Landwirtschaft Düngesaison beginnt: Wie Thüringen mit dem Nitrat-Problem umgeht

05. März 2024, 18:17 Uhr

Für die Bauern ist er unverzichtbar, falsch dosiert führt er zu überhöhten Nitratgehalten im Boden: Organischer Dünger wie Gülle oder Mist. Jetzt sind die Landwirte wieder auf den Feldern unterwegs. Wie kommt Dünger heute aufs Feld und gibt es in Thüringen noch Problemzonen mit zu hohen Nitratgehalten?

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Zuerst ist da nur ein lautes Brummen. Auf dem Feld bei Ranis im Saale-Orla-Kreis ist der Nebel beinahe undurchdringlich, die Sichtweite liegt unter fünfzig Metern. Dann zwei Scheinwerfer und eine große Landmaschine, ein Gülletruck. Hoch oben im Fahrerhaus sitzt Mario Schneider, der sich unter diesen schlechten Sichtbedingungen auf dem Feld zurechtfinden muss.

Schon seit dem frühen Morgen ist er hier unterwegs. Vier- bis fünfmal pro Stunde muss er nachtanken. Dann ist der 21 Kubikmeter große Gülletank leer. Am Feldrand wechseln sich drei große Tankwagen ab. Sie bringen Nachschub aus einem großen Güllereservoir, dass sich wenige Kilometer entfernt befindet.

Kooperationen helfen bei der teuren Technik

Die über 600.000 Euro teure Landmaschine teilt sich die Agrarprodukte Ludwigshof GmbH mit zwei weiteren Genossenschaften aus der Region. Insgesamt bewirtschaften sie knapp 8.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Der Gülle-Truck schafft bis zu 40 Hektar am Tag.

"Das Gerät ist teuer und braucht eine hohe Auslastung", sagt Gunnar Jungmichel, Geschäftsführer der Agrarprodukte Ludwigshof. "Wir arbeiten mit den beiden anderen Betrieben schon seit dreißig Jahren zusammen." Seit 1. Februar läuft die neue Düngesaison.

Seit der letzten Ernte durften die Betriebe keine Gülle mehr aufs Feld fahren. So schreiben es diverse Gesetze und Bestimmungen vor, die das Düngen regeln. Kleine Ausnahmen gibt es bei Winter- oder Gemüsekulturen. Und auch die Menge, die aufs Feld darf, ist begrenzt, damit der Nitratgehalt stabil bleibt.

In einem Becken lagert Gülle, bevor sie aufs Feld kommt
In solchen riesigen Becken lagert die Gülle, bevor sie aufs Feld kommt. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Im Labor wird die richtige Nährstoffmenge ermittelt

In der Nähe von Gewässern gelten besondere Regeln. Die sind allerdings nicht einheitlich. Bundes- und Landesgesetze sehen unterschiedliche Abstandsregeln vor. Zum Ärger der Landwirte, die sich im Paragrafendschungel zurechtfinden müssen. Für sie beginnt schon früh im Jahr die Vorbereitung.

Vor dem Düngen müssen sie Proben der verschiedenen Flächen nehmen und den Stickstoffgehalt feststellen. Dann errechnen sie, wie viel Nährstoffe die Pflanzen brauchen, die sie auf dem Feld anbauen wollen. Die Differenz dürfen sie als Dünger zugeben.

Eine landwirtschaftliche Maschine mit Gülletank.
21 Kubikmeter passen in den Tank. So ein Gülle-Truck kostet rund 630.000 Euro. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Zum Aufklappen: Gesetzliche Grundlagen für die Düngung mit Gülle:

Bundesgesetzgebung:

  • Verordnung über die "Gute fachliche Praxis beim Düngen" (Düngeverordnung - DüV)
  • Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln (Düngemittelverordnung - DüMV)
  • Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdünger (Wirtschaftsdüngerverbringungsverordnung - WDüngV)
  • Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und betriebliche Stoffstrombilanzen (Stoffstrombilanzverordnung - StoffBilV)


Landesgesetzgebung:

  • Thüringer Düngeverordnung (ThürDüV) in Verbindung mit der ersten Verordnung zur Änderung der Thüringer Düngeverordnung

Folgende angrenzende Rechtsbereiche nehmen Bezug zur Düngung:

  • Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
  • Thüringer Wassergesetz (ThürWG)
  • Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)
  • Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung - AVV GeA)


Quelle: Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft

Eigentlich wollte Mario Schneider heute auf einem anderen Feld unterwegs sein. Hier wollen die Ludwigshofer Weizen anbauen. Doch das Feld ist zu nass. Deshalb musste Schneider auf eine benachbarte Fläche ausweichen, wo seit einem Jahr schon Ackerfutter wächst. Abgeerntet dient das Gras als Silagefutter für die Kühe in der Milchviehanlage in Rockendorf.

Dort hat die Genossenschaft über 1.000 Tiere stehen. Deren Gülle wandert in die Biogasanlage und anschließend in die riesigen Tanks. Milch, Strom, Wärme und Dünger: Für Gunnar Jungmichel ein Kreislauf, der an verschiedenen Stellen Nutzen bringt.

Allerdings beklagt der Landwirt den bürokratischen Aufwand. Die Zusammenarbeit mit den Ministerien und Behörden in Thüringen sei gut, heißt es aus Ludwigshof. Trotzdem wünscht sich Jungmichel einfachere Regeln. Schließlich seien auch die Landwirte daran interessiert, die Böden nicht zu überdüngen.

Auf einem Feld wird Gülle ausgebracht.
Auf dem Feld schneiden kleine Scheiben den Boden auf. Dahinter fließt die Gülle genau dosiert in die Rillen. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Thüringer Modell soll ab 2028 bundesweit gelten

Laut Landwirtschaftsministerium in Erfurt gibt es in Thüringen derzeit keine überdüngten Flächen. Auf einigen Flächen - sogenannte rote Gebiete - ist lediglich von einer etwas höheren Nitratbelastung die Rede. Anders als in anderen Bundesländern hat die Landesregierung mit den Bauernverbänden keine flächendeckenden roten Gebiete festgelegt.

Sie wurden regionalisiert. "Wir haben das mit Augenmaß gemacht", sagt David Kehrberg vom Landwirtschaftsministerium. "Sonst würden wir ja auch die Landwirte bestrafen, die sehr sorgfältig auf die richtige Düngung achten." Laut Kehrberg steht Thüringen im bundesweiten Vergleich in Sachen Nitrat gut da. Ab 2028 soll das Modell der regionalen roten Gebiete überall in Deutschland gelten.

Bei der nächsten Agrarministerkonferenz soll es auch ums Thema Bürokratie gehen. Die Thüringer wollen Grenzwerte, Abstandsflächen und Regeln möglichst vereinheitlichen und dadurch für die Landwirte einfacher machen. Die wünschen sich vor allem flexiblere Düngezeiten. "Die Pflanzen", sagt Gunnar Jungmichel, "wachsen schließlich auch nicht nach dem Kalender."

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. März 2024 | 19:00 Uhr

10 Kommentare

Jedimeister Joda vor 7 Wochen

So richtig Ahnung von der Landwirtschaft haben viele Kommentatoren nicht. Wenn die Bauern es nicht wissen wies geht die Städter wissen es bestimmt nicht.

Jedimeister Joda vor 7 Wochen

Hier stellt sich die Frage ob die Bauern klüger sind als die Leute vom Staat. Worum kümmern sich die Staatsdiener? Um die Düngeverordnung denke ich. Und der Bauer kümmert sich um alles und produziert nebenbei noch Lebensmittel. Mal drüber nachdenken.

Gurg vor 7 Wochen

Von ausschließlich war keine Rede! Es ist aber oft ersichtlich, dass die betreffenden Zeigerpflanzen gerade da massiv auftreten, wo aus der Geländestruktur, Wasserabfluss und/oder Windrichtung der Einfluss offensichtlich ist. Ich habe auch schon Stallmisthaufen auf geschützten Magerrasen abgelagert gesehen. Da wächst auch nach der Beräumung nichts als Stickstoffzeiger.

Die allgemeinen Stickstoffimmissionen sollten eigentlich bei der Düngerkalkulation berücksichtigt werden. Und landwirtschaftliche Austräge sind halt das, was vermeidbar zu den allgemeinen Stickstoffbelastungen noch zusätzlich hinzu kommt.

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