Eine Frau hält ein Portemonnaie in der Hand, in dem Geldscheine stecken.
Für die einen ist das Bürgergeld die größte Sozialreform seit 20 Jahren. Andere geißeln es als Geschenk für Faule. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Monika Skolimowska

Sozialreform Streit ums Bürgergeld: CDU pocht auf deutliche Korrekturen

19. November 2022, 16:09 Uhr

Im Januar soll das neue Bürgergeld kommen. Die Grundsicherung für Arbeitslose soll dann um etwa 50 Euro steigen – so will es zumindest die Ampel. Gegenwehr kommt aber vor allem von der Union.

Hartz IV soll nach 20 Jahren durch das "Bürgergeld" abgelöst werden. Etwa 50 Euro mehr im Portmonee und weniger Sanktionen – so lautet das Versprechen der Ampel. Doch der Plan ist im Bundesrat gescheitert. Gegenwehr gibt es vor allem von der CDU.

Ampel offen für Vorschläge

Im Streit um das Bürgergeld hat die Ampel-Koalition ihre Verhandlungsbereitschaft bekräftigt. "Die Freien Demokraten haben bereits deutlich gemacht, dass sie für konstruktive Vorschläge der Union offen sind, etwa bei Sanktionen, beim Schonvermögen oder mit Blick auf noch leistungsfreundlichere Zuverdienstregeln", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Deutschen-Presse-Agentur. "Ich bin zuversichtlich, dass eine rasche Einigung beim Bürgergeld gelingen kann, wenn sich die Union sachlich und ergebnisorientiert an der gemeinsamen Lösungsfindung beteiligt."

Esken wirft CDU Desinformation vor

Ähnlich äußerte sich die SPD-Vorsitzende Saskia Esken im "Tagesspiegel". Man sei bereit, über Details zu verhandeln. Esken betonte aber auch, dass die Grundprinzipien erhalten bleiben müssen. Wichtig sei, dass "wir eine Veränderung der Kultur im Umgang mit erwerbslosen Menschen erzielen wollen."

Bürgergeld Das Bürgergeld ist ein zentrales Reformvorhaben der Ampel-Koalition und soll das Hartz-IV-System ersetzen. Im Bundestag wurde das entsprechende Gesetz verabschiedet, im Bundesrat scheiterte es am Widerstand der Union. Sie sperrt sich unter anderem gegen die geplante "Vertrauenszeit" von einem halben Jahr, in der Bürgergeld-Bezieherinnen und -Bezieher kaum Leistungskürzungen bei Fehlverhalten drohen. Aus ihrer Sicht soll Betroffenen ein zu großes Schonvermögen zugestanden werden.

Die Ampel-Pläne für das Bürgergeld sehen unter anderem eine Erhöhung des Regelsatzes von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro vor. Arbeitslose sollen zudem künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt und dafür bei Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützt werden. Zudem sollen Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern gelockert werden.

Zuletzt hatte Esken der CDU und CSU Desinformation vorgeworfen. Wenn die Union behaupte, bei einer Erhöhung der Regelsätze lohne sich Arbeit nicht mehr, seien das "Fake News", sagte Esken beim Parteitag der baden-württembergischen SPD in Friedrichshafen am Bodensee.

"Vor allem ist diese Argumentation schäbig, weil sie arme Menschen gegen die ärmsten ausspielt." Es sei auch falsch, dass mit dem Bürgergeld die Menschen nicht dazu zu motivieren seien, eine Arbeit aufzunehmen. "Die Unterstellung von CDU und CSU zeigt ein abgründiges Menschenbild", sagte die SPD-Vorsitzende.

Die Unterstellung von CDU und CSU zeigt ein abgründiges Menschenbild.

Saskia Esken SPD-Vorsitzende

CDU: Bürgergeld als Geschenk für Faule?

Konkret geht es dabei um die Behauptung der CDU, das Bürgergeld stelle Arbeitslose finanziell besser als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Vollzeit. CSU-Chef Markus Söder sagte im ZDF, bestimmte Menschen in den unteren Einkommensgruppen würden "am Ende, wenn sie arbeiten, weniger haben, als wenn sie nicht arbeiten". Auf Twitter schrieb Söder, das Bürgergeld benachteilige hart arbeitende Menschen.

Die CDU/CSU erwarte von der Ampel-Regierung, "dass sie einen großen Schritt auf uns zugeht", wenn eine gemeinsame Lösung gefunden werden solle, sagte CDU-Chef Friedrich Merz auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Fulda.

Es gehe darum, Anreize für die schnelle Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu setzen. "Das muss auch mit Sanktionen begleitet werden", forderte er. Die Botschaft müsse sein, dass aus denen, die Sozialleistungen bekommen, so schnell wie möglich wieder Beschäftigte werden. Das Bundesverfassungsgericht habe einen engen Spielraum vorgegeben, dieser müsse aber ausgenutzt werden, forderte der CDU-Vorsitzende.

Scholz kritisiert CDU als abgehoben

Kanzler Olaf Scholz hat der Union und ihrem Parteichef Friedrich Merz Abgehobenheit in der Sozialpolitik vorgeworfen. Es habe die SPD nicht gewundert, dass sich die Union an der Entscheidung für einen höheren Mindestlohn nicht beteiligt habe.

"Aber dass die Union es nicht mal fertig gebracht hat, ein ganz klein wenig die Hand zu heben, als die Abstimmung im Bundestag darüber war und ihr zuzustimmen, das ist abgehoben und das ist hochnäsig", sagte Scholz beim Parteitag der Südwest-SPD in Friedrichshafen. "Und das hat mit "Leistung muss sich lohnen" überhaupt nichts zu tun", kritisierte der Kanzler.

Erneut Verhandlung über Bürgergeld im Bundesrat

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verhandelt am Mittwoch erneut über einen Kompromiss zum Bürgergeld. Zu den Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses sollen dann Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und der CDU-Bundestagsabgeordnete Hendrik Hoppenstedt gewählt werden.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Länderkammer am Freitag abschließend über das Bürgergeld-Gesetz beraten. Ob es zu einer Einigung kommt, ist noch unklar. Falls nicht, droht eine Verzögerung der für den 1. Januar geplanten Reform und damit auch der vorgesehenen Erhöhung der Regelsätze.

dpa/AFP (yvo)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 19. November 2022 | 14:00 Uhr

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