Halle Attentat von Halle löst Bestürzung aus - Bundesstaatsanwaltschaft spricht von Rechtsextremismus

10. Oktober 2019, 11:34 Uhr

Nach den tödlichen Schüssen in Halle geht die Bundesanwaltschaft von einem rechtsextremistischen Hintergrund aus. Die Bunderegierung zeigte sich bestürzt über die Tat. Auch international sorgte der Vorfall für Empörung. UN-Generalsekretär Guterres sprach von einer "weiteren tragischen Demonstration von Antisemitismus".

Die Bundesanwaltschaft hat nach den tödlichen Schüssen in Halle die Ermittlungen übernommen. Wie die Behörde dem MDR sagte, gibt es Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat. Aus diesem Grund und aufgrund der besonderen Bedeutung des Falls habe sie den Fall an sich gezogen. Weitere Informationen gab die Behörde nicht und verwies auf eine Pressekonferenz am Donnerstag.

Seehofer kommt nach Halle

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte: "Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse müssen wir davon ausgehen, dass es sich zumindest um einen antisemitischen Angriff handelt." Seehofer kündigte an, am Donnerstag gemeinsam mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, nach Halle zu kommen. "Der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur ist heute ein schwarzer Tag", erklärte der Bundesinnenminister. Ein schwer bewaffneter Täter habe versucht, in eine Synagoge einzudringen, in der sich rund 80 Menschen aufhielten, ergänzte er.

Zentralrat der Juden erhebt Vorwürfe gegen Polizei

Schuster erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös. Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt." Wie durch ein Wunder sei nicht noch mehr Unheil geschehen. Die Brutalität des Angriffs übersteige alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre und sei für alle Juden in Deutschland ein tiefer Schock.

Merkel drückt Opfern Beileid aus

Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte den Angehörigen der Opfer von Halle ihr "tiefstes Beileid" aus. Die Kanzlerin nahm am Mittwochabend an einer Solidaritätsveranstaltung an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin teil. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte Merkels Besuch bei Twitter ein "Zeichen der Verbundenheit". Er fügte hinzu: "Wir müssen uns geschlossen jeder Form von Antisemitismus entgegenstellen." Bereits am Nachmittag hatte sich Merkel laut Seibert von Bundesinnenminister Horst Seehofer und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff "über die Lage nach dem Anschlag in Halle informieren lassen".

Bundesaußenminister Heiko Maas twitterte: "Dass am Versöhnungsfest Jom Kippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz."

Ähnlich äußerten sich FDP-Chef Christian Lindner und Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Auch AfD-Chefin Alice Weidel zeigte sich bestürzt. Sie hoffe, die Polizei fasse den oder die Täter schnell, ohne dass weitere Menschen zu Schaden kommen.

Grüne fordern Sondersitzung von Geheimdienstausschuss

Die Grünen forderten eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Der für die Geheimdienste zuständige Bundestagsausschuss müsse zum nächstmöglichen Zeitpunkt zusammentreten, sagte Fraktionsvizechef Konstantin von Notz der "Welt".  Das Gremium kontrolliert die Arbeit des Bundes im Bereich seiner Geheimdienste - des Bundesnachrichtendiensts, des Militärischen Abschirmdiensts und des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Guterres verurteilt Antisemitismus

Auch UN-Generalsekretär António Guterres hat die Tat scharf verurteilt. Guterres bewerte den Vorfall als "eine weitere tragische Demonstration von Antisemitismus", teilte ein UN-Sprecher am Mittwoch in New York mit. Den Familien der Opfer, der deutschen Regierung und den Menschen in Deutschland sprach Guterres sein "tiefstes Beileid" aus. Den Verletzten wünschte er eine rasche Genesung.

Grenell: Zehn US-Amerikaner in der Synagoge

Die US-Botschaft in Berlin erklärte: "Der heutige Anschlag war ein Angriff gegen uns alle, und die Täter müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden." Nach Angaben von Botschafter Richard Grenell waren in der Synagoge zum Zeitpunkt der tödlichen Schüsse auch zehn US-Bürger. "Alle sind sicher und unverletzt", schrieb Grenell auf Twitter.

Schweigeminute im Europaparlament

Das Europaparlament gedachte am Nachmittag mit einer Schweigeminute der Opfer von Halle. In Gedanken sei man bei Deutschland, der deutschen Polizei und bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, sagte Parlamentspräsident David Sassoli.

Katholiken und Protestanten erschüttert

Auch Kirchenvertreter äußerten ihre Erschütterung. Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige und der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, äußerten ihre Erschütterung. Der aus Halle stammende Feige nannte es "eine menschliche Katastrophe, dass Juden in Deutschland nicht in Frieden leben und den Versöhnungstag Jom Kippur feiern können". Kramer nannte die Tat "abscheulich und unerträglich".

Mutmaßlicher Angriff auf Synagoge - zwei Tote

Am Mittag waren im Paulusviertel der Saale-Stadt zwei Menschen erschossen worden. Nach Angaben der Jüdischen Gemeinde in Halle wollte ein Täter in die Synagoge eindringen. "Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen", sagte der Gemeinde-Vorsitzende Max Privorozki mehreren Zeitungen.

In dem jüdischen Gotteshaus befanden sich 70 bis 80 Menschen, um Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag, zu feiern. Bei den Todesopfern handelt es sich nach Angaben der Polizei um einen Mann und eine Frau. Der Mann sei in einem Dönerimbiss erschossen worden, die Frau in der Straße, in der sich auch die Synagoge befindet. Neben den beiden Toten gibt es auch zwei Schwerverletzte. Sie wurden am Nachmittag im Universitätsklinikum operiert und sind inzwischen außer Lebensgefahr.

Polizei geht von einem Täter aus

Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT sind sich die Ermittler inzwischen sicher, dass nur ein Täter an dem Angriff beteiligt war. Es soll sich um einen 27 Jahre alten Mann aus Sachsen-Anhalt handeln. Eine offizielle Bestätigung von der Generalbundesanwaltschaft gibt es aber noch nicht. Die Polizei hatte am Nachmittag von einer Festnahme berichtet. Zu der Zeit war noch von mehren Tätern die Rede gewesen. Zwei von ihnen, hieß es, seien in einem Auto geflüchtet. Aus dem einige Kilometer östlich liegenden Landsberg wurden Schüsse gemeldet.

Polizei warnt vor Spekulationen

Die Polizei hatte während der Fahndung eindringlich vor Spekulationen und Gerüchten gewarnt. Via Twitter dementierte sie zum Beispiel zwischenzeitliche Berichte, wonach sich ein Tatverdächtiger in Leipzig aufhalte. Auch Gerüchte über eine Geiselnahme in der Leipziger Südvorstadt wies sie zurück. Zudem bat sie, keine Fotos und Videos von Einsatzkräften, deren Ausrüstung oder Standorten via Social Media zu verbreiten.

Schutz jüdischer Einrichtungen

Wie die Polizeidirektion Magdeburg mitteilte, wurden alle jüdischen Einrichtungen in Sachsen-Anhalt von Polizeikräften aufgesucht. Die Personen wurden gebeten, die Räume zu verlassen. Das teilte eine Polizeisprecherin MDR SACHSEN-ANHALT mit. Auch außerhalb Sachsen-Anhalt ist in vielen Städten der Polizeischutz vor Synagogen verschärft worden, darunter in Leipzig, Dresden, Berlin und Frankfurt am Main.

Schweigeminute bei Lichtfest

Auf dem Lichtfest in Leipzig gedachten die Teilnehmer mit einer Schweigeminute der Opfer von Halle. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zu Solidarität mit den jüdischen Menschen in Deutschland auf. In Halle sei passiert, was in Deutschland unvorstellbar geschienen habe. Das Fest in Erinnerung an die entscheidende Montagsdemonstration von 1989 fand trotz der am Nachmittag noch unklaren Lage von Halle statt. Die Polizei hatte vor dem Beginn erklärt: "Das umfängliche Sicherheitskonzept ist auch auf Geschehnisse wie aktuell in Halle vorbereitet."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 09. Oktober 2019 | 14:00 Uhr

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