Energiewende Erneuerbare Energien: Wo steht Deutschland im europäischen Vergleich?
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12. April 2024, 17:55 Uhr
In Deutschland entwickeln sich die Erneuerbaren nicht so schnell wie gewünscht. Aber trotz aller Verzögerungen läuft der Ausbau von Wind- und Solarenergie hierzulande schneller als bei vielen europäischen Nachbarn.
Deutschland ist Spitze beim Ausbau von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen. Hätten Sie das gedacht? Na gut, man muss es ein bisschen präziser formulieren: Deutschland gehört zur europäischen Spitze, derzeit etwa auf Augenhöhe mit Schweden, den Niederlanden und Dänemark. Der Rest des Kontinents ist da noch ziemlich weit abgeschlagen.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE stellt auf der Seite energy-charts.info Energie-Daten für ganz Europa zur Verfügung, die meisten davon basieren auf Zahlen des Verbandes Europäischer Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E. Wir haben uns eingehend mit diesen Daten beschäftigt und kommen zu oben beschriebener Einschätzung, dass der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland vergleichsweise gut läuft.
Grundlage sind die Daten der installierten Leistung, abhängig vom Energieträger. Beim Blick auf Deutschland wird klar, was wir eigentlich schon wissen: Kernkraft gibt es hierzulande nicht mehr, bei fossilen Energieträgern hat sich seit Jahren nicht viel verändert, die Erneuerbaren legen Jahr für Jahr zu. So weit, so bekannt.
Aber auch, wie der Energiemix in anderen europäischen Ländern aussieht, können Sie sich über die gelbe Schaltfläche anzeigen lassen.
Nun sind diese absoluten Zahlen nicht gut vergleichbar. Was sagt es schon, dass in Deutschland zehnmal so viel Windkraftleistung installiert ist wie in Dänemark? Es ist ja viel größer. Wir haben für die folgenden Datengrafiken deshalb immer die jeweilige Einwohnerzahl der Länder eingerechnet, schließlich sind es die Menschen, die Energie brauchen.
Und wenn man die installierte Leistung ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt, gibt es eben tatsächlich eine europäische Spitzengruppe bei Wind- und Solarenergie, die aus Schweden, Deutschland, den Niederlanden und Dänemark besteht. Die nächsten sechs Länder folgen schon mit gehörigem Abstand. Alle anderen haben noch niedrigere Werte und wurden in der Grafik weggelassen, um sie nicht zu überfrachten.
Wind und Sonne sind nicht die einzigen Erneuerbaren Energien
Nicht jedes Land hat sich so stark auf Windkraft und Photovoltaik festgelegt wie Deutschland. Man könnte auch sagen: Nicht jedes Land musste sich – um möglichst wenige fossile Energieträger einzusetzen – so stark darauf festlegen. Wer sich beispielsweise bei der ersten Grafik Norwegen anzeigen lässt, sieht dort sehr große blaue Balken. Die stehen für Wasserkraft.
Diese Wasserkraft wird in Europa, natürlich auch aus geografischen Gründen, ganz unterschiedlich intensiv genutzt. Norwegen ist einsamer Spitzenreiter, aber auch viele andere Länder liegen deutlich vor Deutschland, das bei der installierten "Pro-Kopf-Leistung" erst auf Rang 20 folgt.
Und wenn man dann eben nicht nur Wind- und Sonnenenergie, sondern auch alle anderen Erneuerbaren einrechnet, zu denen beispielsweise auch Geothermie und Biomasse gehören, sieht die europäische Rangordnung doch etwas anders aus als bei Wind und Solar allein. Norwegen ist durch die Wasserkraft auch insgesamt einsame Spitze. Deutschland folgt dann aber zumindest im erweiterten "Verfolgerfeld", wenn man so will.
Zehn Länder mit Atomkraft
Um möglichst wenige fossile Energieträger wie Erdgas, Erdöl oder Kohle einzusetzen, halten mehrere Länder an der Kern- oder Atomkraft fest, manche bauen sie auch weiter aus. Ob das gut oder schlecht ist, soll hier nicht diskutiert werden.
Die folgende Übersicht (in der Russland und die Ukraine nicht enthalten sind, weil es da keine aktuellen transparenten Zahlen gibt) illustriert aber, in welchem Maße die Länder vielleicht nach dem Motto handeln: "Wenn ich Atomkraft habe, brauche ich nicht so viele Erneuerbare und kann die Klimaziele trotzdem erreichen." Frankreich ist da allen voran zu nennen. Dort war 2023 fast genauso viel Leistung aus Atomkraft installiert wie aus Erneuerbaren.
Strommix in größten EU-Ländern: Spanien und Deutschland beim Anteil Erneuerbarer vorn
Strom ist nicht die einzige Energieform, aber eine wichtige. Dementsprechend sind viele Länder bestrebt, in diese Sparte immer mehr Erneuerbare Energien einfließen zu lassen. Und wenn man im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit nur die fünf einwohnerstärksten EU-Staaten betrachtet – also Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Polen – dann kann man auch hier sagen: Deutschland gehört neben oder kurz nach Spanien zur Spitze.
Es gibt allerdings Länder, die nicht zu den "großen Fünf" gehören, die aber beim Anteil der Erneuerbaren am Strommix schon deutlich weiter sind. Portugal, Österreich und Dänemark haben es zum Beispiel auf über 80 Prozent gebracht. Spitzenreiter ist aber auch hier wieder Norwegen mit nahezu 100 Prozent – und das durchgängig seit mindestens zehn Jahren.
Wenn sie wollen, klicken Sie sich mit der gelben Schaltfläche durch die verfügbaren Länder. Und wundern Sie sich (Stichwort Norwegen) bitte nicht: Bei der Stromlast (im Gegensatz zur Erzeugung) kann der Anteil der Erneuerbaren rechnerisch auch bei über 100 Prozent liegen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 11. April 2024 | 15:30 Uhr
Britta.Weber vor 33 Wochen
"Um möglichst wenige fossile Energieträger wie Erdgas, Erdöl oder Kohle einzusetzen, halten mehrere Länder an der Kern- oder Atomkraft fest, manche bauen sie auch weiter aus. Ob das gut oder schlecht ist, soll hier nicht diskutiert werden. "
Doch sollte es! Unsere Energiepolitik gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschlands und sollte schon von Experten (z.B. Prof. Sinn, Dr. Stelter) diskutiert werden. Artikel von Lobbyisten helfen nicht weiter.
Shantuma vor 33 Wochen
Es wird weiterhin nicht auf Speicher eingegangen.
Wir haben in Deutschland einen Stromverbrauch (nur Strom!) von 525 Terra-Wattstunden.
Für den kWh-Fetischisten sind dies 525.000.000.000kWh, oder in Worten 525 Milliarden kWh.
Ähnlich wie beim Ergas muss auch bei den erneuerbaren Energiequellen dann eine Speicherung erfolgen, welche je nach Lage durchaus 6 Monaten lang eine Energieflaute kompensieren kann.
D.h. als reines Minimum sollte man mindestens 1 Monat Speicherreserve beanspruchen, also ca. 44 TWh.
Wenn dann noch Erdgas und Erdöl als Heizmittel wegfallen, und sich die E-Mobilität wieder fängt, dann wird dieser Bedarf noch größer werden.
Dieser Bedarf steigt auch weiter an, wenn man mehr auf Digitalisierung setzt.
Zusätzlich müssen die Netze entsprechend gebaut werden. Ich habe schon von Geschichten gehört, da konnte frische Häuslebauer ihre Wärmepumpe nicht anschließen, da die vor Ort liegende Leutung bereits ausgelastet war.
Aber sowas interessiert eben nicht Alle, leider.
goffman vor 33 Wochen
Sehr gute Übersicht. Bitte mehr davon.
Ein paar Verbesserungswünsche:
1. „Erneuerbare insgesamt: Zehn europäische Länder mit größter installierter Gesamtleistung je Einwohner“ - es wäre schön, wenn schon hier alle nicht fossilen Energieträger enthalten wären. Die spätere Einzelbetrachtung der Länder mit Atomkraft kann ich kaum in Bezug zu Deutschland setzen.
2. Nicht nur der Ausbau, auch das Einsparpotenzial ist relevant. Wenn z.B. der private Stromverbrauch in Deutschland doppelt so hoch wäre, wie im EU-Durchschnitt, dann würde das die Spitzenposition deutlich relativieren.
3. Der Strommix ist nur ein Teil der Energie. Wenn andere Länder z.B. bereits deutlich mehr mit Wärmepumpen heizen oder elektronisch mobil sind, während wir noch z.B. mit Gas heizen und Benzin fahren, dann haben wir die fossilen Energieträger lediglich (noch) aus der Betrachtung ausgelagert.
Ein Vergleich des (privaten) fossilen Rohstoffverbrauchs pro Kopf wäre deutlich aussagekräftiger für den Entwicklungsstand.