Denkmäler in Wittenberg Cranach-Höfe: Schwieriger Spagat zwischen kultureller Bedeutung und Finanzierung
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03. November 2024, 08:48 Uhr
Die beiden Cranach-Höfe am Markt und in der Schlossstraße gehören zu den Attraktionen der historischen Altstadt Wittenbergs. Hier wirkten einst die berühmten Renaissance-Maler Lucas Cranach der Jüngere und der Ältere und hier schlägt inzwischen das kulturelle Herz der Lutherstadt. Vor 35 Jahren war damit begonnen worden, die Ruinen denkmalgerecht wiederherzurichten und einer Nutzung zuzuführen. Das ist unbestritten gelungen, finanziell bleibt der laufende Betrieb aber eine Kraftanstrengung.
Eva Löber ist längst im Ruhestand, doch ihr Herz hängt immer noch an den Cranach-Höfen. Denn die jahrhundertealten Denkmäler im Wittenberger Stadtzentrum sind ihr Lebenswerk. Die studierte Textilgestalterin gehörte zu der Gruppe von Bürgern, die schon zu DDR-Zeiten einen Abriss der Ruinen verhinderten und später den Wiederaufbau begleiteten und vorantrieben. Als Stiftungschefin kümmerte sich Eva Löber um alles: um Fördergeld und Zuschüsse, um Holzfenster und den Fassadenanstrich. "Das Bauliche ist geschafft, da können wir glücklich sein, aber das Inhaltliche müssen wir selbst kreieren. Und das ist ein mühsames Projekt."
Baudenkmäler von nationaler Bedeutung
Denn die Cranach-Höfe sind für Wittenberg ein schönes, aber auch teures Erbe. Vereine und Kunsthandwerker haben sich in den Häusern eingemietet, die Malschule beansprucht viel Platz, dazu kommen Galerien, Cafés, ein Geschenke-Lädchen und die Cranach-Herberge. Wer solch ein künstlerisch-touristisches Profil hat, kann finanziell keine großen Sprünge machen, berichtet Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos). "Das sind zwei Baudenkmäler nationaler Bedeutung, die als Kulturbetrieb geführt werden. Und da haben wir das eigentliche Problem, weil fast jeder Kulturbetrieb defizitär läuft."
Mit der Eröffnung der Cranach-Herberge vor elf Jahren schien eine Lösung gefunden worden zu sein. Das Haus aus dem 15. Jahrhundert direkt am Wittenberger Marktplatz sollte das nötige Geld einspielen, damit die Cranach-Stiftung ihre laufenden Kosten begleichen kann. Für Rathauschef Zugehör steht jedoch längst fest: "Das funktioniert nicht. Die Einnahmen decken in keiner Weise den Kulturbetrieb."
Cranach-Herberge kein Goldesel
Das bestätigt Stefan Kretschmar, der seit drei Jahren als Vorstandsvorsitzender der Cranach-Stiftung arbeitet. Nach seinen Worten sei die Cranach-Herberge zwar bei den Gästen beliebt, erhalte auch gute Bewertungen, werfe aber kaum Gewinne ab. "Normalerweise wird ein klassisches Hotel immer gleich gebaut: Zimmer, Zimmer, Zimmer. Bei uns hat man aus einem Denkmal ein Hotel gemacht. Wir haben keinen Fahrstuhl, keine Parkplätze und zu wenige Zimmer. Das alles ist nicht wirtschaftlich." Kretschmar lacht bitter auf, wenn er auf die Cranach-Herberge als Goldesel angesprochen wird.
Ohnehin fällt es der Stiftung schwer, Finanzquellen zu erschließen. Die Mieter könne man nur moderat zur Kasse bitten, auch die Kursgebühren oder Vermietungen müssen verträglich ausfallen. Denn ein Horrorszenario geistert umher: Leerstand. Nichts wäre schlimmer. Kretschmar, der in seiner Stiftung 15 Mitarbeiter beschäftigt, muss deshalb einen andauernden Spagat bewältigen. Auf der einen Seite sind die Cranach-Höfe außergewöhnliche Stätten, wo Kunst, Kultur und Handwerk präsentiert werden, auf der anderen Seite dürfen die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. "Wir haben etwa 100 Ehrenamtliche, die sich einbringen. Sie stehen im Lädchen, machen Führungen, sind bei den Weihnachtsmärkten auf den Höfen dabei. Ohne diese Hilfe würde gar nichts mehr gehen."
Wir müssen ein Konzept entwickeln, das solide und langfristig trägt. Dazu gehört auch eine bessere finanzielle Ausstattung, so dass der Vorstand ohne ständige Sorge zur Arbeit gehen kann
Im Wittenberger Rathaus ist diese Malaise nicht unbemerkt geblieben. Die Stadt ist Eigentümerin der Immobilien und kümmert sich je nach eigener Finanzlage um die Pflege der Gebäudesubstanz. Was die Bewirtschaftung der Höfe angeht, kündigte Oberbürgermeister Zugehör ein neues Finanzierungsmodell an. "Wir müssen ein Konzept entwickeln, das solide und langfristig trägt. Dazu gehört auch eine bessere finanzielle Ausstattung, so dass der Vorstand ohne ständige Sorge zur Arbeit gehen kann. "
Doch zieht der Wittenberger Stadtrat mit? Zugehör zuckt mit den Schultern und sagt, dass die Cranach-Höfe die Bürgerhäuser der Stadt seien. Doch dann müsse man sie auch so behandeln und das gehe nicht nur mit warmen Worten.
MDR (André Damm, Sebastian Gall)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 01. November 2024 | 14:30 Uhr
wuff vor 4 Wochen
Eigentlich sollten die Werke der beiden Maler, einen Beitrag zum Erhalt und Bewirtschaftung der Höfe beitragen. Eine Abgabe auf Werke dieser Künstler sollte doch möglich sein, wenn es kulturelle Bedeutung hat. Mit Kunstwerken wird privat Geld gemacht, aber der Erhalt der Werkstätten, soll aus der Stadtkasse bezahlt werden, das ist nicht richtig, und sollte geändert werden.