Studenten in einem Hörsaal
Studenten und Studentinnen in einem Hörsaal – immer weniger junge Menschen entscheiden sich für ein Studium oder eine Ausbildung, sondern steigen direkt in das Berufsleben ein. Bildrechte: IMAGO/Panama Pictures

Fachkräftemangel Kein Zugang zum Arbeitsmarkt: Drei Millionen junge Menschen ohne Berufsausbildung

08. April 2024, 08:03 Uhr

Fast drei Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hatten 2022 keinen Berufsabschluss – da immer mehr direkt ins Berufsleben einsteigen. In Zeiten des Fachmangels ist das ein Problem, denn es fehlen gut ausgebildete Fachkräfte. Aber auch für die Ungelernten selbst hat das langfristig negative Folgen.

MDR AKTUELL Autorin Kristin Kielon
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In Zeiten des Fachkräftemangels sind fast drei Millionen junge Menschen ohne formale Qualifikation ein gesamtwirtschaftliches Problem, sagt Brigitte Schels vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: "Aber natürlich für die Ungelernten selbst hat das auch enorme Konsequenzen, wenn wir daran denken, dass eben gerade eine Berufsausbildung in Deutschland eine der zentralen Voraussetzungen ist für Einkommenssicherheit, für Beschäftigungssicherheit. Wir sehen zum Beispiel, dass die Arbeitslosenquoten von den Ungelernten ungleich höher ist als von Personen, die einen Berufsabschluss haben."

Fehlende Ausbildung ist vor allem für Menschen ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss ein Problem

Trotzdem wählen Schulabgänger zunehmend den direkten Weg ins Berufsleben, beobachtet Dirk Werner vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft. "Es ist inzwischen auch so, dass durchaus viele einfach in den Job gehen, erstmal arbeiten, Geld verdienen wollen und auch manche Branchen gezielt damit werben, dass man eben auch Karriere machen kann ohne Berufsausbildung. Das ist sicher für den ersten Schritt mal eine gute Orientierung, ist dann aber auf Dauer nicht hilfreich, wenn der Berufsabschluss nicht nachgeholt wird."

Dieser Weg zum Berufsabschluss ist angesichts immer höherer Anforderungen im Berufsleben für eine Gruppe besonders schwierig, erklärt die stellvertretende Direktorin des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe, Corinna Kleinert. "Das betrifft nicht alle Jugendlichen gleichermaßen, sondern vor allem diejenigen ohne Schulabschluss und diejenigen mit Hauptschulabschluss. Die bleiben am häufigsten auf dem Ausbildungsmarkt auf der Strecke, denn die bringen nicht immer die Anforderungen mit, die Betriebe sich wünschen."

Wenn Ausbildungsbetriebe und junge Menschen nicht mehr zusammenfinden, hat das dramatische Folgen, meint der stellvertretende bildungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Holger Mann: "Wir haben ja gerade in Sachsen, aber in ganz Ostdeutschland im Besonderen, einen absoluten Fachkräftemangel auf Basis der Demografie. Und wenn dann auch noch Menschen fehlen, weil sie keinen Berufsabschluss haben und damit keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, dann verstärkt das das Problem und ist natürlich eine absolute Hypothek für die Wirtschaft und die Entwicklung bei uns."

Bemühungen der Bundesregierung nicht praxisnah genug

Die Bundesregierung hat das Problem durchaus erkannt. Das Bundesbildungsministerium hat bereits mehrere Initiativen angestoßen, um Schülerinnen und Schüler fitter für den Beruf und die Berufsausbildung attraktiver zu machen.

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, bewertet diese Bemühungen zwar positiv, mahnt aber an, dass Neuregelungen wie die für die Anerkennung und das Nachholen von Abschlüssen praxisnah sein müssen. "Dazu gibt es jetzt einen Gesetzentwurf des Ministeriums, der allerdings sehr viel Kritik von den Experten hervorgerufen hat, weil er zu kompliziert in der Anwendung sei."

Denn wenn ein Gesetz, das den richtigen Ansatz verfolge, in der Praxis nicht zu handhaben sei, so Jarzombek, dann werde es scheitern.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. April 2024 | 06:08 Uhr

99 Kommentare

Mediator vor 4 Wochen

Hallo Thomas,

Konkurrenzfähigkeit besteht aus vielen Faktoren.
Nur zwei davon sind:

1. Es muss einen Markt und Bedarf für Waren geben

2. Der Herstellungspreis sollte inkl. Gewinn unter dem Verkaufspreis liegen.

Die in den Westen verkauften DDR Produkte wurden häufig defizitär verkauft weil es hauptsächlich um den Erwerb knapper Devisen ging und nicht um wirtschaftlich vernünftiges Handeln. Das funktioniert auf Dauer ähnlich gut wie regelmäßig Dinge mit 50% Abschlag beim Pfandleiher zu versetzen. Zu DM Löhnen und in einem Staat in dem betriebliche Verluste nicht einfach im Staatshaushalt eingebettet wurden, hatte dieses Modell keine Chance mehr.

Wenn sie von angeblich konkurrenzfähigen DDR Betrieben sprechen dann sollten sie bedenken, dass da immer die gleichen wenigen Namen fallen. Diese 'Ausnahmen' sind aber eben nicht typisch gewesen.

Fehlende Automatisierung und Produktivität war der Grund dafür, dass jeder in der DDR einen Job hatte.

THOMAS H vor 4 Wochen

@greemel: In Bezug der Teilqualifikationen stellen sich mehrere Fragen, die hier beantwortet werden sollten, damit die Leserschaft Ihres Kommentars nicht erst selbst suchen muss:

Wo wird das angeboten?

Welche Ausbildungsberufe sind das?

Wie hoch ist die Kapazität und wie lange dauern ("... und die Leute haben so die Möglichkeit in ihrem Tempo einen Abschluss bzw. Teilabschluss zu erwerben.") diese Ausbildungen?

Wie hoch ist die Abbrecherquote der "lost"("Verlorenen-Planlosen-Überforderten-Unentschlossenen")-Beteiligten?

Wer finanziert das alles?

Sind auch die notwendigen Unternehmen finanziell mit daran beteiligt oder bekommen die noch Geld, damit sie sich an diesen Teilqualifikationsangeboten beteiligen?

greemel vor 4 Wochen

Das ist so ja nicht ganz richtig. Es gibt inzwischen Ausbildungen die einen Schulabschluss beinhalten! Also man dann nach Ende der Ausbildung automatisch den BBR oder MSA erhält. Wir haben aber auch viele Schulabgänger, die „lost“ sind, gar nicht wissen was sie machen wollen, Ausbildungen beginnen und wieder abbrechen… viele sind froh, endlich aus der Mühle der Schule raus zu sein und nicht mehr die Schulbank zu drücken, die vielleicht kognitiv nicht in der Lage sind, noch einmal 3 Jahre am Stück eine Lehr zu machen. Hier haben sich mehrere Bildungsträger und die Bertelsmann-Stiftung zusammengetan und die sogenannten Teilqualifikationen (TQs) ins Leben gerufen. Hier sind Ausbildungsberufe in kleine Häppchen aufgeteilt und die Leute haben so die Möglichkeit in ihrem Tempo einen Abschluss bzw. Teilabschluss zu erwerben. Wenn alle TQs eines Berufes abgeschlossen wurden, ist automatisch die Zugangsvoraussetzung für die Prüfung vor der IHK erworben und sie können dort die Prüfung ablegen.

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