Gesundheitspolitik Abnehmspritze als Kassenleistung: FDP-Vorschlag stößt auf Kritik
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19. April 2024, 06:43 Uhr
Das Bundesgesundheitsministerium hat Forderungen zurückgewiesen, die Abnehmspritze zu einer Kassenleistung zu machen. Auf Anfrage von MDR AKTUELL heißt es, Arzneimittel, die ausschließlich dem Abnehmen dienten, würden nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Erst müssten langfristige Studien belegen, dass die Wirkstoffe helfen könnten, zum Beispiel Herzinfarkte oder Diabetes zu verhindern. Auch der AOK-Bundesverband verweist auf eine mangelnde Datenlage.
- Abnehmen per Spritze boomt.
- Krankenkassen könnten in Zukunft für die Abnehm-Spritze zahlen.
- Trotz Kritik von AOK-Bundesverbandssprecher: FDP verteidigt Vorschlag.
- Forderungen nach mehr Studien über mögliche Nebenwirkungen.
- Bundesgesundheitsministerium will Studienlage beobachten.
Das Abnehmen per Spritze boomt: Der dänische Konzern Novo Nordisk hat so viel Umsatz mit Abnemmedikamenten namens Ozempic und Wegovy gemacht, dass er zum wertvollsten börsennotierten Unternehmen in Europa aufgestiegen ist.
In Deutschland baut das amerikanische Unternehmen Lilly eine Fabrik, in der ab 2027 auch Abnehmspritzen hergestellt werden sollen. Doch die sind teuer.
AOK: Rechnung über 45 Milliarden Euro
Als Antwort auf den Vorschlag, die Kassen könnten in Zukunft dafür zahlen, rechnet der Sprecher des AOK-Bundesverbands, Kai Behrens, vor. "Wenn wir mal berechnen, wie viele Personen in Deutschland einen Body Mass Index über 30 haben, das sind rund 20 Prozent, und dann die Jahrestherapiekosten zugrunde legen, die für diese sogenannte Abnehmspritze zurzeit gelten, das ist bis zu 4.000 Euro, und das multiplizieren mit dem Anteil der Personen, die in der GKV versichert sind, und diesen Body Mass Index von über 30 haben, das sind 45 Milliarden Euro."
Die alle über die Kassen zu versorgen, sei aber gar nicht der Plan, hält Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, dagegen. "Hier geht es um Menschen, die schwer erkrankt sind, mit schweren Adipositas-Erkrankungen. Von diesen Menschen habe ich gesprochen, und von einer medizinischen Seite her ist auch relativ klar, dass die Spritze alleine diesen Menschen nicht helfen wird, sondern eine Kombination."
FDP verteidigt Vorschlag
Zum Beipsiel mit einer Ernährungsumstellung und Bewegungsprogrammen. Er verurteile lediglich, dass die Medikamente bislang durch das zuständige Gremium, den Gemeinsamen Bundesausschuss, als reines Lifestyle-Medikament eingestuft werden. Zuletzt hatte der Ausschuss das im März explizit für das Mittel Wegovy noch einmal bestätigt.
Doch selbst wenn nur zehn Prozent der Versicherten mit einem Body Mass Index über 30 die Spritzen bezahlt bekämen, würde das die Krankenkassen fünf Milliarden Euro jährlich kosten, so AOK-Bundesverbandssprecher Behrens.
Studien und bessere Datenlage gefordert
Zum Vergleich: Das Gesamtbudget der Kassen für Arzneimittel liegt bei 50 Milliarden. Außerdem hätte er gerne mehr Daten zum Thema. Zum Beispiel zu den Nebenwirkungen.
So sieht es auch Paula Piechotta, Ärztin und Gesundheitspolitikerin für die Grünen-Fraktion im Bundestag. Es gebe Hinweise darauf, dass die Abnehmspritze zu Problemen mit der Verdauung und der Bauchspeicheldrüse führen könne oder dazu, dass die Verhütung versage und Frauen ungewollt schwanger werden.
Außerdem gebe es sehr viele wirksame Alternativen, so Piechotta. Zum Beispiel die Magenoperation. Wenn das irgendwann von Krankenkassen übernommen werden sollte, dann müssen die Preise deutlich niedriger sein. Es müsse nachgewiesen sein, dass beispielsweise so eine Operation nicht insgesamt deutlich nebenwirkungsärmer sei. "Auch muss es deutlich wirtschaftlicher als die Abnehmspritze sein, und wir müssen sicherer sein als heute, dass es nicht auf Kosten anderer Therapien geht."
Bundesgesundheitsministerium will Studienlage beobachten
Das Bundesgesundheitsministerium schreibt MDR AKTUELL auf Nachfrage: Arzneimittel, die ausschließlich dem Abnehmen dienten, würden in Deutschland nicht von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt.
Wenn aber langfristige Studien belegten, dass die Wirkstoffe helfen könnten, zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Diabetes zu verhindern, dann erfolge eine Kostenübernahme. Man werde die Studienlage sehr genau verfolgen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 19. April 2024 | 06:00 Uhr