Chemiepark Leuna
In Leuna sollen bald Chemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Strukturwandel in Mitteldeutschland Firmen suchen den Weg zu einer nachhaltigen Chemie

14. November 2022, 15:22 Uhr

Auf dem Klimagipfel in Scharm el-Scheich wird gerade diskutiert, wie fossile Rohstoffe möglichst schnell ersetzt werden können – auch in der Chemieproduktion. In Mitteldeutschland arbeiten bereits viele Chemieparks intensiv daran, Kohle, Erdöl und Gas zu ersetzen und nachhaltiger zu werden.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Minarett. Ein schlanker Turm inmitten einer Baustelle im Chemiepark Leuna. Michael Duetsch lächelt über den Vergleich. Der Geschäftsführer von UPM läuft in orangener Schutzweste an Kränen vorbei und erzählt, der Turm sei eine neue Destillationskolonne. Darin sollen Chemikalien aus einem nachwachsenden Rohstoff gewonnen werden: "Die Idee ist, dass wir Chemikalien herstellen aus Holz, aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern hier aus der Region. Die beiden Hauptprodukte sind das Monoethylen-Glycol, das beispielsweise in Polyestern und in Textilien eingesetzt wird. Das andere ist ein festes Produkt, ein Füllstoff. Da ersetzen wir Industrie-Ruß in Gummiprodukten."

Die neue Fabrik soll Ende nächsten Jahres fertig sein. Es ist die größte Baustelle Mitteldeutschlands für nachhaltige Chemie. Aber es ist nicht die Einzige. In allen Chemieparks wird an Konzepten gearbeitet, wie man Erdöl, Erdgas oder Kohle als Rohstoff ersetzen kann.

Viele Projekte in Mitteldeutschland gestartet

Christine Rasche begleitet viele Projekte als Koordinatorin am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse in Leuna: "Ein Projekt nennt sich Made for Fragrances. Da geht es darum, einen neuen Basisstoff für die Parfümindustrie zu entwickeln auf Basis von Madenfett. Klingt vielleicht erstmal nicht total ansehnlich, aber es ist etwas Biobasiertes. Und es ist tatsächlich nicht leicht, die Fettsäuren, die man normalerweise aus der Petrochemie nimmt, zu ersetzen. Da braucht man eine ganz bestimmte Kettenlänge."

Andere Projekte suchten nach ökologischen Weichmachern, erforschten Harze oder erprobten Schmiermittel aus Algen. Doch bis die komplette Chemie "bio" ist, dauere es noch, sagt Rasche: "Es gibt unheimlich viel schon in der Schublade von den ganzen Forschungsinstitutionen und auch von den Firmen. Aber – und jetzt die schlechte Nachricht – aus meiner Erfahrung: Selbst wenn es schon Prozesse im Labor gibt, die gut entwickelt sind, kann man von der Idee zu einem Prozess im kommerziellen Maßstab um die zehn Jahre dann veranschlagen."

Grüner Wasserstoff wird bald in Leuna hergestellt

Wie viel Zeit manche Ideen benötigen, zeigt das Beispiel vom grünen Wasserstoff. Dass man das reaktionsfreudige Gas aus Wasser gewinnen kann, per Elektrolyse mit Ökostrom, ist seit Jahrzehnten bekannt. Doch jetzt erst baut Linde in Leuna einen Groß-Elektrolyseur für grünen Wasserstoff.

Projektleiter ist Andreas Wolf: "Das ist der weltweit größte Elektrolyseur seiner Art. Aktuell befinden wir uns in der Inbetriebnahme-Phase. Der Elektrolyseur kann circa 10 Tonnen Wasserstoff am Tag produzieren. Um sich das besser vorzustellen: Das ist ungefähr die Menge, die benötigt wird, um 600 Brennstoffzellenbusse betanken zu können." Linde will den Wasserstoff an die Chemieindustrie verkaufen – als nachhaltige Alternative zum Wasserstoff aus Erdgas. Ob das funktioniert? Bei vielen Projekten ist unklar, wie und wann sie sich rechnen.

Die Produktion chemischer Grundstoffe aus Holz werde sich aber lohnen, resümiert Michael Duetsch von UPM: "Wir investieren hier 750 Millionen Euro. Also das wird klappen und das muss klappen. Da sind wir uns sehr sicher, dass das funktioniert." Duetsch blickt über seine Baustelle. Kräne drehen sich. Bald will er hier jährlich 220.000 Tonnen Laubholz zu Chemieprodukten machen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. November 2022 | 06:00 Uhr

25 Kommentare

nasowasaberauch am 15.11.2022

Ein Interview auf ntv mit einem Vertreter der Chemieindustrie weckt keine guten Erwartungen. Die hohen Energiepreise werden einerseits dafür sorgen, dass bestimmte Produkte nicht mehr produziert werden oder sogar Industrie abwandert. Alle Träumereien über die Wasserstofferzeugung vernachlässigen den Preis bei 40...80 kWh Strom/1kg H² und den Bedarf der Industie. Die Erneuerbaren sind fluktuative Energieerzeuger, dh. nicht ständig verfügbar und Speicher nicht in entsprechender Kapazität vorhanden. Die Kleinverbraucher sollen doch letztendlich auch von den über Jahre gezahlten Umlagen für die Erneuerbaren und den hohen Netzentgelten profitieren, weil eine Energiewende muss akzeptiert werden, also sich auch für sie lohnen. Das gefeierte Flüssiggas Terminal macht ein Stück unabhängig, aber ohne russisches Gas steht eine teilweise Deindustrialisierung vor der Tür.

Erna am 15.11.2022

Nicht die Chinesen subventionieren dies sondern WIR indem wir ihnen das ganze abkaufen! Ohne Subventionen ist und wird das Ganze nie konkurrenzfähig sein und - wie bereits erfolgt - wandert das produzierende Gewerbe aus Deutschland ab.

ElBuffo am 15.11.2022

Wie können das die Chinesen herstellen, wenn es im Großmaßstab gar nicht konkurrenzfähig möglich ist? Auch die Kommunisten werden das nicht dauerhaft subventionieren wollen.
Wie viele andere Hersteller wird Linde diesen Strom einkaufen. Ist doch auch prima für die Kunden des restlichen Stroms, wenn da ein Nachfrager weniger unterwegs ist.

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