Inszeniertes Bild zum Thema Patientenverfügung
Medikamente wirken bei Frauen mitunter anders als bei Männern – auch Symptome können sich unterscheiden. Bildrechte: IMAGO / Shotshop

Wirkungsweise von Medikamenten Studierende fordern geschlechtssensible Medizin als Pflichtfach

20. März 2024, 07:04 Uhr

Da wäre die typische Männergrippe, über die man sich landläufig auch immer ein bisschen lustig macht. Oder Depressionen, die als typische Frauenkrankheit gelten. Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei Krankheiten, Diagnosen oder Therapien wirklich? MDR Aktuell Redakteurin Ulrike Köhler ist dieser Frage nachgegangen.

Manche Medikamente wirken bei Frauen anders als bei Männern: sie sind stärker, sie bleiben länger im Körper oder verursachen andere Nebenwirkungen. Andererseits gibt es ebenso Medikamente, die weniger stark bei Frauen wirken, sagt Christiane Groß, die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes. Der weibliche Körper habe einfach eine andere Fettverteilung, eine andere Muskelverteilung.

Studienteilnehmer sind vor allem Männer

Groß erklärt: "Wir haben andere Hormone, die an der einen Stelle mehr vorhanden oder weniger vorhanden sind. Genau das passiert: es kann eine Überdosierung sein und es kann eine Unterdosierung sein." Das Problem: Teilnehmer von Studien und Forschungen sind – zumindest in den ersten Phasen – zum Großteil Männer. Versuchstiere sind sogar meist ausschließlich männlich.

Das habe auch einen Grund, so Groß: "Weil ja Frauen auch Kinder bekommen und der Conterganskandal damals reingespielt hat und man sehr drauf geachtet hat, dass da keine Probleme mit Schwangerschaften entstehen konnten. Aber dann wurde daraus eben über Jahrzehnte eine Forschung am Mann. Problematisch ist aber, dass natürlich ganz viele Medikamente zur Behandlung freigegeben sind, die nur am Mann erforscht worden sind."

Andere Herzinfarkt-Symptome bei Frauen – oft späte Diagnose

Nicht nur bei der Wirkung von Medikamenten unterscheiden sich Frauen und Männer: auch bei der Diagnose und bei Symptomen gibt es erhebliche Unterschiede. Groß nennt das Beispiel Herzinfarkt: Typisch ist dabei der klassische Brustschmerz, der auch in die Arme zieht. Allerdings macht sich dieser Schmerz bei Frauen weniger deutlich bemerkbar. Sie berichten eher von einem Engegefühl in der Brust, Schweißausbrüchen oder Übelkeit.

Deshalb wird mitunter ein Herzinfarkt bei Frauen erst sehr spät erkannt. Dieses Problem sieht auch Moritz Roloff. Er studiert Medizin im neunten Semester: "Sowas wird uns nicht beigebracht, dass der Herzinfarkt bei Frauen symptomatisch anders aussieht. Dann haben wir festgestellt, ah, okay, dafür ist keine Zeit und dann haben wir uns halt entschlossen, als Studis mal Veranstaltungen zu organisieren und sind da jetzt mittlerweile ein nationales Projekt von neun Lokalgruppen und wir sorgen für Vorlesungsreihen, für Veranstaltungen an diesen Standorten."

Geschlechtersensible Medizin als Pflichtfach

Roloff setzt sich – zusammen mit dem Hartmannbund – dafür ein, geschlechtssensible Medizin als verpflichtendes Fach ins Medizinstudium zu integrieren. Auch wenn ihm das eigentlich nicht weit genug geht: "Über dieses Pflichtfach würden wir definitiv was dazu lernen müssen, das ist ja das Tolle. Das ist momentan noch nicht so geregelt. Das, was wir lernen, kriegen wir nur von engagierten Dozierenden mit", meint Roloff. Das Pflichtfach würde das ändern.

Roloff stellt klar: "Für mich persönlich ist das aber noch nicht das Ende der Reise, weil dann haben wir ein Pflichtfach. Das Problem ist aber, dass wir in jedem medizinischen Fach sicherlich geschlechtssensible Unterschiede finden. Viel, viel besser wäre es, diese Unterschiede direkt in den Fächern zu lernen."

Mittlerweile gibt es an der Charité in Berlin und an der Universität des Saarlandes Zentren für Geschlechterforschung in der Biologie und Medizin, an der Universität Bielefeld wurde ein Lehrstuhl für geschlechtersensible Medizin eingerichtet und das Bundesgesundheitsministerium fördert aktuell zwölf Projekte zu den geschlechtsspezifischen Besonderheiten – mit mehr als vier Millionen Euro.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. März 2024 | 06:55 Uhr

21 Kommentare

GEWY vor 5 Wochen

Was soll dieser Hinweis auf den Duden? Der Duden ist ein unverbindliches Nachschlagwerk. Dass dieser Verlag den Krieg von wenigen Selbstdarstellern den diese gegen die deutsche Sprache führen, in dem Fall das Substantivieren von Verb und Adjektiv, die Referenz erweisen, macht das noch lange nicht verbindlich.

GEWY vor 5 Wochen

Na da ist es ja gut. Sie sollten doch wohl eher die Forschungen darauf konzentrieren was der Gesellschaft weiter hilft und nicht was Sie "...am ehesten..." interessiert.

astrodon vor 5 Wochen

@Britta: Soweit ich es weiß , dürften es - genetisch gesehen - sechs sein: (weiblich XX, männlich XY, weiblich XXX (oder mehr), weiblich X0 (Turner-Syndrom), männlich XXY (Klinefelter-Syndrom) und männlich XYY.

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