Erich Kästner raucht eine Zigarette.
Erich Kästner war mehr als nur Kinderbuchautor, wie beispielsweise ein neu erschiehenes Buch mit seinen politischen Reden zeigt. Bildrechte: IMAGO / Sven Simon

Sachbuch Erich Kästner: Neues Buch mit bisher unbekannten Texten

03. Mai 2023, 14:52 Uhr

Für seine Kinderbücher, Gedichte und Aphorismen wird Erich Kästner bis heute geliebt. Nun erscheint ein neues Buch mit unbekannten und zum Teil unveröffentlichten Texten Kästners aus der Zeit vor und nach 1945. In scharfzüngigen Reden wird sein politisches Engagement bspw. gegen Atomkraft oder gegen den Vietnamkrieg sichtbar. So entsteht nicht nur ein neuer Blick auf den weltberühmten Autor: Die Texte lesen sich, als wären sie für die heutige Zeit geschrieben.

Ein neues Buch von Erich Kästner? Der Mann ist 1974 gestorben, hat die auf ein Dutzend geschrumpften "Tausend Jahre" des Deutschen Reiches, der deutschesten Armut ohne Exil, überlebt. In innerer Emigration wurde er zum Zeitzeugen deutscher Abgründe. Er hat sein Leben lang getan, was er konnte: hat geschrieben, sich eingemischt und vehement kritisiert, was sich nach dem Ersten Weltkrieg, in der Zwischenkriegszeit bis 1939, während und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie in der restaurativen Bundesrepublik ereignete. Unmenschliche Dummheit, Militaria und monarchisches Unrecht waren ihm stets ein Dorn im Auge. Er hat dagegen angeschrieben, wollte aufklären und verhindern, was vor und nach 1945 offenbar nicht zu verhindern gewesen ist.

Die wunderbaren und mehrfach verfilmten Romane des 1899 in Dresden geborenen Schriftstellers sind weitgehend bekannt, für seine Kinderbücher, Gedichtbände und trefflichen Aphorismen wird er anhaltend geliebt. Nun aber erscheint ein neues Buch mit bislang teils unbekannten Texten von Erich Kästner, die zwischen 1924 und 1970 entstanden sind. Wie ist das möglich?

Erich Kästner: "Resignation ist kein Gesichtspunkt. Politische Reden und Feuilletons" 4 min
Bildrechte: Atrium Verlag

Was Erich Kästner neben Kinderbüchern noch schrieb

Unter dem bekenntnishaften Titel "Resignation ist kein Gesichtspunkt" sind 43 Entwürfe, Redemanuskripte und Zeitungsartikel in einem großartigen Band zusammengefasst worden, von denen zwölf nach ihrer Erstveröffentlichung in Zeitungen oder Zeitschriften nie wieder nachgedruckt wurden und fünf bislang gänzlich unveröffentlicht waren. Akribische Forschungsarbeit, vor allem im Deutschen Literaturarchiv Marbach, machte es möglich.

Portrait Erich Kästner
Hochpolitische Texte von Erich Kästner wurden jetzt unter dem Titel "Resignation ist kein Gesichtspunkt" veröffentlicht. Bildrechte: IMAGO / ZUMA/Keystone

Kästners Texte bei Bücherverbrennung in Dresden zerstört

Das Konvolut mit zumeist brillanten Texten liest sich allerdings, als wäre es im Brennspiegel und für die Leserschaft heutiger Zeiten geschrieben. Nach dem mörderischen Wahnsinn von 1914 bis 1918, "für Kaiser, Volk und Vaterland" geführt, war Erich Kästner wie so viele andere ehrlich entsetzt, dass sich Menschenmassen derart verführen lassen. In der Zwischenkriegszeit schrieb er gegen ein Wiederholen solcher Entsetzlichkeit an. Nach dem barbarischen Bücherverbrennen vom 10. Mai 1933 (in Dresden wurde ein erstes Exempel bereits im März statuiert) blieb Kästner im Land des braunen Ungeists, der mörderischen Geistlosigkeit.

Was würde Erich Kästner heute sagen?

Der titelgebende Beitrag "Resignation ist kein Gesichtspunkt" stammt von 1953 und bezeichnet Kästner zufolge eine für den Hausgebrauch zurechtgezimmerte Maxime. Denn trotz einem in der Nazizeit erlebten "Nullpunkt der Menschlichkeit und der Menschheit" dürfte die Humanität nicht aufgegeben und müsse auf Hoffnung gesetzt werden, auf Bildung und Aufklärung, um in der Zukunft die "Fehlentwicklung ganzer Generationen" zu vermeiden. Es gehe darum, dass "ganze Menschen entstehen, statt gefährlicher und gefährdeter Zweidrittelgeschöpfe."

In jedem dieser aufrüttelnden Texte (und auch im vorzüglichen Nachwort des Herausgebers Sven Hanuschek nebst gründlichen Editionsnachweisen) findet sich eine geradezu erschreckende Aktualität und schwingt die Frage mit, was würde Erich Kästner wohl zum Heute sagen?

Mehr Informationen

Erich Kästner: "Resignation ist kein Gesichtspunkt. Politische Reden und Feuilletons"
Cover zum Buch Erich Kästner: "Resignation ist kein Gesichtspunkt. Politische Reden und Feuilletons" Bildrechte: Atrium Verlag

Erich Kästner: "Resignation ist kein Gesichtspunkt. Politische Reden und Feuilletons"
Herausgegeben von Sven Hanuschek
erschienen im Atrium Verlag Zürich
256 Seiten, 23 Euro
ISBN 978-3-85535-133-6

Redaktionelle Bearbeitung: Hanna Romanowsky

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. Mai 2023 | 07:40 Uhr