Wetter Wird es tatsächlich immer windiger?
Hauptinhalt
21. Juli 2023, 05:00 Uhr
Egal, ob man auf dem Fahrrad sitzt, oder Balkonpflanzen und –möbel durch die Gegend wirbeln: Gefühlt stürmt es seit einiger Zeit ständig. Aber ist es wirklich windiger geworden oder ist das eine subjektive Wahrnehmung?
- Der Klimawandel kann unsere Wahrnehmung von Wind und Wetter beeinflussen.
- Eine US-Studie weist auf gestiegene Windgeschwindigkeiten hin.
- Ein "Sturmmonitor" zeigt bislang keinen Trend zu mehr Wind in Mitteldeutschland.
Gefühlt ständig Wind? Das sei schon richtig, sagt Bodo Wichura, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Potsdamer Klimabüro des Deutschen Wetterdienstes. Ein bisschen Wind gebe es immer. Aber dass der Wind heftiger oder häufiger bläst, das kann Wichura aus Messdaten seit 1995 nicht ablesen: "Ich habe mir mal drei Stationen im mitteldeutschen Raum angeschaut – Leipzig/Halle, Dresden-Klotsche und Erfurt. Und aus den Monatsmittelwerten dieser Stationen kann man nicht erkennen, dass der Wind mehr wird."
Expertin: Klimawandel kann Wind beeinflussen
Einen Effekt, der bei unserer Wahrnehmung vielleicht zum Tragen kommt, beschreibt MDR-Wetter- und Klimaexpertin Grit Krämer. Sie sagt: "Durch den Klimawandel ziehen die Hochs und Tiefs langsamer. Wenn dann ein Tief mit Wind und Regen mehrere Tage vor Ort ist, haben wir auch den Wind und die Windböen mehrere Tage." So sei es in diesem Frühjahr geschehen, als die Tiefs in Reihe durchgezogen seien und es andauernd windiges Wetter gegeben habe.
Was länger bleibt, nehmen wir möglicherweise bewusster wahr. Auch der Blick auf die Windgeschwindigkeiten hilft zunächst nicht weiter. MDR-Meteorologe Jörg Heidermann erklärt dazu, beim Blick auf die mittleren Windgeschwindigkeiten der zurückliegenden 50 Jahre könne man einen Anstieg sowohl im Tiefland als auch im Bergland nicht wirklich ausmachen. Heidermann: "Häufig ist es dann doch eher das subjektive Wetterempfinden, das da reinspielt – oder auch kleine lokale Ereignisse."
Anfang der Woche zum Beispiel sei ein kleines Gewitter von Harzgerode nach Anhalt gezogen. In einem schmalen Streifen habe es stürmische Böen gegeben. Dessau-Roßlau hatte Heidermann zufolge sogar eine orkanartige Böe mit 105 Kilometer pro Stunde. Weiter nördlich und weiter südlich habe man davon aber gar nichts mitbekommen.
Studie belegt höhere Windgeschwindigkeiten
Vielleicht ist alles aber doch nicht so subjektiv mit dem Wind. Wissenschaftler der Universität Princeton in den USA brachten schon vor vier Jahren eine Studie heraus, die eine Trendumkehr bei der weltweiten durchschnittlichen Windgeschwindigkeit feststellt. Die sei seit 2010 um etwa sieben Prozent gestiegen.
Von der Umkehr zu höheren Windgeschwindigkeiten hat Bodo Wichura vom DWD noch keine Kenntnis: "Sie können sich verschiedene Studien vornehmen und sie finden immer Ergebnisse in der einen oder in der anderen Richtung. Das ist beim Wind noch sehr uneinheitlich, da kann man keinen eindeutigen Trend feststellen."
Daten zum Sturmklima
Und auch wenn wir auf vollwertige Stürme schauen, lässt sich keine Zunahme verzeichnen, erklärt Ralf Weisse. Er hat für das Helmholtz-Zentrum "Hereon" in Geesthacht in Schleswig-Holstein den sogenannten Sturmmonitor mitentwickelt.
Weise sagte, wenn man sich sehr kurze Zeitreihen anschaue, könne man den Eindruck bekommen, dass die Stürme mehr werden." Aber bei Betrachtung längerer Zeitreihen seit Beginn des 20. Jahrhunderts sehe man, dass es in Mitteldeutschland keinen langfristigen Trend gegeben habe.
Für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen lässt sich im Sturmmonitor eindeutig ablesen: Die Zahl der Stürme pro Saison hat in den letzten 20 Jahren nicht zugenommen. Und in der laufenden Saison liegt sogar die Schwere der Stürme unter dem langjährigen Mittel.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 21. Juli 2023 | 06:00 Uhr