Nach Kritik Bundesregierung will Rückstand bei Corona-Daten aufholen
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10. Juni 2022, 05:00 Uhr
Ärzteschaft und Expertenrat kritisieren die dünne Datenlage bezüglich der Corona-Pandemie in Deutschland – vor allem mit Blick auf den Herbst. Die Bundesregierung verspricht nun digitale Aufarbeitung, sodass man auf eine mögliche Welle in der zweiten Jahreshälfte besser vorbereitet ist.
- Wissenschaftler und Ärzte in Deutschland arbeiten häufig auf der Grundlage in Großbritannien erhobener Daten.
- Das liegt zum großen Teil an der langsam voranschreitenden Digitalisierung in der Bundesrepublik. Verschiedene Schnittstellen können häufig nicht reibungslos miteinander kommunizieren und Daten abgleichen.
- Ein sogenannter Chief Data Scientist im Gesundheitsministerium und Systemupdates sollen das im dritten Coronajahr ändern.
Systematisch müssten die Daten zur Corona-Pandemie erhoben werden und ein digitales Echtzeitlagebild ermöglichen, bilanziert der Expertenrat der Bundesregierung. Auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, kritisiert, dass es noch immer zu wenig Daten gebe, um daraus den gebotenen Umgang mit der Pandemie-Situation abzuleiten: "Wir haben tatsächlich seit Beginn der Pandemie eine schlimme Datenlage, weil keiner genau weiß, wie viele Infektionen wir haben, wie viele Menschen wirklich wegen ihrer Corona-Infektion ins Krankenhaus oder auf Intensivstation kommen. Da brauchen wir dringend bessere Beurteilungsmöglichkeiten."
Britische Daten als Grundlage
Schon seit Pandemie-Beginn bemängeln Fachleute eine mangelhafte Ausstattung von Gesundheitsämtern und Kliniken mit entsprechender Software. Auch Epidemiologe Alexander Kekulé hat die Daten-Situation kritisiert.
Forschende in Deutschland griffen deshalb immer wieder auf britische Daten zurück, erklärte er Anfang des Jahres im Podcast Kekulés Corona-Kompass: "Das sind tatsächlich aktuelle Daten, sage ich mal so ein bisschen spitz. Dass das Robert Koch-Institut da auf die Daten der Briten zugreift und wir selbst in Deutschland keine haben nach zwei Jahren Pandemie, ist auch ein bisschen schade."
Lückenhafte Digitalisierung
Tatsächlich könne man sich hierzulande einiges von der standardisierten Datenerhebung der Briten abschauen, räumt der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bund, Matthias Mieves, ein. Bisher hing man in Deutschland vor allem zurück, erklärt er, weil Daten entweder gar nicht digital erhoben wurden oder Schnittstellen zwischen Systemen fehlten – also zum Beispiel der Computer im Krankenhaus nicht mit dem im Gesundheitsamt kommunizieren konnte.
In der Bundesregierung sei man sich aber einig, dass es eine deutlich bessere Datenlage brauche, um die Pandemie besser steuern zu können. Mieves sagt: "Deshalb arbeiten wir an drei Baustellen: Erstens kurzfristig mit den bestehenden Systemen die Datenlage für den Herbst und Winter zu verbessern, zweitens strukturell in den Krankenhäusern, in den Gesundheitsämtern, in den Praxen die Digitalisierung vorantreiben und damit eine bessere, einheitlichere Datenbasis schaffen und drittens eine Strategie entwickeln, die uns auch langfristig hilft, die Rückstände, die wir bei Daten in Deutschland haben, aufzuholen."
"Zielgenauere Prognosen"
Bis zum Herbst sollen alle Kliniken ihre Daten über das System DEMIS übermitteln, erklärt Mieves. Außerdem sei die Stelle eines "Chief Data Scientist" im Bundesgesundheitsministerium beschlossen worden.
Im dritten Pandemie-Jahr müsse es mit der systematischen Datenerhebung endlich klappen, sagt auch die Leipziger Bundestagsabgeordnete der Grünen, Paula Piechotta. Sie ist auch selbst noch als Ärztin im Krankenhaus tätig: Ein Vorteil besserer Datenqualität sei nicht nur, "dass dann auch die Bevölkerung wieder mehr Vertrauen haben kann in die Daten, sondern dass bessere Datenqualität auch bedeutet, dass man zielgenauere Prognosen machen kann. Dass man besser planen kann und dass man besser Vorsorge treffen kann."
Die Medizinerin rechnet ab Herbst mit den ersten Verbesserungen bei der Digitalisierung von Gesundheitsämtern und Krankenhäusern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 10. Juni 2022 | 06:00 Uhr
DermbacherIn am 12.06.2022
Der Hinweis auf die Kollateralschäden der Pandemie-Maßnahmen wurde in den letzten 2 Jahren regelmäßig nieder gemacht. Und jetzt will immer noch niemand die Maßnahmen evaluieren, bevor sie im Herbst wieder unreflektiert eingesetzt werden und einen riesigen Schaden verursachen.
DermbacherIn am 12.06.2022
Und? Was passiert schon groß, wenn die nur geschätzten Inzidenzen wieder steigen? Mit einem Impfstoff, der für die Ur-Variante entwickelt wurde, werden sich die meisten Leute wohl nicht noch 5x impfen lassen, mich eingeschlossen.
DermbacherIn am 12.06.2022
Ja, aber der Wochenvergleich hinkt noch fast eine Woche lang. Bei den vielen Nachmeldungen heißt es bald Vorsicht, die Zahlen steigen wieder. Da steht dann nichts mehr von einem unrichtigen Wochenvergleich, weil ja 4 Tage fast nichts gemeldet wurde.