiemengen erzeugen.

Laserfusion erzeugt bereits Energie – eignet sich aber nicht gut für Kraftwerke

In den USA war es im vergangenen Herbst erstmals gelungen, bei einem Experiment mehr Energie mit einer Kernfusion zu erzeugen, als in die Fusionskammer eingespeist worden war. Die US-Forscher hatten dafür allerdings Laserpulse verwendet. Dieses Vorgehen eigne sich vor allem für die Untersuchung von Fusionsprozessen, weniger für die Stromerzeugung, argumentieren viele Forscher.

(ens)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13. Dezember 2022 | 18:00 Uhr