Die Vietnamesinnen Oanh Nguyen (l) und Nhung Bui versorgen Übungspuppe Elvira im Schulungsraum der Arbeiterwohlfahrt Vogtland (AWO).
Die Zahl der Auszubildenen mit Migrationshintergrund steigt, Azubis kommen zum Beispiel aus dem Vietnam. Doch Anwerbungen aus dem Ausland werden den Fachkräftemangel nicht bewältigen. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Arbeitsmarkt Auszubildende aus dem Ausland können Fachkräftemangel allein nicht beheben

31. Juli 2024, 21:53 Uhr

Geflüchtete machen in Deutschland relativ selten eine Ausbildung. Trotzdem steigen die Zahlen der Azubis mit Migrationshintergrund wegen Anwerbungen aus dem Ausland. Doch um alle offenen Plätze zu füllen, müssten mehr Jugendliche in Deutschland eine Ausbildung beginnen.

Fitnessriegel, Kekse, Proteinpulver, Energy-Getränke – alles Produkte, die beim Unternehmen Anona vom Band rollen. Das Unternehmen entwickelt und produziert im sächsischen Colditz Fitness-, Sport- und Lifestyle-Nahrung mit 600 Mitarbeitern und 20 Auszubildenden. In diesem Jahr seien vier davon aus dem Ausland, sagt Mareike Hoffmann, die für den Bereich zuständig ist. In der IT-Abteilung lernt ein Ukrainer, in der Lebensmitteltechnik und der Maschinenführung fangen drei vietnamesische Auszubildende an.

Die drei Azubis seien über eine Vermittlungsfirma mit Sitz in Vietnam gekommen, mit der Anona seit etwa drei Jahren zusammenarbeite, sagt Hoffmann. Aus ihrer Sicht ein Erfolgsmodell: "Wir haben in diesem Jahr die ersten zwei auszubildenden Maschinen- und Anlagenführer durch die Abschlussprüfung bringen dürfen, mit sehr guten Ergebnissen." Sie fühlten sich wohl in Colditz. Auch im Unternehmen fühlten sie sich wohl, seien gut integriert und angekommen.

Zahl der Auszubildenden mit Migrationshintergrund steigt an

Eine Entwicklung, die sich bei den Industrie- und Handelskammern in Zahlen niederschlägt. Die IHK Erfurt wirbt aktuell in der Mongolei, in Kasachstan und Kirgisistan um Azubis, erzählt der Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Erfurt, Thomas Fahlbusch. Bisher sei es immer so gewesen, dass knapp zehn Prozent der Auszubildenden einen Migrationshintergrund hätten. "Diese Zahl scheint dieses Jahr mit den Neueintragungen schon nach oben zu gehen, also ungefähr jeder siebte Auszubildende hat einen Migrationshintergrund." Offene Ausbildungsstellen gab es bei der IHK Erfurt zwei Tage vor Beginn des Ausbildungsjahres trotzdem noch: etwa 400.

Für den Bezirk Chemnitz berichtet die Geschäftsführerin im Bereich Bildung, dass Ende Juni schon etwa hundert Ausbildungsverträge mit ausländischen Jugendlichen mehr als im Vorjahr abgeschlossen worden seien. Sie kämen vor allem aus Vietnam, Indien und Marokko.

Geflüchtete machen eher selten eine Ausbildung

Aber was ist eigentlich mit denen, die schon da sind – mit Geflüchteten? Für sie sei die Ausbildung eigentlich ein sehr wichtiger Weg der Integration, sagt Sekou Keita. Er leitet die Arbeitsgruppe Migration und Integration am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. "Allerdings sehen wir auch ein, dass diese Möglichkeit relativ selten wahrgenommen wird."

Das liege einerseits an fehlenden Informationen, sodass Geflüchtete meistens sehr wenig über den deutschen Arbeitsmarkt wüssten. "Und der Ausbildungsmarkt ist ja auch ein spezifisches deutsches Merkmal. Das gibt es in wenigen anderen Ländern."

Außerdem gebe es Unsicherheit bei den Betrieben – einmal über den Aufenthaltsstatus: Asylbewerber können abgeschoben werden, solange sie nicht anerkannt sind. Und zum anderen gebe es Unsicherheit über Art und Qualität eines ausländischen Abschlusses, sagt Keita.

Wunsch-Ausbildung oft nicht in der Nähe

Der Arbeitsmarktforscher sagt: Auch, wenn man die Geflüchteten und die Angeworbenen zusammennehme, werde es nie genug Azubis aus dem Ausland geben, um die Lücken in Deutschland zu schließen. Dafür müsse man noch andere inländische Potentiale heben und zum Beispiel die Mobilität der Jugendlichen verbessern. Denn oft gebe es ihre Wunsch-Ausbildung nicht in direkter Nähe.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 31. Juli 2024 | 06:21 Uhr

17 Kommentare

Deutscher_Patriot vor 35 Wochen

Genau! Man kann ja z.B. einen arbeitslosen Fliesenleger zur Hebamme oder zum Facharzt für Ortopädie, oder wenigstens zum Mathe und Physik Lehrer umschulen, um den Fachkräftemangel zu beheben.

Also, wenn man das richtig angeht, hätten wir z.B. 2,8 Millionen Lehrer vorhanden - wir müssten die Arbeitslosen nur zu Lehrern umschulen.
Ganz einfache Sache!

MDR-Team vor 35 Wochen

Hallo,
an keiner Stelle wird behauptet dass die Herkunft die Fachkräfte "besser oder schlechter" macht - doch es wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Zuzug aus dem Ausland eine Säule sein kann, um de Fachkräftemangel hierzulande entgegenzuwirken. Wie der Artikel beschreibt: nicht ausschließlich und dazu müssen auch die Gegebenheiten stimmen.
Liebe Grüße aus der MDR.de-Redaktion

Spezies8472 vor 35 Wochen

Bevor man Zuwanderen die Sprache, Kultur und in unsere Kultur und Staat integriert hat, wird viel Zeit vergeh3n und es wird viel Geld kosten. Sehr viele fühlen sich in diesem Land ausgebürgert und im Stich gelassen. Weiterbildu gen werden nicht finanziert und mit bürokratischen Hürden versehen. Sanktionen , Stigmatisierung und Druck sind auch wenig motivierend. Es gäbe bessere Möglichkeiten. Fachkräfte sich nicht deswegen besser, weil sie aus dem Ausland kommen.

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