Pilzpfanne mit Birkenpilz, Steinpilz und Espen-Rotkappe auf dem Herd
Sieht lecker aus und dann bleibt die Pfanne doch voll. Bildrechte: imago images / blickwinkel

Viel Regen, viele Pilze? Denkste! Pilzsaison 2021: Sachsen-Anhalt und Nord-Sachsen haben schlechte Karten

25. September 2021, 10:00 Uhr

Ein nasser, feuchter Sommer liegt hinter, die Pilzsaison vor uns. Können wir uns dank der Niederschläge nun auf einen leckeren Pilzherbst freuen? Nicht ganz und nicht überall, sagen Bundesamt für Strahlenschutz und ein Pilzexperte der Deutschen Gesellschaft für Mykologie.

Kennen Sie das auch? Da geht man in die Pilze, es riecht herrlich nach Moos, nach Laub, nach Pilzen. Danach schmurgelt der Inhalt appetitlich geputzt duftend in der Pfanne. Doch dann im Mund, beim Kauen der Gedanke an Nacktschnecken, weich, glitschig und prompt bleibt die Pilzpfanne voll und der Magen leer. Schade, sagen die Kinder, es war so schön im Wald und das Sammeln hat auch Spaß gemacht! Aber essen kannste die alleine, wir wollen das schlabbrige Zeug nicht.

Warum nicht fotografieren statt sammeln?

Fliegenpilze
Bildrechte: IMAGO / Andreas Neumeier

Wer nun nicht auf den herbstlichen Waldgenuss verzichten will, steigt um aufs Pilze kartieren, zum Beispiel Amanita muscaria. Klingt appetitlich und irgendwie musikalisch, ist aber für Menschen einfach nur ungenießbar, der Fliegenpilz mit seiner roten Kappe und den markanten weißen Tupfen.

Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V. lädt nämlich 2021 ein, den Fliegenpilz zu kartieren. Fliegenpilze zählen zu den Mykorrhiza-Pilzen, also solchen, die mit Bäumen symbiotische Verbindungen eingehen, erzählt Stefan Fischer von der Mykologie-Gesellschaft. "Die Pilze im Wald stehen nicht einfach so rum, der Standort der Pilze hat auch eine Bedeutung". Das Prinzip bei Mykorrhiza-Pilzen ist einfach: Der Pilz versorgt das Wurzelsystem der Bäume mit Wasser und Mineralien, der Baum revanchiert sich mit Traubenzucker aus seinem Photosynthese-Prozess. Das Tauschgeschäft findet in der Mykorrhiza statt, da wo die Pilzfäden (Hyphen) die Wurzelspitzen des Baumes umschlingen und mit der obersten Wurzelschicht verwachsen. Wenn wir also zum Beispiel Fliegenpilze kartieren, erfassen wir gleichzeitig wichtige Symbiosen zwischen Baum und Pilz.

Vorsicht beim Sammeln! Speisepilze und ihre giftigen Doppelgänger

Speisepilze sind nicht nur lecker, sondern auch gesund. Ob ein Pilz genießbar oder giftig ist, kann man manchmal nur schwer unterscheiden. Hier eine Auswahl von leckeren Speisepilzen und ihren gefährlichen Doppelgängern

Pilz
Steinpilze Sie gehören zu den beliebtesten Speisepilzen überhaupt: Steinpilze. Von ihnen gibt es mehrere Arten, die für die meisten Pilzsammler kaum zu unterscheiden sind. Die Bezeichnung rührt daher, dass ihr Fleisch fester ist, als das der meisten anderen Pilze. Steinpilze bilden eine eigene Sektion in der Gattung der sogenannten Dickröhrlinge. Von anderen Gattungsvertretern heben sie sich durch jung weiße, später auch blassgelb verfärbende Röhren ab. Ein weiteres Merkmal: Bei Bruch oder Anschnitt verfärbt sich das Fleisch von Steinpilzen nicht. Bildrechte: Colourbox.de
Pilz
Steinpilze Sie gehören zu den beliebtesten Speisepilzen überhaupt: Steinpilze. Von ihnen gibt es mehrere Arten, die für die meisten Pilzsammler kaum zu unterscheiden sind. Die Bezeichnung rührt daher, dass ihr Fleisch fester ist, als das der meisten anderen Pilze. Steinpilze bilden eine eigene Sektion in der Gattung der sogenannten Dickröhrlinge. Von anderen Gattungsvertretern heben sie sich durch jung weiße, später auch blassgelb verfärbende Röhren ab. Ein weiteres Merkmal: Bei Bruch oder Anschnitt verfärbt sich das Fleisch von Steinpilzen nicht. Bildrechte: Colourbox.de
Ein Pilz: Gallenröhrling
Gallenröhrling Als zumindest ungenießbarer Doppelgänger von Steinpilzen hat der sehr bittere Gallenröhrling so manchem Pilzfreund schon das Essen verdorben. Vor allem jung kann er Steinpilzen sehr ähneln. Anders als dieser hat er jedoch eine dunkle Netzzeichnung auf dem meist ocker-gelblichen Stiel, während der Steinpilz vor allem am oberen Stielende ein weißes Stielnetz aufweist. Darüber hinaus färben sich die Röhren des Gallenröhrlings im Alter schmutzig-rosa, die des Steinpilzes jedoch oliv. Kostet man eine kleine Probe des Gallenröhrlings wird man seine Bitterkeit sehr deutlich bemerken. Giftig ist der aufgrund seines Geschmacks auch als Bitteröhrling bekannte Pilz allerdings nicht. Bildrechte: IMAGO / Harald Lange
Wiesenchampignon
Besonders hoch ist die Verwechslungsgefahr von Speise- und Giftpilzen vor allem bei sogenannten Blätter- oder Lamellenpilzen. Auch die sehr beliebten und schmackhaften Wiesen-Champignons gehören dazu. Sie sind häufig auf Wiesen, Weiden und sogar im eigenen Garten zu finden. Ganz wichtig! Beim Anschnitt der Stielbasis sollte das Fleisch weiß bleiben oder sich leicht rötlich verfärben. Auf keinen Fall darf es aber kräftig gelb anlaufen! Bleiben die Lamellen hell oder gar weiß, kann es sich sogar um einen gefährlichen Giftpilz wie z.B. den Weißen Knollenblätterpilz handeln. Bildrechte: imago/blickwinkel
Karbol-Champignons
Gift-Champignon Der dem Wiesen-Champignon sehr ähnlich sehende Gift-Champignon wächst ebenfalls auf Wiesen und Weiden. Allerdings riecht der Gift-Champignons sehr unangenehm, was ihm auch den Namen Karbol-Champignon eingebracht hat. Außerdem färbt sich seine Stielbasis im Schnitt schnell und intensiv gelb. Der Gift-Champignon gilt als schwach giftig. Vergiftungen führen zu heftigem Erbrechen und Durchfall, in schweren Fällen auch zu Schwindel und Sehstörungen. Bildrechte: imago/blickwinkel
Egerlingsschirmling
Auch der nicht essbare Egerlingsschirmling wird gelegentlich mit dem Wiesenchampignon verwechselt. Bildrechte: imago/Metodi Popow
Ein Pilz: Frauentäubling
Frauentäubling Auch bei den beliebten Täublingspilzen sollte man stets genau hingucken. Am sichersten ist der Frauentäubling zu bestimmen: ein großer, kompakter Pilz, der vor allem in Buchenwäldern, aber auch unter Eichen und Fichten vorkommt. Andere Täublingsarten sind entweder schwer bestimmbar oder das Sammeln lohnt kaum. Ganz wichtig! Täublinge haben niemals einen Ring oder eine Manschette, geschweige denn eine Knolle an der Wurzel. Bildrechte: IMAGO / imagebroker
Drei Grüne Knollenblätterpilze im Gras
Grüner Kollenblätterpilz Grün gefärbte Täublinge können bei Leichtfertigkeit mit dem hochgiftigen Grünen Knollenblätterpilz verwechselt werden. Das ist schon passiert. Für eine sichere Bestimmung sollte man die Pilze deshalb immer vorsichtig herausdrehen und nicht abschneiden! Der Verzehr nur geringer Mengen des Fruchtkörpers dieses Giftpilzes kann zu einer tödlichen Pilzvergiftung führen, da die enthaltenen Gifte ein Leberversagen verursachen. Bildrechte: imago images / blickwinkel
Pantherpilze
Pantherpilz Anders beim giftigen Pantherpilz, der häufig mit dem Perlpilz verwechselt wird. Dessen Manschette ist stets ungerieft. Der Pantherpilz ist für Menschen giftig. Knapp sieben Prozent aller Pilzvergiftungen gehen auf sein Konto. Ein bis zwei Stunden nach dem Verzehr des Pilzes und der damit verbundenen Vergiftung treten Übelkeit, Durchfall und Erbrechen ein, die Haut rötet und die Pupillen weiten sich. Anschließend macht sich ein Übergang zu Erregungs- und Rauschzuständen bemerkbar, Krampfanfälle und Verwirrtheit können ebenso auftreten. Bildrechte: imago/Metodi Popow
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Pilze als nützliche Schadstofffilter

Solche Symbiosepilze sorgen übrigens auch dafür, dass Bäume weniger Schadstoffe über die Wurzeln aufnehmen, indem sie zum Beispiel Schwermetalle ans Myzel binden.

Besonders nützlich ist das für Böden, die stark mit Schadstoffen belastet sind, wie zum Beispiel im Bayerischen Wald, entlang der Leine zwischen Hannover und Göttingen, sowie an der Elbe zwischen Schwerin und Magdeburg und bei Lübeck. Hier sind bis heute die Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 nachweisbar. Das Bundesamt für Strahlenschutz weist im aktuellen Pilzbericht darauf hin, dass manche Pilze dort noch stark mit Cäsium 137 verstrahlt sind. Die Behörde rät, pro Woche nicht mehr als 250 Gramm Wildpilze zu verzehren. Hohe Cäsiumwerte wurden demnach besonders in Maronenröhrlingen, gelbstieligen Trompetenpfifferlingen und verschiedenen Schnecklingsarten gemessen. Insgesamt wurden 122 Pilzarten an neun Standorten beprobt, wie es in dem aktuellen Bericht heißt (hier als pdf einsehbar), in dem alle untersuchten Arten und ihre Belastungswerte aufgeführt sind.

Wobei man auch wissen muss: Die Wissenschaft geht von Millionen Pilzen aus, die den Boden weltweit besiedeln, und nur 600 davon sehen wir oberhalb der Erde mit bloßem Auge. Die Bodenreinigungsarbeit erledigen nämlich auch viele fürs Auge unsichtbare, mikroskopisch kleine Pilze.

Trübe Pilz-Aussichten für Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordsachsen

Aber wie ist das überhaupt 2021, wird das ein gutes Pilzjahr, wenn man in nicht belasteten Regionen Pilze sammelt? Regional kann das schon sein, sagt Pilzexperte Stefan Fischer, aber pauschal aufs ganze Land bezogen gibt es keine Prognose. Trotz eines feuchten, kühlen Sommers sieht das Pilzleben lokal verschieden aus, Niederschläge und Temperatur kochen überall ihr eigenes Pilzsüppchen. Zum Beispiel da, wo der Boden extrem durchfeuchtet wurde, in Überschwemmungsgebieten wie am Alpenrand, ändern sich der Nährstoffgehalt und der Mineraliengehalt im Boden. Da ist das Mycelium erstmal mit sich selbst beschäftigt, Fruchtkörper bilden und Samen streuen sind erst mal Nebensache. Fischer erinnert an das Hochwasser in Sachsen 2002. "Da haben sich dann erst mal keine Fruchtkörper gebildet, also das, was wir oberhalb der Erde sehen."

Auch 2018, 2019, 2020 haben Spuren hinterlassen, der Wassermangel aus diesen Jahren hängt Sachsen-Anhalt, Nordsachsen und Brandenburg 2021 nach. Bei der Bodenfeuchte gibt es Fischer zufolge immer noch ein Defizit. "Was wir oberhalb der Erde als großes Plus verzeichnet haben, ist unten einfach im Boden versickert, die optimale Bodenfeuchte erst zu 40 Prozent erreicht."

Ausbeute veschieden groß: Warum?

Und wie kommt es, dass manche Leute in die Pilze gehen und körbeweise Ausbeute machen, während andere kaum einen Pilz finden?

Falsche Rotkappe in einem Korb
Zu früh gefreut! Die falsche Rotkappe ähnelt zwar dem Steinpilz, ist aber eine Art, die erst seit kurzem in Deutschland vorkommt. Erst diesen Herbst wurde sie erstmals auch in Sachsen gefunden. Bildrechte: IMAGO / Rainer Weisflog

Zum einen, sagt Experte Fischer, muss man die Stellen kennen, an denen Pilze wachsen. Einen Steinpilz wird man beispielsweise nicht im Leipziger Auwald finden. Und wenn man welche findet, in anderen Wäldern, sollte man sie ohnehin nicht körbeweise aus dem Wald schleppen. Die Bundesartenschutzverordnung ist da recht klar: "In geringen Mengen zum eigenen Verbrauch" darf man aus dem Wald mitnehmen. Aber damit man überhaupt Pilze findet, sollte man auch wissen: Pilze haben ihre Saison, genau wie andere Früchte auch. Im Frühling, zum Winterende gibt es Morcheln, ab Juni den Riesenbovist, im Spätherbst den Hallimasch, listet Fischer einige Beispiele auf, setzt aber gleich nach: "Eins sollte man nicht vergessen. Pilze kommen nicht dann, wenn es im Buch steht oder im Kalender. Die haben ihren eigenen Rhythmus, reagieren auf Anreize zur Fruchtbildung."

So ist der erste Schwung der Röhrenpilze in Thüringen schon durch, sagt Fischer, aber das Pilzwachstum für 2021 ist noch nicht abgeschlossen, vielleicht setzt der eine der andere Pilz noch eine zweite Runde Fruchtkörper an. Wenn es von außen die passenden Anreize gibt, Temperatur und passende Bodenfeuchte. So lange kein Frost kommt, seien Pilzfunde auch bis November denkbar. Nicht alle essbar, aber es gibt auch viele andere spannende Arten, sagt Fischer. Und er sagt auch: "Als ich jünger war, bin ich auch nur auf die Essbaren gegangen. Dass ich Pilze unterm Mikroskop untersuche, und mich auch mit den nicht-essbaren befasse, das kam erst viel später."

Pilze 6 min
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Medikamente im Abwasser 4 min
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