Sofort Passbilder steht auf den Fähnchen über dem Eingang eines Fotofachgeschäfts in der Erfurter Innenstadt. 4 min
Audio: Durch neue Vorgaben für Passbilder sehen sich Fotostudios in ihrer Existenz bedroht. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt
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Neue Vorgaben Nur noch digitale Passfotos: Fotostudios haben Existenzangst

26. Oktober 2024, 14:26 Uhr

Knapp zehn Millionen Menschen in Deutschland benötigen Jahr für Jahr neue Ausweispapiere – und damit auch ein aktuelles Passfoto. Für die 24.000 niedergelassenen Fotografen sind Passfotos das Kerngeschäft. Doch ab Mai 2025 bekommen sie durch das "Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen" Probleme. Bilder dürfen dann nur noch digital sein und müssen gesichert an die Behörden geschickt werden.

In der Branche geht die Sorge vor einer regelrechten Insolvenzwelle um. Vor allen bei den Betrieben, die eine hohe Abhängigkeit vom Passfoto haben, sei die Sorge sicherlich sehr groß, sagt Thilo Röhrig, Geschäftsführer von "Ringfoto", dem größten Einkaufsverbund in Europa. Die Abhängigkeit vom Passfoto als Dienstleistung spiele für diese Händler eine ganz enorme Rolle für die Existenz der Geschäfte. Passbilder machten immerhin bis zu 50 Prozent der Gewinnmarge von Fotostudios aus.

Das steht im Gesetz Ab 1. Mai 2025 dürfen Passbilder nur noch ausschließlich digital erstellt werden. Im Anschluss müssen sie über eine gesicherte Verbindung an das Bürgeramt oder die Ausländerbehörde geschickt werden. Entweder über Automaten im Amt oder über Dienstleister mit Anschluss.

Ziel ist es, Manipulationen zu verhindern, etwa durch "Morphing", bei dem Gesichtszüge verschiedener Personen zu einem Foto verschmolzen werden. Bundesinnenministerium

Personalabbau und Insolvenzen erwartet

Christian Hamer, Chef der Fotostudie-Kette "Picture-People" mit bundesweit mehr als 50 Standorten, befürchtet drastische Umsatzeinbußen. Passfotos machten bei "Picture-People" mit etwa 500.000 Euro bislang gut 30 Prozent des Umsatzes aus, bilanziert er: "Aber es gibt Unternehmen in der Branche, die sich nur auf das Passfotogeschäft konzentriert haben. Und die haben aus meiner Sicht aktuell keine Chancen. Und in der Tat stehen uns hier sehr, sehr viel Personalabbau bevor und einige Insolvenzen."

Es gibt Unternehmen in der Branche, die sich nur auf das Passfotogeschäft konzentriert haben. Und die haben aus meiner Sicht aktuell keine Chancen.

Christian Hamer, Chef "Picture-People"

Denn aus Passfoto-Terminen entstehen in seinen Fotostudios erfahrungsgemäß auch weitere Aufträge. Das gelte auch für die Standorte des Unternehmens in Dresden und Leipzig. "Sei es Iris-Fotografie oder Business-Fotografie für die Firma. Oder Familienbilder. Und das ist eben eine unserer wichtigsten Quellen für neue Kunden", erklärt Christian Hamer.

Ministerium: Sicherheit geht vor

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums räumt auf Anfrage zwar ein, dass Umsatzverluste für Fotostudios durch die digitalen Fototerminals in den kommunalen Meldeämtern wohl unvermeidbar seien, doch Sicherheitsprozesse hätten Vorrang. Die von der Bundesdruckerei zur Verfügung gestellten 8.000 digitalen Fototerminals werden von den Kommunen in der Regel nicht gekauft, sondern gemietet. Die Refinanzierung der Geräte erfolgt dem Ministerium zufolge über Gebühren. Ab dem 1. Mai nächsten Jahres kosten digitale Passfotos pro Stück sechs Euro.

Damit die Fotobranche nicht gänzlich vom Markt gedrängt wird, hat der Einkaufsverbund "Ringfoto" ein eigenes System für eine fälschungssichere Passfoto-Cloudlösung für Fotostudios entwickeln lassen. Die Kosten dafür bewegen sich nach Aussage von Geschäftsführer Thilo Röhrig im einstelligen Millionenbereich: "Somit rechnen wir in Summe, Stand heute, mit über 3.000 Partnern, die im Bundesgebiet unsere neue digitale Passbildlösung anbieten werden."

Gesicherte Verbindung zusätzlicher Aufwand

Für die Nutzung zahlen die angeschlossenen Fotografen einmalig eine niedrige dreistellige Summe. Allerdings sei damit für die Fotostudios ein wesentlich höherer Arbeitsaufwand verbunden, "weil sich ein Fotohändler immer entsprechend in der Cloud anmelden muss und sich auch identifizieren muss als zertifizierter Partner, um dann die Bilder hochzuladen", erklärt Röhrig.

Zumindest könne man die etablierte Dienstleistung Passfoto weiter anbieten. Wobei Christian Hamer überzeugt ist, dass die meisten Menschen den bequemeren Weg ins Amt gehen und nicht zusätzlich den Weg ins Fotostudio antreten werden. Auch wenn man das Geschäft mit der Unternehmensfotografie etwa auch in Dresden und Leipzig ausbauen werde, so werde man andererseits in den Filialen, die stark vom Passfoto abhängen, tendenziell einen Personalabbau ins Auge fassen müssen. Um Kosten abzubauen hat Hamer darum vorsorglich alle Mietverträge für seine Studios in Deutschland, auch in Ostdeutschland, gekündigt, um mit den Vermietern über Nachlässe zu verhandeln.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. Oktober 2024 | 06:52 Uhr

27 Kommentare

NeuerHeip vor 23 Wochen

Ich habe meine Passfotos immer selbst machen müssen, um mir meine Augen nicht zu verblitzen, da die Fotofirmen sich weigerten, ohne blitz zu fotografieren.

Sollte ich in einem Fotofachgeschäft ein Foto machen müssen oder beim Automaten, dann MUSS ich die Augen verschließen, wenn ich nicht auch zu den Menschen gehören will, die eine Brille brauchen.

Natürlich können die in Fotofachgeschäften die Bilder ohne Blitz fertigen. Aber die weigern sich, weil es für sie einfacher ist, den Leuten die Augen zu verblitzen. Andernfalls könnte man ja eine Graukarte benötigen und mit einem Pipettenklick im Bild den Weißabgleich korrigieren müssen. Die Sekunde spart man sich lieber und zerstört den Menschen die Augen.

cookiemonster vor 23 Wochen

naja, aber gerade um den besagten Dienstleister geht es. es gibt Anbieter die ein Hardware System für mehr als 10.000€.
Das werde ich natürlich nicht investieren, und eine Software Lösung war bisher nicht in Sicht. Ein dreistelliger einmaliger Betrag ist da natürlich was ganz anderes.
Blöd finde ich, dass das Amt Automaten aufstellt. Das ist Kundenorientierung aber auf dem Amt hat da keiner Lust drauf und auch Ressourcen und uns Fotografen fällt Umsatz weg ...

Anni22 vor 24 Wochen

Ja ist halt so, wie mit gedruckten Zeitungen und anderen Dingen, die sich überlebt haben. Es wird noch ein paar Studios geben für Hochzeiten, Kinderfotos usw, aber es werden eben weniger werden!

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