Energieversorgung Energie-Experte sieht viele offene Fragen bei Kraftwerksstrategie

06. Februar 2024, 12:34 Uhr

Der Bochumer Energie-Ökonom Andreas Löschel sieht noch viele offene Fragen bei der neuen Kraftwerksstrategie der Bundesregierung. Er sagte MDR AKTUELL, mit dem Kohle-Ausstieg würde mehr Leistung wegfallen als kompensiert werden könne. Fraglich bleibe auch, wo eigentlich der Wasserstoff herkomme.

Der Bochumer Energieökonom Andreas Löschel hält die neue Kraftwerksstrategie der Bundesregierung für sehr ambitioniert. Er sagte MDR AKTUELL, man habe die Herausforderung, dass mit dem Kohleausstieg mehr als 30 Gigawatt der regelbaren Leistung wegfalle – die Leistung, die einspringen könne, wenn Sonne und Wind nicht da sind. Augenblicklich rede man über einen Umfang in diesen Paketen von ungefähr 10 Gigawatt. Man müsse nun mal sehen, was entwickele sich bei den Erzeugungskapazitäten. Wie schnell könnten Batterien, Speicher und Nachfrageflexibilisierung kommen. Das könne nicht nur staatlich unterstützt werden, da brauche es starke Marktsignale. "Und das könnten wir heute noch nicht abschätzen."

Bau der Kraftwerke braucht Zeit

Der Umweltökonom Andreas Löschel, aufgenommen am 15.04.2011 in seinem Büro im Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
Umweltökonom Andreas Löschel hat Zweifel an Umsetzung der Strategie. Bildrechte: picture alliance / dpa | Marius Becker

Löschel betonte, die Unternehmen würden schon mitmachen. Das sei eine Entwicklung, die sich schon lange abzeichne. Viele Unternehmen würden schon in den Startlöchern stehen. Jetzt gehe es erst mal darum, die Details zu klären. Die Kraftwerke würden nicht so schnell verfügbar sein. Denn es brauche Zeit, diese zu bauen und einen Kapazitätsmarkt zu entwickeln, der eben auch komplex sei. Ein Beispiel sei Belgien. Da habe man bereits einen solchen Kapazitätsmarkt eingeführt. Bis man dort die Details habe klären können, habe man sieben Jahre gebraucht. Deutschland wolle das in vier Jahren hinbekommen.

Eine weitere Schwierigkeit seien die verschiedenen Technologien. In der Umsetzung sei beispielsweise die Technologieoffenheit ganz schön schwierig. Für Deutschland sei es auch ganz zentral, wo diese Kraftwerke eigentlich gebaut werden würden. Auch da müsse man hinschauen, wo bekomme man die an die richtige Stelle. All das sei ungeklärt, ebenso die Frage, wo der Wasserstoff herkommen solle.

Gelände Gaskraftwerk von Trianel in Hamm
Gaskraftwerk von Trianel in Hamm. Bildrechte: IMAGO / Cord

Die Chancen für eine EU-Zustimmung unter Beachtung der europäischen Rahmenbedingungen würden aber gut stehen, schätzt Löschel ein. Allerdings müsse man hier neu verhandeln. Das werde klappen, aber auch Zeit brauchen. Man habe, um eine erste Einigung für die Einführung zu schaffen, bereits lange gebraucht.

Fraglich sei auch, über welchen Wasserstoff man spreche. Über einen Wasserstoff, der durch die Elektrolyse mit erneuerbarem Strom entstehe und so keinen CO2-Fußabdruck habe. Oder sei es erlaubt, dass man auch blauen Wasserstoff benutzen könne, der aus fossilem Gas hergestellt werde. Dann müsse das CO2 abgeschieden und irgendwohin verbracht werden. Das sei dann das sogenannte CCS und die Frage sei, was darf man und was darf man nicht.

Grüne kündigen Widerstand gegen Teile von Kraftwerksstrategie an

Die Strategie der Regierung zum Bau neuer Erdgas-Kraftwerke trifft bei den Grünen im Bundestag auf Widerstand. Klima-Expertin Lisa Badum sprach sich gegen die in der Strategie genannte Option für eine Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) bei Erdgas-Kraftwerken aus. "CCS macht die Energieerzeugung teurer und ineffizienter", sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters. "Deswegen haben wir als Fraktion erst im Dezember beschlossen, dass die Energiewirtschaft kein Anwendungsgebiet für CCS ist." In diesem Sinne werde sie sich auch mit Blick auf die angekündigte Carbon Management Strategie im Bundestag einsetzen.

In der am Montag vorgestellten Kraftwerksstrategie der Regierung, für die Wirtschaftsminister Robert Habeck federführend zuständig ist, heißt es: "Zudem wird die CO2-Abscheidung und -speicherung für Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern im Rahmen der Carbon Management Strategie aufgegriffen."

Stromerzeuger begrüßen Eckpunkte für Kraftwerksstrategie

Stromerzeuger haben bereits die Vorlage von Eckpunkten einer Kraftwerksstrategie durch den Bund begrüßt. Der Energiekonzern RWE bekräftigte sein Interesse am Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke. RWE plane, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen, erklärte das Unternehmen am Montag. Wichtig seien jedoch die Details und dass die Ausschreibungen so schnell wie möglich erfolgten. RWE will nach früheren Angaben bis 2030 in Deutschland vor allem an eigenen Kohlekraftwerksstandorten mindestens drei Gigawatt Kapazität errichten.

Flaggen wehen vor der Konzernzentrale vom Energiekonzern RWE vor Beginn der Bilanzpressekonferenz.
Flaggen wehen vor der Konzernzentrale vom Energiekonzern RWE. Bildrechte: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Der in Cottbus ansässige Energiekonzern Leag kündigte an, die Auswirkungen auf die Möglichkeit von Investitionen zu analysieren. Es sei für die Zukunft des Unternehmens von großer Bedeutung, dass die Strategie sowohl die klimapolitischen Ziele sowie die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der mitteldeutschen Braunkohlereviere berücksichtige, teilte das Unternehmen mit. Gefordert werde die Errichtung wasserstofffähiger Gaskraftwerke an Standorten mit vorhandener Infrastruktur sowie "eine faire Verteilung der Standorte ohne Bevorzugung bestimmter Regionen". Dadurch könne die vorhandene Kraftwerks- und Netzinfrastruktur effizient weitergenutzt werden.

Auch der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper will Gaskraftwerke bauen, die später mit Wasserstoff laufen können. "Wir gehen aktuell davon aus, dass Uniper einen Teil der neuen Kapazitäten für Deutschland bauen wird", erklärte Uniper-Chef Michael Lewis. Im Januar hatte Lewis gesagt, dass Uniper die Absicht habe, drei bis vier Gigawatt zu errichten.

Ein Sprecher des Energiekonzerns Steag sprach anlässlich der Eckpunkte von einem wichtigen Schritt. Allerdings stehe die beihilferechtliche Absprache mit der EU ebenso aus wie eine Konsultation einer breiteren Öffentlichkeit. Die Steag-Tochter Iqony will ihre Kraftwerksstandorte für den Neubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke nutzen. Nach früheren Angaben kann das Unternehmen "relativ schnell" an drei Standorten neue Kapazitäten mit einer Leistung von insgesamt rund zwei Gigawatt realisieren.

Bundesregierung will wasserstofffähige Gaskraftwerke bauen

Solaranlagen
Solaranlagen könne nur bei Sonne ausreichend Strom erzeugen. Bildrechte: imago/photothek

Die Bundesregierung hatte sich am Montag auf eine Strategie zum Bau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke in Deutschland geeinigt. Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner vereinbarten den Angaben zufolge wesentliche Elemente einer Kraftwerksstrategie sowie vereinbarten Festlegungen zu weiteren Vorhaben. Die Regierung will den Bau von Gaskraftwerken fördern, die die wachsenden, aber schwankenden Mengen an Solar- und Windstrom ausgleichen sollen. Über die Jahre sollen die Anlagen dann auf Wasserstoff umgestellt werden. Die Grünen wollen, dass der Stromsektor ab 2035 kein CO2 mehr ausstößt.

dpa,Reuters, MDR AKTUELL (das)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. Februar 2024 | 08:48 Uhr

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