Bronze-Alien-Statue vor dem Planetarium auf dem Kravi hora in Brünn
Bronze-Aliens vor dem Planetarium im tschechischen Brno - im echten Weltall haben wir von Außerirdischen bislang keinerlei Spur entdeckt. Bildrechte: IMAGO / CTK Photo

SETI Von Aliens keine Spur? "Wir haben den interstellaren Pisa-Test noch nicht bestanden"

30. Mai 2023, 16:39 Uhr

Das Buch "Die unheimliche Stille" geht der Frage nach, warum unsere Teleskope im Weltall keine Spuren außerirdischer Zivilisationen entdecken können. Im Interview erklärt Autor Harald Zaun, wo die Probleme liegen könnten.

Wissenschaftsjournalist Harald Zaun und Astrophysiker Harald Lesch treibt in ihrem neuen Buch "Die unheimliche Stille" die Frage um, wie die Menschheit bisher eigentlich versucht hat, im All Spuren von Außerirdischen zu finden und warum sie dabei keinen Erfolg hatte – bis jetzt.

Die Frage, warum wir eigentlich mit unseren Teleskopen noch nirgendwo im All eine fremde Zivilisation raumfahrender Außerirdischer haben beobachten können, wird in den interessierten Kreisen gerne das "Fermi-Paradoxon" genannt. Sie legen im Buch dar, warum es eigentlich kein Paradox, sondern eine Frage nach der Durchführbarkeit interstellarer Reisen ist und warum diese Frage eigentlich nicht von Enrico Fermi, sondern erst später von Carl Sagan in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung diskutiert wurde. Glauben Sie, das wird die Diskussion verändern?

Harald Zaun: Wir befürchten, der Name wird bleiben, der hat sich in die Science-Fiction und SETI-Popkultur eingebrannt. Es wird wohl weiterhin als Fermi-Paradoxon bezeichnet werden … Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Sie haben ja die ganze Geschichte dieser sehr enthusiastischen Suche nach den extraterrestrischen Zivilisationen dargelegt. Mein Eindruck: Die meisten Forschenden stellen sich die Eroberung des Weltalls ein bisschen vor wie die Kolonisierung der Amerikas, bloß in größer. Würden Sie da mitgehen?

Was die Suche nach den Außerirdischen anbelangt, muss man sagen: Das waren immer singuläre Projekte, die weder miteinander koordiniert noch vernetzt waren – und bei denen sehr stark improvisiert wurde. Das beginnt mit Frank Drakes Ozma-Projekt im April 1960. Seitdem gab es ungefähr 150 weitere Projekte, die voneinander so gut wie nichts wussten. Alle standen unter großem finanziellen und zeitlichen Druck. Deshalb haben die Forschenden ein wenig ins Blaue extrapoliert und dann exploriert. Zum Beispiel haben sie das sogenannte "parasitäre" Verfahren genutzt. Sie haben einfach ihre Instrumente huckepack an bereits bestehende Projekte und deren Teleskope angekoppelt und mussten sodann die gleichen Zielobjekte abhören wie die konventionellen Radioastronomen. Das ist bis heute ein Problem für SETI. Teleskopzeit ist und bleibt teuer. Obwohl es kaum Wissenschaftler gibt, die SETI ihre Daseinsberechtigung absprechen, haftet dem Unternehmen hier und da noch der Ruf des Unseriösen an – bis heute.

Liegt es daran, dass die wissenschaftliche Suche nach Außerirdischen aus der gleichen Zeit stammt, wie die Berichte über erste U.F.O-Sichtungen?

Da gibt es auf jeden Fall eine zeitliche Überschneidung. Deswegen haben die SETI-Forscher immer versucht, sich von dem UFO-Thema klar abzugrenzen. Gewiss, es ging um den Fortbestand ihrer Forschung. Würden diese sagen, Außerirdische seien längst da, würden alle fragen, warum sucht ihr dann noch weiter danach? Ich meine aber, gerade dann – wenn tatsächlich Objekte nachgewiesen werden, die extraterrestrischer Herkunft sind – müsste die Suche erst richtig losgehen, um galaktische Netzwerke und Föderationen dahinter zu finden.

Wenn die SETI-Forschenden bislang die Daten der Radioastronomie nutzen, kann es dann vielleicht sein, dass deren Auflösung einfach zu gering ist, um so etwas Winziges wie ein Raumschiff zu identifizieren? Schließlich sind die im Vergleich zu Gaswolken mit einem Durchmesser von Lichtjahren oder Neutronensternen oder dem Umfeld von Schwarzen Löchern ja wahrscheinlich winzig, oder?

Es gab sogar Projekte, die nach Spuren von Tritium gesucht haben, weil das ein Hinweis auf Raumschiffe mit Fusionsantrieb sein könnte. Außerdem gab es die Suche nach sogenannten Bracewell Sonden. Das sind in der Theorie außerirdische Sonden, die sich in der Nähe der Erde verstecken und uns beobachten. Die Suche danach erfordert leistungsstarke optische Teleskope. Daneben existiert auch Optical-SETI. Jene Wissenschaftler halten mit klassischen Teleskopen nach Lasersignalen Ausschau – bislang ohne positives Ergebnis. Die klassischen SETI-Horcher fahnden deshalb vor allem nach Radiosignalen, die extraterrestrische Lebensformen bewusst ausgesandt haben könnten.

Diese Signale müssten dann aber gezielt in unsere Richtung gefunkt werden, oder? Und das würde voraussetzen, dass eine solche Spezies bereits von unserer Existenz weiß.

Porträtfoto des Buchautors Harald Zaun.
Dr. Harald Zaun. Bildrechte: privat

Sie könnten auch ins Blaue hineinfunken, also in alle Richtungen senden. Das wäre aber sehr energieaufwendig. Gerade angesichts unserer aktuellen Energieproblematik würden wir so etwas kaum realisieren können. Man muss auch sagen, dass SETI ja seine Grenzen hat. Ja, eigentlich ist die Abkürzung auch falsch. SETI steht bekanntlich für "Search for Extraterrestrial Intelligence". Tatsächlich wird aber nicht nach Intelligenzen gesucht, sondern nach Spuren von Technologie. Das Akronym SETT (Search for Extraterrestrial Technology) wäre hier also passender. Wir können nur Signale von einer Zivilisation empfangen, die sich für eine uns ähnliche Technologie entschieden hat. Das ist aber nicht für alle denkbaren Intelligenzen überhaupt eine Möglichkeit. Beispielsweise könnte es so etwas wie intelligente Delphine in Wassermeeren auf fremden Planeten geben. Für die wäre Elektrizität logischerweise keine Option. Und auch der Blick in die Sterne könnte für sie schwierig sein. Eine weitere Möglichkeit hat Stanislaw Lem in seinem Buch "Solaris" dargelegt. Dort ist die Intelligenz ein Plasma-Ozean. Eine solche Zivilisation hat keine Hände, um Instrumente wie Teleskope zu bauen. Man könnte nicht mit ihr in Kontakt treten. Es könnte auch Geistwesen geben, wie zum Beispiel in Fred Hoyles Roman "The Black Cloud". Das wäre eine Art geistige Schwarmintelligenz. Mit solchen könnte man über Telepathie kommunizieren; aber dafür haben wir im wahrsten Sinne des Wortes noch keine Antennen.

Fremde Intelligenzen könnten also so anders sein, dass uns einfach die Verbindungsmöglichkeiten fehlen. Ein anderes Problem ist für mich deutlich geworden, als ich Ihre Beschreibung des Arecibo-Experiments gelesen habe. Da ist mit einem großen Radioteleskop ein Signal ausgesendet worden, das mit Lichtgeschwindigkeit sein Ziel in 84.000 Jahren erreichen würde. Gibt es dort jemanden, der das Signal empfangen und antworten kann, dann wäre diese Antwort weitere 84.000 Jahre unterwegs. Wir würden sie also erst in rund 160.000 Jahren erhalten. Ist das Universum möglicherweise einfach zu groß, um zwischen Welten zu reisen?

Also, was das Reisen durchs All angeht, sind wir gleichwohl sehr skeptisch. Wenn es zu einem First Contact käme, würde das wahrscheinlich nur über Licht- oder Radiowellen funktionieren. Oder vielleicht über Bracewell-Sonden, also Forschungsroboter, die eine andere Zivilisation gezielt in unserem Sonnensystem platziert hat. Die verstecken sich und würden sich dann erst melden, wenn wir die geistige, ethisch-moralische Reife erlangt haben. Es wäre ein bisschen so wie bei "2001: A Space Odyssee" von Stanley Kubrick beziehungsweise der Romanvorlage von Arthur C. Clarke. Da gibt es diese schwarzen Monolithen; solche wären Bracewell-Sonden. Sie träten mit uns erst in Kontakt, wenn wir zumindest den Mond erreicht und bewiesen hätten, dass wir eine gewisse technologische Reife erlangt haben.

Aber das setzt voraus, dass eine solche Zivilisation uns gefunden hat und beobachtet. Eine solche technologisierte Zivilisation müsste extrem langlebig sein. Schauen wir uns selbst an: Wir haben jetzt knapp 200 Jahre Industrialisierung. Mir erscheint gerade fraglich, ob wir damit 200 weitere Jahre durchhalten oder ob wir unsere ökologischen Grundlagen bis dahin vernichten.

Das ist richtig. Es gibt ja die Drake-Gleichung, mit der man die Anzahl der intelligenten Kulturen schätzt, die Funksignale senden und empfangen können. Der wichtigste Faktor darin ist das "L",  der für Longevity steht, also Langlebigkeit. Die Frage wurde bei der ersten SETI-Konferenz im November 1961 sehr stark diskutiert: Wie lange überlebt eine Zivilisation, die das atomare Stadium erreicht hat, also Atomwaffen produzieren und einsetzen kann? Im Oktober 1962 folgte dann die 13-tägige Kuba-Krise, in der die Welt erstmals vor einem Atomkrieg stand.

Und zu solchen Krisen kann es ja immer wieder kommen, solange es Atomwaffen gibt oder Atomkraftwerke, die im Kriegsfall auch eine große Gefahr sind.

Ja. Viele Länder besitzen Atomwaffen und da kann man nie ganz ausschließen, dass die auch einmal in falsche Hände geraten. Genauso verhält es sich mit Atomkraftwerken. Das ist ein globales Problem.

Also ist der L-Faktor tatsächlich ein sehr großes Problem, denn er wird ja immer größer, je länger die Zeitspanne ist, die eine technisierte Zivilisation existiert. Ein Aussterberisiko von 0,0001 Prozent pro Jahr wird im Verlauf von einer Million Jahre sehr groß.

Der Heidelberger Astrophysiker Peter Umschneider hat das mal berechnet und 2010 dann öffentlich geschrieben, dass 99,8 Prozent aller existierenden Zivilisationen sich längst wieder von der kosmischen Bühne verabschiedet haben könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass hochstehende Kulturen sich selbst vernichten oder durch Impact-Ereignisse oder andere kosmische Katastrophen das Zeitliche segnen, ist eben sehr hoch. Auch wir sorgen gerade selbst dafür, dass wir schneller Abschied nehmen müssen von unserem Planeten, als uns lieb ist.

Dabei ist doch nicht sonderlich wahrscheinlich, dass es viele Planeten wie unsere Erde gibt, oder? Vielleicht gibt es einige Welten, die im gleichen Abstand um Sterne vom Typ der Sonne kreisen. Aber haben die auch einen Mond gleicher Größe, der die Achse der Erde so kippt, dass es diese Jahreszeiten gibt, so wie hier? Und haben diese Welten auch eine ähnliche Masse wie die Erde, damit die Schwerkraft der unseren entspricht? Oder ist unsere Welt nicht ziemlich besonders und sollten wir nicht deutlich mehr dafür tun, sie für uns zu erhalten?

Nun, aktuelle Schätzungen gehen ja davon aus, dass allein in unserer Galaxis ungefähr 100 Milliarden erdähnliche Planeten existieren. Und wir kennen mindestens 200 Milliarden Galaxien im Universum. Es müsste also erdähnliche Planeten en masse geben. Vielleicht gibt es auf vielen auch biologisches Leben. Aber durch unsere kohlenstoffchauvinistische Brille ist unser Blick etwas eingeschränkt. Wir können ja nur das als Leben erkennen, was auf Biologie und DNA basiert. Denkbar wären – wie gesagt – auch Geist- oder Plasmawesen oder Leben auf Siliziumbasis. Es gibt ja auch extremophile Bakterien, die in den unwirtlichsten Umgebungen überleben können. Mein Liebling ist Deinococcus radiodurans. Der gedeiht im Kühlwasser von Atomkraftwerken bestens. Im Rahmen eines Experiments hat diese Mikrobe tatsächlich ein Jahr lang außerhalb der Internationalen Raumstation überlebt. Leben ist extrem divers und vielseitig und auch resistent.

Das stimmt natürlich, gerade wenn man bedenkt, unter welch extremen Bedingungen das erste Leben entstanden ist.

Ja, das ist paradox. Die ersten Lebewesen waren Cyanobakterien, die haben 1,5 Milliarden Jahre lang diesen Planeten dominiert. Sie hatten kein Interesse, sich auf die nächsthöhere Ebene zu entwickeln, sondern waren zufrieden mit dem, was sie waren. Die letzten Überlebenden auf der Erde wären wahrscheinlich auch Bakterien, wenn wir unsere Welt mit Atomwaffen vernichten würden. Extremophile überleben, Kakerlaken wahrscheinlich auch.

Nun, wahrscheinlich würden sich die Cyano-Bakterien sogar wieder wohler fühlen. Durch die Verbrennung fossiler Energien machen wir ja nichts Anderes, als die Atmosphäre in einen Zustand zurückzuversetzen, in dem diese Lebewesen gestartet sind.

Eine extraterrestrische Zivilisation, die uns beobachtet, würde feststellen, dass wir noch nicht reif für eine Kontaktaufnahme sind. Die würden wohl schmunzeln oder unser aktuelles Verhalten mit einem Augurenlächeln quittieren. Wir leisten uns überflüssigen Rassismus. Wir unterdrücken das Potenzial von Frauen. Und wir haben 195 Staaten, von denen viele miteinander spinnefeind sind. Wir sprechen 7.000 Sprachen, haben mehr als 4.200 verschiedene Religionen, aber keine echte Instanz oder Weltregierung, die den Homo sapiens vertritt. Welche Instanz sollte eine extraterrestrische Zivilisation denn ansprechen, um mit uns den "First Contact" zu zelebrieren?

Sie meinen, das Problem wäre, dass wir bei einem Erstkontakt sofort in Streit darüber geraten würden, wer mit den Fremden sprechen darf und dass wir uns darüber vernichten könnten?

Ja, das ist ein echtes Problem. Weil es so viele UFO-Sichtungen in den USA gibt, glauben manche ja schon, dass die Außerirdischen mit den USA zusammenarbeiten. Aber ich fürchte, dass könnte sich eine fremde Kultur nicht leisten. Es müsste eher wie bei Perry Rhodan sein, wo das neue Zeitalter in der Wüste Gobi auf neutralem Gebiet beginnt. Oder wie in den Spielfilm "Arrival“, in dem zwölf verschiedene Raumschiffe auf der Erde landen und versuchen, mit uns in Kontakt zu treten. Allerdings ist es in dieser Geschichte so, dass diese Lebensformen eine völlig andere Zeitlogik haben als wir. Sie erleben die Zeit ganz anders, weil sie sich an die Zukunft erinnern können. Ihr Denken ist nichtlinear; es ist nichtkausal. Ich finde die Idee dahinter wundervoll.

Bräuchte man nicht ein solch völlig anderes Zeitverständnis, wenn man die Dimensionen im Weltall anschaut, die Entfernungen, zwischen den Sternen?

Ja. Wir denken linear und kausal, also immer in Begriffen von Ursache und Wirkung. Es könnte aber auch eine Zivilisation geben wie in "Arrival“, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig wahrnimmt. Für uns wäre es dann wirklich schwierig, mit denen eine Kommunikationsebene zu finden.

Lohnt sich die Suche nach den Außerirdischen trotzdem?

Natürlich. Wir können gar nicht anders. Als Homo sapiens war Neugierde unsere stärkste Triebfeder. Allerdings: So wie wir uns zurzeit bekriegen, sind wir wirklich kein kosmisches Vorbild. Wir haben den interstellaren Pisa-Test noch nicht bestanden. Deshalb sollten wir auch nicht zu viel senden, nicht allzu viel von uns preisgeben – und die Position der Erde möglichst noch unter Verschluss halten.

Dieses Thema im Programm: MDR JUMP | 02. Juli 2021 | 05:40 Uhr