Drei Menschen stehen auf einer kleinen Straße vor einem Berg
Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Bürgerinitiative gegen Mülldeponie in Roitzsch 14 Jahre Engagement, aber keine Ergebnisse: Resignation in Roitzsch

27. Februar 2024, 10:46 Uhr

In Roitzsch bei Sandersdorf-Brehna wehrt sich eine Bürgerinitiative seit 14 Jahren gegen eine Mülldeponie. Ohne große Ergebnisse: Die Deponie wächst und soll möglicherweise sogar erweitert werden. Das sorgt für Frust bei den Engagierten in Roitzsch.

Öfter als dreißig Mal war Thomas Rausch schon im Landtag Sachsen-Anhalts, sagt er. Er ist kein Politiker und arbeitet dort auch nicht in der Kantine – Thomas Rausch engagiert sich in seinem Heimatort Roitzsch bei Sandersdorf-Brehna in einer Bürgerinitiative. Seit 14 Jahren kämpft die "Pro Roitzsch" gegen die Mülldeponie in Roitzsch – gesprochen ohne i. Bisher mit eher mäßigem Erfolg: Die Deponie wächst und wächst und soll sogar noch um zwei weitere Deponien erweitert werden.

Am fehlenden Engagement der Bürgerinitiative liegt das nicht. Im Landtag, so Rausch, seien sie mittlerweile bekannt "wie ein zänkisches gallisches Dorf": "Dort sagt mittlerweile keiner mehr Roitzsch mit i, sondern alle sprechen es richtig aus. Das war am Anfang noch nicht so." Ein kleiner Trost für die Bürgerinitiative, die von ihren Zielen, die bestehende Deponie zu schließen und keine neuen zuzulassen, weit entfernt ist.

Zwischen Bäumen führt ein Weg entlang, dahinter sind ein Berg und Bäume
Aktuell sind bei der Deponie in Roitzsch (rechts zwischen den Bäumen) Erweiterungen beantragt. Für sie müsste der Wald links von der Deponie entfernt werden. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Politischer Prozess stagniert

Gemeinsam mit der Bürgerinitiative engagiert sich auch die Stadt Sandersdorf-Brehna, zu der Roitzsch gehört, gegen die Deponien. Seit 2021 ist in Sandersdorf-Brehna die parteilose Steffi Syska Bürgermeisterin. Die 41-Jährige sagt: "Das ist natürlich wirklich frustrierend. Wir haben viel Geld investiert in Gutachter, in Rechtsanwälte und so richtig ist kein Vorankommen." Der Prozess stagniere und man spüre, dass auch die Entscheider langsam resignierten.

Eine Frau steht vor Bäumen und schaut in die Kamera
Steffi Syska ist seit 2021 Bürgermeisterin in Sandersdorf-Brehna. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Das ist wirklich frustrierend.

Steffi Syska Bürgermeisterin von Sandersdorf-Brehna (parteilos)

2015 nahm die Deponie DK II der Firma GP Papenburg Entsorgung Ost GmbH trotz großem Protestes aus der Bevölkerung ihren Regelbetrieb auf. Auf 25 Hektar werden dort mineralische Abfälle wie zum Beispiel Holz, Dämmstoffe oder Metalle entsorgt und verwertet. Das alles auf dem Boden des ehemaligen Tagebaus Freiheit III, also auf nicht verdichtetem Gelände. Das berge die Gefahr von Setzungen, erklärt Rausch: "Und die sind größer, als wenn die Deponie irgendwo auf einer anderen Fläche wäre."  

Der CDU-Politiker Lars-Jörn Zimmer – Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Bitterfeld-Wolfen – erklärt dazu nach der Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Februar, bei der die Deponie in Roitzsch Thema war: "Bis 2006 war es nicht möglich, eine Deponie auf einem Alt-Bergbaugelände zu errichten, seitdem ist es möglich und deswegen sind wir hier ein Stück weit in der Kalamität." In der Kalamität, das bedeutet: Roitzsch ist hier in einer misslichen Lage.

Entscheidung über Erweiterungen liegt beim Landkreis

Die Entscheidung, ob die Deponie DK II zukünftig um DK 0 und DK I erweitert werden soll, liegt beim Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Den ersten Antrag für die Erweiterung hatte das Unternehmen Papenburg 2016 gestellt. Bis heute fehlen allerdings noch Unterlagen für den Antrag, wie eine Vertreterin des Landesumweltamtes im Wirtschaftsausschuss im Februar bestätigte.

Zwei Männer stehen in einem Raum, in dem auch andere Menschen sitzen, und unterhalten sich
Thomas Rausch von der Bürgerinitiative Pro Roitzsch (stehend rechts im Bild im Gespräch mit Abgeordneten Lars-Jörn Zimmer) war bei der Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Landtag eingeladen. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Das Unternehmen Papenburg hat auf eine Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT nicht geantwortet – wie auch auf viele Anfragen in der Berichterstattung der vergangenen Jahre.

Sorge gilt dem Grundwasser

Die größten Sorgen der Bürgerinitiative gelten dem Grundwasser. Zum einen geht es um die Sicherheit einer Siedlung in Roitzsch. Die Siedlung liegt direkt zwischen der Deponie und der Roitzscher Grube, einem Badesee. Schon jetzt müssen die Eigentümer der Siedlung nach eigenen Angaben ganzjährig dafür sorgen, dass Wasser abgepumpt werden kann, damit der Grundwasserspiegel konstant bei 72 Meter über Normalnull bleibt. Ein höherer Wasserstand würde die Standfestigkeit der Grubenböschung gefährden. Mögliche Setzungen durch die Deponie, so die Befürchtung, könnten das Grundwasser steigen lassen.

Zum anderen sieht die Bürgerinitiative die Gefahr, dass das Grundwasser mit Schadstoffen belastet wird. Auf der Deponie werden auch Stoffe wie Asbest gelagert – ein verantwortungsvoller Umgang ist also wichtig. Ein von der Stadt Sandersdorf-Brehna in Auftrag gegebenes Gutachten stellte eine Gefährdung des Grundwassers durch die Deponie fest und sieht zudem Mängel im Planfeststellungsverfahren der Deponie. Ein vom Landkreis veröffentlichtes Gutachten wertet das anders.

Ein älterer Mann steht vor Bäumen und schaut in die Kamera
Thomas Rausch hat zu DDR-Zeiten in der polytechnischen Bildung gearbeitet. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Wir haben jetzt mehr Fragen als Antworten.

Thomas Rausch Vorsitzender der Bürgerinitiative "Pro Roitzsch"

Ein drittes, vom Landesumweltministerium 2022 beauftragtes Gutachten sollte im neuen Jahr 2024 Licht ins Dunkel bringen und klären, wie es mit der schon vorhandenen Deponie DK II und den geplanten DK 0 und DK I weitergehen kann. Doch das nun fertige dritte Gutachten hatte nicht den gewünschten Effekt – zumindest nicht für Thomas Rausch von der Bürgerinitiative: "Wir haben jetzt mehr Fragen als Antworten", sagt er.

Die Fragen der Bürgerinitiative muss das Landesumweltministerium nun bis Anfang März beantworten. Im März soll es dann eine gemeinsame Sitzung des Umwelt- und Wirtschaftsausschusses zum Thema der Deponien in Roitzsch geben. "Das wird für uns noch eine – vielleicht auch die letzte – Chance, uns noch einmal Gehör zu schaffen", sagt Steffi Syska.

Eine Entscheidung für die Ewigkeit

Während auf der Deponie DK II immer mehr Abfälle entsorgt werden, geht der politische Entscheidungsprozess nur langsam voran. Laut Lars-Jörn Zimmer hängt das auch damit zusammen, wie wichtig es im Falle von Roitzsch ist, keine falsche Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung über die Deponien in Roitzsch ist laut Zimmer eine, die Auswirkungen auf viele nachfolgende Generationen haben wird. Der Abgeordnete nennt es eine "Ewigkeitsaufgabe".

Ein Mann steht in einem Raum und schaut in die Kamera.
Lars-Jörn Zimmer war gemeinsam mit anderen Abgeordneten auch bei einem Runden Tisch der Bürgerinitiative Pro Roitzsch Anfang Februar eingeladen. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Es ist eine mehr als lebenslängliche Entscheidung, sozusagen eine Ewigkeitsaufgabe.

Lars-Jörn Zimmer (CDU) Landtagsabgeordneter

Sollte der Deponiefuß im Wasser stehen, so Zimmer, müssten mit öffentlichen Geldern Brunnen betrieben werden, die das Grundwasser vor den möglicherweise giftigen Stoffen schützen, die aus der Deponie austreten können. "Wir können natürlich nicht die Allgemeinheit für Versicherungsmaßnahmen bezahlen lassen, ohne im Vorfeld alles Menschenmögliche getan zu haben, dass das nicht eintritt", ergänzt Zimmer.

Drei Menschen stehen auf einer kleinen Straße vor einem Berg
Steffi Syska, Thomas Rausch und Ortsbürgermeister Mario Willer in Roitzsch vor der Deponie im Gespräch. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Hoffnung im Kampf gegen Erweiterungen der Deponie

Thomas Rausch von der Bürgerinitiative in Roitzsch fällt es schwer, optimistisch auf die Zukunft der Deponie zu blicken. Weitere konkurrierende Gutachten seien keine Lösung, sagt er: "Der Vertreter vom Landesamt für Geologie und Bergbau hat es im Wirtschaftsausschuss bestätigt: Egal, wie viele Gutachten erstellt werden, jeder Gutachter kommt aufgrund der Daten, die er verwendet, zu anderen Ergebnissen."

Die Engagierten in der Bürgerinitiative seien "deprimiert": "Wir haben Sorge, dass wir als Bevölkerung die Last für die Zukunft zu tragen haben. Wir haben hier junge Leute, viele, viele Kinder, die haben nachher die Probleme vor Ort." Neue Menschen für die Bürgerinitiative zu begeistern, sei schwer, sagt Rausch. "Es herrscht der Eindruck vor: Gegen den Großkonzern kommst du nicht an." Und trotzdem: Auf die Frage, ob er noch an den Rechtsstaat glaube, antwortet der Rentner: "Auf jeden Fall. Wenn das nicht wäre, könnten wir hier alle einpacken."

Ein Mann steht auf einem Weg zwischen Bäumen
Thomas Rausch ist Vorsitzender der Bürgerinitiative Pro Roitzsch. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Es herrscht der Eindruck vor: Gegen den Großkonzern kommst du nicht an.

Thomas Rausch Vorsitzender Bürgerinitiative Pro Roitzsch

Auch die Bürgermeisterin von Sandersdorf-Brehna Steffi Syska schätzt die Erfolgsaussichten, gegen die schon bestehende Deponie DK II anzukommen, gering ein. Hoffnung hat sie allerdings in Bezug auf die vom Betreiber Papenburg beantragten Erweiterungen der Deponie. Das sei es, worauf die Stadt sich konzentrieren wolle: "Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wollen wir hier unsere Argumente mit unseren Anwälten und Gutachtern vorbringen – damit wenigstens das noch verhindert wird."

MDR (Alisa Sonntag, Daniel George, Astrid Pawassar)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 25. Februar 2024 | 19:00 Uhr

7 Kommentare

DER Beobachter vor 8 Wochen

Wenn man jetzt schon eine zwar nötige, aber vor Ort egal wo unangenehme Entscheidung (wo soll der Scheiß denn hin?) mit Adolfs Entscheidungen gleichsetzt... Mein Gott, was für ein dummes Geschwätz: mit dem oder seinen Nachfahren hätten Sie vor Ort gar keine Chance, keine Chance auf eine BI oder ein Gerichtsverfahren (außer gegen Sie selbst...)

Erna vor 8 Wochen

Wenn die Regierenden nicht zuhören bzw. nicht handeln dann muss man seine Wahlentscheidung eben überdenken. Im Juni kann man ja schon den ersten Schritt machen. Wer aufgibt hat schon verloren!

kleinerfrontkaempfer vor 8 Wochen

14 Jahre ist bei doitscher Bürokratie und Gründlichkeit nun wirklich eine vergleichsweise kleine Zeitspanne. Da werden sich noch etliche Generationen dran abarbeiten und erfreuen.

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