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Ein britischer Forscher arbeitet daran, dass Pflanzen alte Symbiosen mit Pilzen und Bodenbakterien wieder eingehen. Das soll den Bedarf an Kunstdüngern senken und die Ökobilanz der Landwirtschaft verbessern.

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Landwirtschaft Gentechnik: Forscher entwickeln Pflanzen, die ihren eigenen Dünger herstellen

21. September 2024, 13:00 Uhr

Ein britischer Forscher arbeitet daran, dass Pflanzen alte Symbiosen mit Pilzen und Bodenbakterien wieder eingehen. Das soll den Bedarf an Kunstdüngern senken und die Ökobilanz der Landwirtschaft verbessern. Auf einer Tagung der Martin-Luther-Universität in Halle stellte er sein Projekt jetzt vor.

Autorenfoto von Clemens Haug
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Pflanzen, die vorhandene Nährstoffe viel effizienter aufnehmen und die sogar ihren eigenen Dünger herstellen können – das klingt wie eine Utopie für viele Landwirte. Geht es nach dem Biologen Giles Oldroyd von der britischen Spitzenuniversität Cambridge, könnte das aber bald Wirklichkeit werden. Die Vorteile wären vielfältig: Landwirte müssten viel weniger Dünger einsetzen, was einerseits die Umwelt entlastet. Überdüngung gilt als einer der zentralen Treiber für die Verseuchung von Grundwasser und auch für das Artensterben. Andererseits könnten sie viel Geld sparen.

In der Natur gehen Pflanzen regelmäßig Symbiosen mit Pilzen ein

Die Pflanzen – Getreide, Gemüse und so weiter – müssen dafür eigentlich gar nicht groß verändert werden. Denn in natürlichen Umgebungen, abseits der Landwirtschaft, wo es keinen Dünger gibt, gehen die meisten Pflanzen an ihren Wurzeln eine Symbiose mit sogenannten Mykorrhiza-Pilzen ein. Diese können viel besser als Pflanzen ein Netzwerk aus feinen Fäden bilden und damit den gesamten Boden durchdringen. Dabei sammeln sie verteilte Moleküle von Phosphat, Kalium, aber auch Wasser, Salze und andere Mikronährstoffe ein und bringen sie zu den Wurzeln der Pflanzen. Dort erhalten sie von der Pflanze Zucker zum Tausch.

Mykorrhiza Pilze
Geflecht von Pilzfäden: Als Symbionten vergrößern Mykorrhiza-Pilze die Wurzelfläche von Pflanzen um ein vielfaches. Bildrechte: MAGO / Ardea

Da die Pflanze also etwas geben muss für die Stoffe, die der Pilz ihr bringt, verzichtet sie auf diese Symbiose, wenn genügend Nährstoffe vorhanden sind. "In unserer Landwirtschaft, wo wir eine Menge Dünger einsetzen, erhöhen wir künstlich die Konzentrationen von Stickstoff, Phosphat oder Kalium. Die Pflanzen merken, dass diese Nährstoffe nicht begrenzt sind und deswegen gehen sie die Verbindung mit den nützlichen Pilzen nicht ein", sagt Giles Oldroyd.

Von Hülsenfrüchten zu Getreide: Symbiose mit stickstoffbindenden Bakterien

Er und sein Team haben in den vergangenen Jahren deshalb nach den kleinen Schaltern in den Genen der Anbaupflanzen gesucht. Sie sollen dazu gebracht werden, die Symbiose auch dann einzugehen, wenn es viele Nährstoffe gibt, einfach, weil dann weniger Dünger eingesetzt werden muss und der eingesetzte Dünger viel effizienter verwendet werden kann. "Das klappt bereits gut", berichtet er von den Ergebnissen seiner Versuche.

Eine größere Herausforderung ist das zweite Projekt der Forscher. Sie wollen eine Eigenschaft von Hülsenfrüchten auf andere Anbaupflanzen, etwa Getreide, übertragen. Denn Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen oder Sojabohnen haben im Laufe ihrer Evolution die Fähigkeit entwickelt, nicht nur mit Pilzen, sondern auch mit bestimmten Bodenbakterien zu kooperieren, den Rhizobien. Diese Mikroben können etwas, das nur sehr wenigen Organismen gelingt: Die stark gebundenen Stickstoffmoleküle in der Luft aufspalten und den Stickstoff so für den Stoffwechsel verfügbar machen.

Hülsenfrüchte nutzen alte Gene für Symbiose mit Rhizobien

Stickstoff ist in der Luft normalerweise als Zweifach-Molekül N2 vorhanden. Die beiden Atome haben eine Dreifachverbindung miteinander, das ist extrem stabil und schwer aufzuspalten. Rhizobien können dieses Kunststück. Und deshalb bilden Hülsenfrüchte kleine Knötchen an ihren Wurzeln, in denen sie die Rhizobien einlagern und mit allem versorgen, was die Mikroorganismen brauchen, um Stickstoff zu spalten und der Pflanze zugänglich zu machen.

"Was wir bei unserer Forschung festgestellt haben: Hülsenfrüchte haben für diese Fähigkeit gar nichts Neues entwickelt", sagt Oldroyd. Stattdessen nutzen die Pflanzen das Set von Genen, das auch für die Symbiose mit den Mykorrhiza-Pilzen zuständig ist. "Diese Gene haben sie einfach etwas neu verschaltet", sagt der Wissenschaftler.

Bodenimpfungen: Bakterien, die Stickstoff und andere Nährstoffe im Ackerboden binden

Prinzipiell sollte es also möglich sein, diese Fähigkeit auch auf andere Anbaukulturen zu übertragen, etwa auf Getreide. In Teilen gelingt es auch schon. So konnte etwa Gerste dazu gebracht werden, die Knötchen an den Wurzeln zu bilden. Aber die Symbiose mit den Bakterien hat noch nicht geklappt. Hier spielen verschiedene Gene ineinander, was die ganze Sache sehr kompliziert macht. "Was mich allerdings optimistisch macht, dass wir das eines Tages schaffen werden: Es gibt keine grundsätzlichen biologischen Barrieren, warum es nicht klappen kann. Es ist nur eine technische Herausforderung", ist der Biologe überzeugt.

Bereits im Verkauf sind sogenannte Bodenimpfungen. Dabei bieten bestimmte Hersteller Landwirten Mischungen aus nützlichen Bodenbakterien an, die unter anderem Luftstickstoff binden und den Pflanzen verfügbar machen sollen. Ein Vorteil: Sie fallen nicht unter die Düngemittelverordnung, Landwirte können also zusätzlich zum Dünger Nährstoffe in den Boden bringen.

Oldroyd kennt diese Produkte und hält sie für einen Fortschritt. "Diese Bodenimpfungen haben eine Menge Potenzial. Sie zeigen allerdings oft noch ziemlich gemischte Ergebnisse, da sie nicht für alle Anwendungen optimiert sind, also für spezielle Böden, spezielle Anbaupflanzen und so weiter", sagt er. Aufgabe der Industrie sei es, hier verlässlichere Ergebnisse zu entwickeln. Und: So effizient wie Bakterien, die eine Symbiose mit den Pflanzen eingehen, könnten frei lebende Mikroben nie werden. Sie brauchten große Teile des Stickstoffs am Ende für das eigene Überleben. Trotzdem sei der Ansatz ein Anfang.

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Ökolandwirte skeptisch – Perspektive für regenerative Landwirtschaft

Würden Landwirte genverändertes Getreide einsetzen, wenn sie könnten? Oldroyd weiß aus Gesprächen: Ökolandwirte sind hier sehr skeptisch. Konventionell arbeitende Agrarbetriebe könnten es dagegen gar nicht erwarten. Er selbst hofft auch auf eine dritte, noch relativ junge Strömung: regenerative Landwirtschaft. Diese Betriebe sind nicht so streng wie Biolandwirte in der Auswahl ihrer Mittel und Methoden. Aber sie verfolgen das zentrale Ziel, dass die natürlichen Ressourcen wie Böden und Grundwasser nachhaltig bewirtschaftet werden sollen, dass sich ihre Qualität also nicht verschlechtern soll.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 13. September 2024 | 21:00 Uhr

3 Kommentare

weils so nicht unwidersprochen bleiben darf vor 2 Wochen

Schwer zu sehen, wo da der Schaden liegen sollte. Düngen ist - so oder so - für den Bauern nicht gratis. Wer sich "ausgebeutet" fühlt, kann gleich, nach einem Jahr oder einigen Jahren leicht wieder "umsteigen" - ja nachdem, ob sich die Sache für ihn rechnet oder nicht.

weils so nicht unwidersprochen bleiben darf vor 2 Wochen

Fein - wenns funktioniert.
Gentechnik eben. Gut für die Landwirtschaft, gut für die Menschen.
Und die Bio-Bauern müssen eben auch "den Schalter umlegen" - damit die Symbiose Bauer-Konsument wieder wie früher funktionieren kann.

Sventblau vor 2 Wochen

Selbstverständlich gibt es dieses Saatgut nur bei großen Konzernen, die damit ihre Macht gegenüber den Landwirten ausbauen.

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