Familienbetrieb 21-Jährige übernimmt den Friseur-Salon ihrer Großmutter

10. Dezember 2022, 14:48 Uhr

Für Jutta und Jasmin Härzer ist der Beruf als Friseurin ein Traumjob. Deshalb hat Großmutter Jutta vor über 30 Jahren ihren Salon in Wettin-Löbejün eröffnet. 2023 wird sich der Posten als Chefin ändern. Dann übernimmt ihre Enkelin Jasmin den Laden. Was hier im Saalekreis so gut funktioniert, ist aber nicht überall der Fall. Denn das Friseurhandwerk hat einige Sorgen.

Es ist der 1. April 1990, wenige Monate nach dem Mauerfall. Jutta Härzer macht sich selbstständig und eröffnet in der Kleinstadt Wettin-Löbejün (Saalekreis) ihren Friseursalon – angefangen "ganz allein im Keller", wie sie heute erzählt. Nach drei Jahrzehnten im Beruf, "mit Höhen und Tiefen" übernimmt ihre Enkelin Jasmin Härzer 2023 das Geschäft im Anbau des Hauses der Friseurmeisterin.

Die 21-Jährige hat nach dem Abitur und der Ausbildung ihren Meister gemacht, ist laut Handwerkskammer Halle eine der Besten ihres Fachs in Sachsen-Anhalt. "Für mich stand immer fest, dass ich handwerklich arbeiten will als Friseurin. Weil das ein kreativer Beruf ist", sagt Jasmin Härzer. Mit Blick auf die Übernahme des Geschäfts meint sie: "Ich stelle mich dem Risiko". Ihre Großmutter ist "sehr stolz" auf Enkelin Jasmin und überzeugt, dass die Kunden dem Salon die Treue halten und neue Kunden hinzukommen werden. "Die Jugend geht zur Jugend", meint die 64-Jährige. Sie werde weiter im Salon arbeiten als Mitarbeiterin – und mit der Enkelin als Chefin.

Situation des Friseurhandwerks

So positiv, wie in Wettin-Löbejün sieht es aber nicht in der gesamten Branche aus. Denn das Friseurhandwerk sorgt sich um den Nachwuchs. Obwohl der Beruf noch immer als Traumberuf junger Menschen gilt und unter den Top 10 in Deutschland ist, geht die Zahl der Auszubildenden deutlich zurück. So geht der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks für 2022 nach vorläufigen Zahlen von einem Rückgang der Zahl der Auszubildenden von rund 20 Prozent aus. 2021 zählte dieses Handwerk bundesweit 15.900 Auszubildende, knapp 11 Prozent weniger als im Vorjahr. Vor zehn Jahren (2011) hatte es noch 30 500 Auszubildende in Deutschland.

Ähnlich ist die Lage in Sachsen-Anhalt. Nach Angaben der Handwerkskammer Magdeburg haben in diesem Jahr 54 Menschen eine Friseurausbildung (Stand: 30. November 2022) im Norden des Landes begonnen, in etwa so viel wie im Vorjahr. Aber 2012 waren noch 123 neue Ausbildungsverträge im Kammerbezirk abgeschlossen worden. Im Süden des Landes gibt es nach Angaben der Handwerkskammer Halle mit derzeit 94 Auszubildenden im Friseurhandwerk auch zu wenig Nachwuchs und nur etwa halb so viele Lehrlinge wie noch vor Jahren.

Gründe für die Nachwuchsprobleme

Burghard Grupe Hauptgeschaeftsfuehrer der Handwerkskammer Magdeburg steht in einer Autowerkstatt.
Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, will, dass Ausbildung und Studium als gleich gut angesehen werden. Bildrechte: imago images/Christian Schroedter

Gründe sind nach Angaben der Branche neben der demografischen Entwicklung Akademisierungstendenzen, wie Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Friseurhandwerks, erklärt. Hintergrund ist, dass Schulabgängerinnen und Schulabgänger eher ein Studium als eine Berufsausbildung erwägen.

Der Zentralverband fordert eine Bildungswende, um die berufliche Bildung aufzuwerten und auf diese Weise auch die Bereitschaft auszubilden, wieder deutlich zu verstärken. Es gelte die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung gesetzlich zu verankern.

Zu den drängendsten Problemen der Betriebe zählten aktuell die "Energiepreisexplosion, gestiegene Kosten und hohe Steuern", erklärt Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Belastung weniger werde. "Denn nur wenn sich Kundinnen und Kunden einen Friseurbesuch noch leisten können, sind gute Löhne und Gehälter im Friseurhandwerk möglich", betont er und ergänzt: "Auch kann nur ein finanziell gesunder Betrieb mit ausreichend Personal eine qualifizierte Ausbildung überhaupt sicherstellen."

Die Zahl der Friseurbetriebe hat sich laut Zentralverband mit 80.000 Salons in Deutschland zwar konstant gehalten. Die Betriebsgröße schrumpfe allerdings auffällig, so Müller. Dies habe negative Auswirkungen für die Beschäftigung. Die Ausbildungsbereitschaft nehme dramatisch ab. Gab es 2019 noch 11.270 Ausbildungsbetriebe, bildeten 2021 nur noch 9345 Friseursalons in Deutschland aus (2020: 10.377).

dpa, MDR (Johanna Daher)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Dezember 2022 | 11:00 Uhr

5 Kommentare

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