Auf einem Plastikmodell eines Gehirns ist ein weißer Streifen aufgebracht, der wie ein Pflaster aussieht.
Was aussieht wie ein Pflaster auf dem Gehirn, ist tatsäclich eine Sprachprothese. Bildrechte: Dan Vahaba/Duke University

Wissen-News Gehirn-Implantat: Sprachprothese ermöglicht Sprechen durch Gedanken

06. November 2023, 15:25 Uhr

Es gibt neurologische Störungen, die verhindern, dass Menschen sprechen können, obwohl sie es gerne würden. Eine neue Sprachprothese soll da künftig Abhilfe schaffen: Das Gehirnimplantat kann die Signale vom Sprachzentrum des Gehirns einer Person in das übersetzen, was sie zu sagen versucht. Das heißt, sie ermöglicht es, allein mithilfe der eigenen Gedanken zu sprechen.

Menschen, die zum Beispiel an schwächenden motorischen Störungen wie ALS (amyotrophe Lateralsklerose) oder dem Locked-in-Syndrom leiden, haben häufig nur eine sehr eingeschränkte Sprechfähigkeit. Doch eine neue Gehirn-Computer-Schnittstelle könnte ihnen künftig helfen. Ein Team aus Neurowissenschaftlern der Duke University hat jetzt ein neues Implantat entwickelt, das die Signale im Gehirn in Sprache übersetzen soll.

Bisher seien die Werkzeuge, die diesen Menschen Kommunikation ermöglichen, im Allgemeinen sehr langsam und umständlich, so das Forschungsteam. Die beste Sprachkodierungsrate liege etwa bei der Hälfte der Geschwindigkeit, mit der Menschen sprechen. Grund für diese langsame Dekodierung seien die relativ wenigen Gehirnaktivitätssensoren, die bisher auf den Implantaten befestigt werden konnten, die auf der Oberfläche des Gehirns liegen. Deshalb haben die Forschenden hochdichte, ultradünne und flexible Gehirnsensoren entwickelt. Insgesamt 256 dieser mikroskopisch kleinen Sensoren passen demnach auf ein briefmarkengroßes Stück flexiblen Kunststoffs in medizinischer Qualität. Diese Vielzahl sei notwendig, so das Forschungsteam, weil Neuronen, die nur minimal voneinander entfernt seien, bei der Sprachkoordination sehr unterschiedliche Aktivitätsmuster aufweisen könnten. Deshalb sei es wichtig, die Signale benachbarter Gehirnzellen zu unterscheiden, um genaue Vorhersagen über die beabsichtigte Sprache treffen zu können.

Das Implantat haben die Forschenden bereits im Schnelldurchlauf getestet: Im Rahmen von Gehirn-OPs mehrerer Neurochirurgen durften sie das Gerät bei Patienten testen. Dabei hatten sie jeweils nur 15 Minuten Zeit für ihr Experiment, um die Operationen nicht zu verzögern. Das Ergebnis: In 40 Prozent der Fälle hat der Decoder die Gehirnsignale in die korrekte Sprache übersetzt. Was nach wenig klinge, so die Forschenden, sei aber tatsächlich ziemlich beeindruckend. Bis die Sprachprothese aber tatsächlich marktreif sein wird, ist es also noch ein langer Weg, bilanzieren die Forschenden.

Link zur Studie

Suseendrakumar, Duraivel et al.: High-resolution Neural Recordings Improve the Accuracy of Speech Decoding. In: Nature Communications, November 06 2023. DOI: 10.1038/s41467-023-42555-1.

kie

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