Recycling Wie gefährlich sind Rückstände in Pizzakartons?
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23. November 2023, 10:15 Uhr
Pizzaessen zu Hause auf der Couch, am besten direkt aus dem Karton. Davon raten Experten mittlerweile ab. Grund dafür sind gefährliche Mineralöle, die sich in den Pizzakartons befinden können. Eine MDR-Hörerin fragt sich, wie das passieren kann – schließlich gebe es doch genau dafür eine europäische Verordnung zur Lebensmittelsicherheit.
- Keine genauen Regeln zum Mineralölgehalt.
- "MOAH": Aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe können DNA schädigen.
- Tipp: Pizzakartons nur zum Transport verwenden.
- Fazit: Kein eindeutiger Verstoß gegen die europäische Verordnung.
Pizzakartons sind oft unbeschichtet und aus recyceltem Altpapier. Darin können Reste von Druckfarben sein, die oft Mineralöle enthalten, die wiederum auf die Pizza übergehen können. Das verwundert MDR-Hörerin Corina Enns. Schließlich gebe es doch eine europäische Verordnung zur Lebensmittelsicherheit. Wie kann das also sein, wird die Verordnung nicht eingehalten oder wird nicht kontrolliert und wie groß ist die Gefahr für Pizzaliebhaber tatsächlich?
Keine genauen Regeln zum Mineralölgehalt in Pizzakartons
Bevor ein Lebensmittel verzehrt wird, kommt es bei der Herstellung, Lagerung, Verarbeitung und Zubereitung mit einer Vielzahl an Gegenständen aus den unterschiedlichsten Materialien in Berührung: Dazu gehören Geschirr, Küchenutensilien und eben auch Verpackungen.
Nach EU-Recht müssen solche Lebensmittelkontaktmaterialien grundsätzlich sicher sein. Aber was heißt das eigentlich? Thomas Tietz leitet am Bundesinstitut für Risikobewertung die Fachgruppe für Sicherheit von Lebensmittelkontaktmaterialien. Er erklärt: "Es dürfen keine Stoffe in Mengen übergehen, die Ihre Gesundheit gefährden. Die Frage ist natürlich, was bedeutet das konkret."
Genaue Regelungen, wie hoch der Mineralölgehalt in Pizzakartons sein darf, gibt es nicht. Während es für Kunststoffe, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, klare Vorgaben und Höchstgrenzen gibt, gibt es für Lebensmittelverpackungen aus Altpapier keine konkrete Regulierung auf EU-Ebene.
Allenfalls gibt es Empfehlungen, an die sich die Hersteller von Lebensmittelverpackungen halten können. Herausgegeben werden sie vom Bundesinstitut für Risikobewertung.
Wie gefährlich sind Mineralöle tatsächlich für uns?
Thomas Tietz erklärt, dass es verschiedene Mineralölsorten gibt. Gefährlich könnten vor allem die aromatischen Mineralöle sein, die sogenannten MOAH. "Darunter können Stoffe sein, die krebserregend sind und deswegen sollten diese aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffe eben nicht in die Lebensmittel übergehen." Die MOAH können die DNA in Zellen schädigen und damit Krebs verursachen.
In Deutschland prüfen Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter regelmäßig, ob in Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, Mineralöle vorhanden sind. Sie nehmen auch Proben von Pizzakartons. Untersucht werden die Proben von der Landesuntersuchungsanstalt (LUA) der jeweiligen Bundesländer. Das Sozialministerium Sachsen bestätigt schriftlich:
"Alle Pizzakartons, außer einem Exemplar aus Frischfaserkarton, die in den letzten Jahren an der LUA Sachsen untersucht wurden, weisen Gehalte an Mineralölbestandteilen auf."
Tipp: Karton nur zum Transport verwenden
Auch die gefährlicheren Mineralöle, also die aromatischen Mineralöle, hat die LUA in den untersuchten Kartons gefunden. In welcher Höhe Mineralöle aus den Kartons auf die Pizzen übergehen, ist demnach jedoch schwer festzustellen. Zum einen sei hier relevant, wie lange die Pizza im Karton liege. Thomas Tietz vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt deshalb:
"Den Karton für das zu verwenden, wofür er gedacht ist, also die Pizza vom Pizzabäcker nach Hause zu transportieren, aber nicht beispielsweise dafür zu verwenden, die Pizza dann auf diesem Karton noch mal warm zu machen oder darin für längere Zeit im Kühlschrank zu lagern."
Kein eindeutiger Verstoß gegen die europäische Verordnung
Zum anderen könnten Mineralöle auch über andere Wege in Lebensmitteln landen, erklärt Christine Throl, Projektleiterin bei Ökotest: "Aus der Produktion und zwar im Prinzip immer dann, wenn Lebensmittel mit beispielsweise Schmieröl in Kontakt geraten, also beim Schmieren von Maschinen zum Beispiel."
Ein eindeutiger Verstoß gegen die europäische Verordnung lässt sich also nicht so leicht feststellen. Das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt reagiert dennoch auf bedenkliche Proben.
"Ist eine amtlich entnommene Probe hinsichtlich migrierender Mineralölbestandteile zu beanstanden, erfolgt die Auswertung bei dem Gewerbetreibenden des Entnahmebetriebs und der Ursprung der Charge wird ermittelt", heißt es auf MDR-Anfrage. "Befunde werden zur weiteren Bearbeitung an die entsprechend zuständige Behörde des Herstellers der betroffenen Ware abgegeben."
Weitreichende und konkretere rechtliche Regelungen seien momentan nicht oder nur in kleinen Schritten zu erwarten, erklärt das Sozialministerium Sachsen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 23. November 2023 | 06:22 Uhr