Porträts von den beiden Kunden vorher und nachher. Porträt Inhaber. Fotos von den Kunden in Arbeit (Melanie Lauer mit Jo West und Manuel Thomas mit Andrea Hoffmann). Die Azubi Viviane putzt Sessel und spült Andrea Hoffmann die Farbe raus. Details aus dem Laden
Kleinunternehmer wie Frisör- und Kosmetiksalons hat die Energiekrise besonders hart getroffen. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

ifo-Umfrage Energiekrise: Kleinunternehmer blicken pessimistisch in die Zukunft

20. Juni 2023, 05:00 Uhr

Jeden Monat veröffentlicht das ifo-Institut ein Stimmungsbild aus der Wirtschaft. Wie schätzen Unternehmer ihre Lage ein? Was erwarten sie für die Zukunft? Die letzten Umfragen klangen verhalten optimistisch. Die Stimmung der Wirtschaft insgesamt hellte sich auf. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Bei den Klein- und Soloselbständigen ist die Stimmung nach wie vor im Keller. Schlimmer noch: Sie sackt weiter ab. Woran liegt das?

Es ist noch früh am Morgen. Beate Hertes öffnet den Personaleingang ihres Kosmetiksalons im Leipziger Süden. Kunden sind noch keine da. Dafür hat sie Zeit zum Reden. Hertes hat in den vergangenen Jahren alle Höhen und Tiefen des Unternehmer-Seins mitgemacht. Während Corona war ihr Salon zwangsweise geschlossen. Danach ging es wieder aufwärts.

Energiekrise hat Kleinunternehmer hart getroffen

Doch das Hochgefühl ist schon wieder verschwunden: "Seit Oktober, seit diese Energiekrise kam, war es für uns sehr schwer. Die Inflation hat uns sehr zu schaffen gemacht. Wir haben wirklich enorme Umsatzrückgänge gehabt. Ich habe mindestens vier Monate keinen Unternehmerlohn bekommen, im Gegenteil: Ich habe aus meinen privaten Altersrücklagen Geld in den Betrieb legen müssen, damit es hier weitergeht."

Vielen Kleinunternehmern geht es ähnlich. Eine Mehrheit beurteilt die aktuelle Lage negativ. Das geht aus Stimmungsbildern des ifo-Instituts hervor. Interessant ist, dass die Kleinunternehmer deutlich pessimistischer in die Zukunft blicken als die Gesamtwirtschaft, die noch immer verhalten zuversichtlich ist.

Den Präsidenten des Unternehmerverbands Sachsen, Dietrich Enk, überrascht der Unterschied nicht. Er beschreibt die Lage der Kleinunternehmer so: "Extrem verängstigt
– ich gebrauche das Wort ganz bewusst so – und unsicher. Die Unsicherheit rührt aus unkalkulierbaren politischen Entscheidungen und Richtungsänderungen, die zu den allgemeinen Problemen der Demografie und dem Thema Fachkräfte und Energie noch obendrauf kommen."

Gesichtsbehandlung in einem Kosmetiksalon, 2006 4 min
Bildrechte: picture-alliance/ dpa | Heiko Wolfraum

Offener Brief an sächsische Politikerinnen und Politiker

Der Unternehmerverband hat einen offenen Brief an sächsische Politiker geschrieben. Es sind Zeilen voller Frustration. Sie zeigen, dass sich viele Selbständige unverstanden fühlen. Von fehlender politischer Rückendeckung ist die Rede, von mangelnder Wertschätzung. Sachsen gönne sich einen Beauftragten für Großansiedlungen. Einen Mittelstandsbeauftragten vermisse man hingegen sehr. "Wir haben hier ein strukturelles Defizit im Zusammenspiel zwischen Bürokratie, Verwaltung und Unternehmerinnen und Unternehmern und Leuten, die etwas auf die Beine stellen wollen. Die werden ganz vorne abgeholt bei der Entmutigung."

Ein Großteil des sächsischen Wohlstands werde von kleinen und mittleren Unternehmen geschaffen, argumentiert Enk. Doch in der wirtschaftspolitischen Debatte gehe es vorwiegend um Milliarden für Chip-Konzerne. Nach konkreten Lösungen gefragt, bleibt der Verbandspräsident allerdings vage.

ifo-Experte: Kleinunternehmen bekommen Krisen besonders zu spüren

Aus Sicht von Stefan Sauer vom ifo-Institut hat es auch strukturelle Gründe, dass der Frust bei den Kleinselbständigen so tief sitzt. "Die großen Unternehmen haben oftmals noch ganz andere Möglichkeiten, mit Problemen umzugehen als kleinere Unternehmen, um auch mal schlechtere Phasen zu überbrücken. Das hat man unter anderem während der Coronakrise gesehen, als kleinere Unternehmen deutlich stärker beeinträchtigt waren. Zum Beispiel auch beim Fachkräftemangel, den die komplette Wirtschaft zurzeit spürt, haben die großen Unternehmen ganz andere Möglichkeiten, um gutes Personal zu werben."

Beate Hertes hat trotz schwieriger Lage wieder eine Auszubildende. Und die Kosmetikerin aus Leipzig hat gefeiert. Krise hin, Krise her. Ihr Salon hatte Geburtstag. Und mit einer kleinen Party lassen sich vielleicht auch wieder Kunden gewinnen. Es muss ja weitergehen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Juni 2023 | 06:00 Uhr

32 Kommentare

Invictus vor 47 Wochen

Die Argumentationen einige Kommentatoren und auch des MDR-Teams sind unmöglich. Ich spreche hier von staatlichen Subventionen in einem Maße, die sich auch jeder Bürger oder Kleinunternehmer wünschen würde, Denn bestimmte Grosskonzerne sollen nur 6 Cent die Kilowattstunde zahlen. Und dann kommt man mit hier mit der "Strompreisbremse" für den normalen Bürger, die bei 40 Cent liegt ? Und berichtet mich der Lüge ? Hallo ? Wo bin ich denn hier gelandet ? Will man hier bewußt die Realität ausblenden ? Deutschland hat die höchsten Energiekosten , einige sagen weltweit. Belastet grösstenteils durch Steuern und Abgaben der Regierung !

Invictus vor 47 Wochen

Mit Verlaub, das sehe ich total anders. Aber über ihre Argumentation wunder ich mich nunmal gar nicht mehr. PS: Ich bin persönlich durch die Strompreisbremse nicht begünstigt. Und wenn man mir als Endverbraucher erst etliche Steuern auf Energie draufknallt , um sie später ein wenig abzusenken, werde ich garantiert nicht von dieser Bundesregierung subventioniert.

ElBuffo vor 47 Wochen

Wenn man nur 5 Cent bezahlt ist der Anreiz sparsam damit umzugehen möglicherweise ein ganz anderer als bei 65 Cent. Und wenn bei strahlendem Sonnenschein der Strom vielleicht gerade besonders günstig ist, kann eben auch die Tür offen bleiben.

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