Europäische Union Mindestlohn könnte durch EU-Richtlinie auch in Deutschland weiter steigen

10. Juli 2023, 08:30 Uhr

Der Mindestlohn soll ab Januar bei 12,41 Euro liegen und 2025 dann bei 12,81 Euro. Zu wenig, beklagt vor allem die Arbeitnehmerseite. SPD-Kanzler Olaf Scholz will bei dem festgesetzten Tarif bleiben. Lars Klingbeil von der SPD meint aber, seine Partei wolle sich für mindestens 13,50 Euro stark machen – und verweist auf die EU-Mindestlohn-Richtlinie, die bis Herbst nächsten Jahres durchgesetzt werden soll.

Von 2,41 Euro in Bulgarien bis zu 13,80 in Luxemburg – so weit ist die Spanne derzeit in der Europäischen Union, was den Mindestlohn angeht. Aber egal, wie hoch er ist – in jedem Land geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Daher will die EU bis November die sogenannten Mindestlohn-Richtlinien durchsetzen. Die sollen das Verfahren bestimmen, mit dem künftig Mindestlöhne festgelegt werden sollen.

Das schreibt die EU-Mindestlohn-Richtlinie vor

Stephan Ueberbach, ARD-Korrespondent in Brüssel, erklärt: "Diese Richtlinie sagt nun: Jedes Land kann und muss für sich einen Mindestlohn festsetzen. Bei der Berechnung könnte zum Beispiel die Kaufkraft eine Rolle spielen oder was es so an Lohnerhöhungen gibt oder wie die Wirtschaftsleistung des jeweiligen Staates ist."

Die EU darf rein rechtlich keinen bestimmten Lohn festlegen. Dennoch gibt es mit der Richtlinie etwas, was vorher nicht so im Mindestlohngesetz stand, sagt Katja Nebe, Professorin für Arbeitsrecht an der Uni Halle: "In dieser Richtlinie steht, dass sich die Mitgliedstaaten in der Angemessenheit der Tariflöhne an Referenzwerten orientieren sollen. Und da soll man sich ungefähr an 60 Prozent des mittleren Durchschnittslohns oder 50 Prozent des allgemeinen rechnerischen Durchschnittslohns orientieren."

Mindestlohn in Deutschland könnte dadurch erneut steigen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht dadurch eine Erhöhung des Mindestlohns unabdingbar. Stefan Körzell, Mitglied im DBG Bundesvorstand, rechnet vor: "Das würde für Deutschland im Moment heißen, dass der Medianlohn bei 13,53 Euro liegen müsste, und der Medianlohn wird ja immer nachträglich betrachtet. Das heißt, wir gehen davon aus, dass er in den nächsten anderthalb bis zwei Jahren auf 14 Euro steigt."

Der Gewerkschaftsbund nutzt als Grundlage für die Einkommens-Berechnung bereits existierende Zahlen von 2023 und Prognosen für die kommenden Monate. Geschaut wird auf das mittlere Einkommen für Vollzeitbeschäftigte.

Wir gehen davon aus, dass der Mindestlohn in den nächsten anderthalb bis zwei Jahren auf 14 Euro steigt.

Stefan Körzell DGB

Unternehmerverband Sachsen kommt zu anderem Ergebnis

Der Unternehmerverband Sachsen rechnet anders. Er schaut auf das Durchschnitts-Einkommen vom Jahr 2022 und betrachtet alle Arbeitnehmer – also auch Teilzeit. Frank Bierkämper von Unternehmerverband Sachsen erklärt: "Nach unseren Erkenntnissen gibt es die letzten Zahlen des Statistischen Bundesamts – da betrug der Stundenlohn in Deutschland etwa vor einem Jahr 24,70. Und dann, nach den von der EU-Linie empfohlenen 50 Prozent, wäre das ein Mindestlohn von 12,39."

Diese Rechnung entspräche dem erst kürzlich empfohlenen Mindestlohn von 12,41 Euro pro Stunde. Welche Daten nun genau die Grundlage sein sollen, konnte keiner der Experten MDR AKTUELL sagen. Daher ist auch nicht sicher, ob es durch die EU-Mindestlohn-Richtlinie zu einer weiteren Erhöhung des Mindestlohns kommt oder nicht.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. Juli 2023 | 06:00 Uhr

22 Kommentare

ERWIN_1 am 11.07.2023

Bitte zitieren Sie richtig! Artikel 9 GG spricht von "Abreden" (privatrechtliche Vereinbarungen) nicht von rechtlicher Regulierung. Grundrechte werden regelmäßig von Gesetzen reguliert. Hier gilt das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, seit 55 Jahren. Sie dürfen ja auch nicht mit Ihrem Auto fahren wie Sie wollen, obwohl es Art.2 I GG gibt.

ERWIN_1 am 11.07.2023

Vielleicht überlegen Sie sich ein Unternehmenskonzept das wirtschaftlich ist! Bei der von Ihnen beschriebener Spanne können Sie auch bei einen Mindestlohn von 10 Euro nicht wirtschaftlich arbeiten!

ERWIN_1 am 11.07.2023

Fakt ist, ALG I wird generell prozentual vom letzten Einkommen im letzten Arbeitsjahr bestimmt. Fakt ist die Regelsätze fürs Bürgergeld für Erwachsene, innerhalb der letzten 12 Jahre, wachsen in immer geringer werden Sätzen. Während von 2011 zu 2012 es ein Anstieg von 10 € gab , ist innerhalb der letzten beiden Jahre der Regelsatz nur noch um 3 Euro /Jahr gestiegen (siehe Anlage zu Paragraph 28 SGB XII). In diesem Jahr ist der höchste Regelsatz (Bedarfsstufe 1) bei 502€.
Fakt ist das Arbeit sich lohnen muss! Fakt ist: Paragraph 1 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, fordert eine ausgeglichene, staatliche Regulierung. Keine extra Belohnung für rechtskonforme Entgeltzahlungen. Damit ist Ihre These das Firmen für faire Arbeit belohnt werden müssen, populistischer Lobbyismus. Im Sektor des niedrigen/staatlich alimentierten Einkommens wird jede Steigerung sofort verkonsumiert. Somit steigt die Kaufkraft bei jedem Anstieg des Einkommens in diesem Sektor.

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