Wachstumschancengesetz Geplante Meldepflicht sorgt in der Wirtschaft für Bedenken

07. September 2023, 08:43 Uhr

Finanzminister Christian Lindner will mit dem Wachstumschancengesetz unter anderem mehr Steuerfairness schaffen. Unternehmen sollen zukünftig offenlegen müssen, welche Maßnahmen sie auch im Inland ergreifen, um Steuern einzusparen. Fachleute kritisieren Lindners Pläne teils heftig, weil dadurch ein bürokratischer Mehraufwand entstehe, der auf nicht staatliche Akteure abgewälzt werde.

Für Unternehmen gibt es viele Wege, auf legalem Wege Steuern zu sparen. Findige Steuerberater kennen die Möglichkeiten und kombinieren sie zu einem Modell, das dann Steuergestaltung heißt.

Dabei denken sie auch über die deutsche Grenze hinaus, wie ein Beispiel zeigt, das die Vizepräsidentin der Bundesrechtsanwaltskammer, Ulrike Paul, nennt: "Wenn man einen Hubschrauber kauft, dann ist der, glaube ich, auf der Isle of Man umsatzsteuerfrei, das heißt, ich würde dann einem Mandanten raten, den auf der Isle of Man zu kaufen, weil er dann neunzehn Prozent billiger ist und nicht in Deutschland."

Steuerschlupflöcher frühzeitig erkennen

Alles, was Aktivitäten im Ausland umfasst – der Kauf eines Hubschraubers, Teile der Produktion ins Ausland verlegen und noch viel komplexere Fälle – ist eine sogenannte grenzüberschreitende Steuergestaltung und damit innerhalb der EU meldepflichtig.

Florian Oppel, Fachanwalt für Steuerrecht, erklärt, welchen Zweck der Gesetzgeber damit verfolgt: "Er möchte gerne früh Steuerschlupflöcher erkennen oder erfahren, was so die marktüblichen Gestaltungen sind. Warum? Sonst sieht er das erst drei, vier oder fünf Jahre später bei Betriebsprüfungen und dann hat man schon fünf Jahre diese Gestaltung nutzen können."

Mit der Erkenntnis kann sich der Gesetzgeber dann unter anderem überlegen, ob er das Schlupfloch als Missbrauch einstuft und es schließt oder nicht: Im Katz- und Maus-Spiel wolle die Katze der Maus keinen Vorsprung mehr gewähren, sagt Oppel.

Deshalb sollen in Zukunft auch alle Modelle zur Steuergestaltung gemeldet werden, die sich nur im Inland abspielen. Zuständig sind die Steuerberater der Unternehmen.

Kritik: Ausweitung der Bürokratie

Das sieht die Vizepräsidentin der Bundesrechtsanwaltskammer aus mehreren Gründen kritisch: "Wenn das ganz konkrete Steuergestaltungen sind, dann kann das manchmal nur die eine oder andere Firma betreffen und dann wäre über diese Meldung schon das Mandatsgeheimnis ganz erheblich verletzt. Außerdem halten wir es für problematisch, dass nun eigentlich die Anwälte was machen sollen, das eigentlich staatliche Aufgabe ist."

Auch Hans-Jürgen Völz, der Chef-Volkswirt des Bundesverbands der Mittelständischen Wirtschaft äußert Kritik. Dass die Verwaltung Transparenz verlange, dagegen sei im Grunde nichts einzuwenden, aber: "Darin sehen wir eine unzulässige Ausweitung von Bürokratie, die Unternehmen in ihren Aktivitäten weiter einschränkt, ihnen zusätzliche Kosten aufbürdet und letztendlich jedem schadet."

Skurril sei auch der Mehraufwand, den die Finanzverwaltung selbst dadurch hätte, sagt Ulrike Paul von der Anwaltskammer. Denn selbst die grenzüberschreitenden Modelle, die bereits gemeldet werden müssen, würden bisher nicht bearbeitet.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. September 2023 | 06:18 Uhr

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