Zellentrakt hinter dem Landgericht Leipzig, 2017
Gewerkschaften sorgen sich zunehmend über den Personalmangel im Strafvollzug. Bildrechte: picture alliance / Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa | Jan Woitas

Gefängnisse 2.000 unbesetzte Stellen: Gewerkschaften beklagen Personalmangel im Strafvollzug

10. März 2024, 05:00 Uhr

Im Strafvollzug kann Personalmangel schnell zum Sicherheitsproblem werden. Darum sorgen sich die Gewerkschaften zunehmend. Daher braucht es dringend Ressourcen, um neue Bewerber zu gewinnen und Resozialisierung von Inhaftierten zu ermöglichen.

Wenngleich Personalmangel derzeit in aller Munde ist, so bekommen ihn hier jedoch viele nicht mit: Zu unpopulär sind Gefängnisse und auch der Beruf des Justizvollzugsbeamten.

Gewerkschaft spricht von 2.000 unbesetzten Stellen

Bundesweit seien 2.000 Stellen derzeit nicht besetzt, konstatiert die Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten BSBD. Dabei würden selbst diese noch gar nicht ausreichen, um den wachsenden Aufgaben des Jobs gerecht zu werden.

Insbesondere die Unterbringung von sogenannten "Gefährdern" strapaziere den Personalschlüssel immens, sagt René Müller vom BSBD. "Gefährder müssten eigentlich nach dem Sicherungs- und Ordnungsgesetz untergebracht werden. Das ist eigentlich eine originäre Aufgabe der Polizei. Die sitzen im Vollzug. Wir haben immer mehr Extremisten. Aber was das logistisch bedeutet für eine Anstalt, wenn die Gerichtsverhandlungen laufen, dann gibt es Einzelduschen, Einzelunterbringung, Einzelfreistunden – darüber machen sich die wenigsten Gedanken."

Personalmangel hat auch Folgen für Inhaftierte

Es gibt also immer mehr Aufgaben für immer weniger Vollzugsbeamte. Das hat auch Folgen für das Leben der Inhaftierten. Mitunter werden die Zeiten, die die Gefangenen außerhalb ihrer Zellen verbringen, gekürzt, berichtet Manuel Matzke von der Gefangenengewerkschaft (GG/BO): "Das heißt, wir haben auch weniger Möglichkeiten, mit unseren Familien, Freunden und Angehörigen in Kontakt zu treten oder so ein bisschen Socializing zu betreiben."

Matzke berichtet außerdem von Anstalten, in denen die Arbeitsbetriebe schließen müssten oder verkürzte Arbeitszeiten hätten. Dadurch gebe es für die Gefangenen weniger Möglichkeiten, um Geld zu verdienen. Und damit nicht genug: "Wir haben Gefangene, die haben in ihren Vollzugsplänen Lockerungsgegebenheiten, in denen steht, dass Ausgänge nur begleitet stattfinden dürfen. Diese werden meistens durch Bedienstete des Strafvollzugs begleitet. Das heißt, diese Lockerungen können dann nicht gewährt werden, weil dies aufgrund des Personalmangels nicht möglich ist."

Das geht auf Kosten der Resozialisierung, eine der zwei Aufgaben des Strafvollzugs. Unter den derzeitigen Bedingungen, konzentriere man sich jedoch fast nur noch auf die erste Aufgabe: die Sicherheit der Bevölkerung, so René Müller vom BSBD.

Was das für den Beruf der Strafvollzugsbeamten bedeutet

Dabei sei die Vorbereitung der Inhaftierten auf ein straffreies Leben in Freiheit, der spannende Teil des Berufs. Fällt dieser weg, ist es schwer, Menschen für diesen Job zu begeistern. Zu sehr fielen die derzeitige Arbeitsbelastung, die verbalen und körperlichen Angriffe sowie die geringe Wertschätzung ins Gewicht, sagt Gewerkschafter Müller. "Wir haben eigentlich nur noch eine Möglichkeit – momentan zumindest – neue Bewerber in unseren Bereich zu locken: mit einer kräftigen Anhebung der Bezahlung. Und wenn wir das haben, dann können wir Schritt für Schritt die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass wir mehr Bewerber bekommen und dann die gesamten und auch zusätzliche Stellen besetzen können."

Also: Mehr Geld für den Vollzug. Dass sich das lohnt, berichtet das Justizministerium Sachsen-Anhalts. Hier habe man einerseits die"Gitterzulage" um 50 Prozent erhöht. Damit ist sie genauso hoch wie die der Polizei und signalisiert Wertschätzung. Zudem bekommen Anwärter in Sachsen-Anhalt einen Sonderzuschlag. Dadurch kommen auch ältere Bewerber, die erfahrener und belastbarer sind. Das begrüßen die Vollzugsbeamten Sachsen-Anhalts. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um den bevorstehenden Generationenwechsel zu bewältigen? Da sind alle Gewerkschafter noch skeptisch. Ende 2023 seien die Stellen im Strafvollzug dadurch jedenfalls zu 98 Prozent besetzt gewesen.

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Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 10. März 2024 | 06:07 Uhr

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