Post-Vac-Syndrom Krank nach der Corona-Impfung?

Erschöpfung, Gliederschmerzen, Fieber: Menschen, die unter dem sogenannten Post-Vac-Syndrom leiden, fühlen sich oft nicht ernst genommen. Wie sieht die Studienlage aus?

Seit Ende 2020 wurden in Deutschland rund 184 Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus verabreicht. Nicht immer geht dabei alles gut. Immer wieder berichten Betroffene über Nebenwirkungen, die mit denen von Long Covid vergleichbar sind: Kopfschmerzen, anhaltende Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten gehören dazu.

Bei Piet Steiner begannen die Symptome fünf Stunden nach der zweiten Impfung. Er bekommt Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Hitzewallungen, erzählt er. Zunächst dachte er an eine normale Impfreaktion, aber es wurde immer schlimmer:

Ich kam nicht mehr aus dem Bett raus. Ich wurde ein Pflegefall. Meine Freundin hat mich fünf Monate gepflegt. Ich mach das mal an dem Beispiel fest, damit man sich das vorstellen kann, weil ich das nie für möglich gehalten habe: Ich hatte nicht die Kraft mein Essen zu schneiden. Das habe ich noch nie erlebt. Sie musste es schneiden, ich konnte es in meinen Mund schieben und mehr war nicht möglich.

Piet Steiner

Dabei sei der 27-Jährige vor seiner Impfung topfit gewesen. Heute kommt er völlig außer Puste, wenn er eine Treppe hochsteigt.

Was ist das Post-Vac-Syndrom?

Prof. Dr. Bernhard Schieffer von der Uniklinik Marburg ist auf das Post-Vac-Syndrom spezialisiert. Der Kardiologe beschreibt, wie sehr sich Post-Vac und Long Covid ähneln: "Das Post-Vac-Syndrom, so wie man es heute beschreibt, das ist im Prinzip ein Long Covid-Syndrom, was um die Impfung herum aufgetreten ist. Was eine Symptomatik hat von kardial mit Herzrhythmusstörungen, Druck auf der Brust, manchmal ein Nebel im Kopf und Kopfschmerzen. Migräneartige Kopfschmerzen, Schmerzen und Lähmungserscheinungen in den Extremitäten. Ein ganz buntes Bild, was dem des Long-Covid, was wir in viel häufigerer Zahl sehen jeden Tag, nach einer Impfung sehr stark ähnelt."

Unter Long-Covid leiden bis zu 20 bis 30 Prozent noch sechs Monate nach einer Corona-Infektion. Das Post-Vac-Syndrom ist wahrscheinlich viel seltener und auch weniger erforscht.

Laut Paul-Ehrlich-Institut, das für Impfungen zuständig ist, gab es bis Mai 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfungen von schwerwiegenden Reaktionen. Dies sind jedoch Verdachtsfälle. Im Vergleich zu den damals rund 172 Millionen verimpften Dosen, ergeben sich mehr als 30.000 Verdachtsfälle mit schwerwiegenden Impfreaktionen. Eine Schwierigkeit, auf die das Pau- Ehrlich-Institut im Zusammenhang mit Post-Vac verweist: eine anerkannte Definition für das Krankheitsbild fehlt bislang.

Risikogruppe junge Frauen

Auch Nike Schmitz wird in der Post-Vac Ambulanz als Betroffene behandelt. Kurz nach ihrer zweiten Impfung traten Symptome auf, mit denen sie anschließend in der Notaufnahme landet. Gliederschmerzen, Nervenschmerzen, Gelenkschmerzen. Wochenlang hatte sie Fieber, ihre Sehkraft sank auf 30 Prozent, berichtet sie.

Nike Schmitz gehört zu der zahlenmäßig größten Gruppe, die in Marburg behandelt wird: Junge Frauen. Die Ärzte haben dafür bisher keinerlei Erklärung.

Unklare Datenlage

Überhaupt gibt es bislang wenig Daten zum Syndrom. So stützen sich die Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts vor allem auf Verdachtsfälle. Hausärzte sind eigentlich verpflichtet, schwerwiegende Nebenwirkungen der Impfungen an das Institut zu melden. Aber nicht immer passiert das.

Auch Piet Steiner hatte von Anfang an Diskussionen mit seiner Hausärztin. Wie auch andere Betroffene fühlt er sich nicht ernst genommen. Auch inzwischen ein ärztliches Gutachten seine Beschwerden stützt.

Auch Nike Schmitz hat diese Erfahrung gemacht. Beide Betroffene haben ihren Fall am Ende selbst gemeldet.

Mitte Juni veröffentlicht Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Video, in dem er sich über Post-Vac äußert. Die Symptome seien im Vergleich zu Post-Covid seltener und viel weniger schwer. Für Nike Schmitz ein Schlag ins Gesicht: "Ich habe geweint. Das ist ja ein Hoffnungsschimmer, dass man denkt, da redet wer, der vielleicht etwas beeinflussen kann. Und dann ist es so ein Reinfall."

Das Gesundheitsministerium nehme das Auftreten von möglichen Nebenwirkungen nach der Anwendung des Impfstoffs sehr ernst, erklärt das Ministerium auf Anfrage von Exakt. Wer gesundheitliche Schädigungen über das übliche Ausmaß von Impfreaktionen erlitten habe, habe Anspruch auf Entschädigung.

Die Post-Vac-Ambulanz in Marburg hat derzeit etwa 3.000 Anmeldungen von Personen die glauben, an dem Syndrom zu leiden. Die Wartezeit für einen Platz ist bis Mitte 2023.

Quelle: MDR Investigativ / est

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt | 27. Juli 2022 | 20:15 Uhr

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