Jens Hennicke sitzt an einem Schreibtisch
Jens Hennicke ist Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

Interview Qualitätsüberprüfungen im Krankenhaus: So arbeitet der Medizinische Dienst

17. Mai 2024, 18:37 Uhr

Krankenhausmedizin ist komplex. Die Abläufe, Personal- und Technikausstattung überprüft der Medizinische Dienst. In diesem Jahr gibt der Dienst erstmals einen Qualitätsreport für Krankenhäuser heraus. Er soll Transparenz für Patienten schaffen. Eine Lösung für mehr Qualität in der Krankenhausversorgung sei Vernetzung, sagt Jens Hennicke, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt. Ein Interview.

Tom Gräbe
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MDR SACHSEN-ANHALT: Herr Hennicke, der Medizinische Dienst überprüft die Qualität medizinischer Leistungen an Krankenhäusern. Nicht überall werden alle Kriterien erfüllt. Woran liegt das?

Jens Hennicke: Wenn wir uns die Ergebnisse der Qualitätskontrollen ansehen, müssen wir feststellen, dass nicht alles erfüllt werden kann und alles erfüllt wird. Der Hauptgrund dafür ist der Personalmangel. Wir stellen fest, dass der Fachkräftebedarf, der in den Krankenhäusern vorherrscht, durchschlägt und dadurch nicht alle Voraussetzungen erfüllt werden können. Das heißt also, dass bestimmte Ärzte nicht da sind, Fachärzte nicht da sind in den Krankenhäusern, um die Leistungen entsprechend den Qualitätsvorgaben zu erbringen.

Kriterien sind unter anderem die Personalausstattung, die Ausstattung mit medizinischen Geräten, die Qualifikation von Ärzten und Pflegepersonen. Was bedeutet es für die medizinische Versorgung, wenn ein Kriterium nicht zu 100 Prozent erfüllt ist?

Deshalb ist die Arbeit nicht schlecht, aber es reicht nicht, um die Vorgaben zu erfüllen. Darum geht es: Brauchen wir entsprechendes Personal, das vorgehalten werden kann? Und da ist es dann wichtig, wenn ich es als Krankenhaus nicht habe, dass ich in eine Kooperation trete mit anderen Krankenhäusern oder auch mit niedergelassenen Ärzten. Damit die Leistung vorgehalten werden kann, wenn der Bedarf da ist. Also zum Beispiel, dass ein ein Arzt da ist, der eigentlich bei bestimmten Eingriff überhaupt nicht vorgesehen ist, der aber gebraucht wird, wenn eine Schwierigkeit auftritt. Und dabei helfen Kooperationen oder telemedizinische Anwendungen. Das sind alles Dinge, die müssen wir auch gemeinsam mit den Krankenhäusern dann auch neu denken und weiterentwickeln.

Gibt es eine Art Stadt-Land-Gefälle bei den Krankenhausleistungen und der Erfüllung der Qualitätsstandards?

Das könnte man denken, dass es ein Stadt-Land-Gefälle gibt, aber es gibt genauso Krankenhäuser, die die Vorgaben im städtischen Bereich nicht zu 100 Prozent erfüllen, aber es gibt natürlich auch Krankenhäuser, die im ländlichen Bereich manche Dinge nicht erfüllen. Im städtischen Bereich sind die Leistungen konzentriert und im ländlichen Bereich wird nicht alles angeboten und deshalb fällt das vielleicht auch gar nicht so auf.

Wozu braucht es überhaupt Qualitätsmanagement in Krankenhäusern?

Wir wollen ja, dass die Menschen qualitativ hochwertig versorgt sind und dass sie guten Gewissens in jedes Krankenhaus gehen können. Dass sie nicht überlegen müssen: Gehe ich jetzt in das Krankenhaus A nicht, weil man sagt, dass die Versorgung dort nicht ganz so gut ist. Das ist ja oft Mundpropaganda und Mundpropaganda ist schlecht. Wenn wir jetzt mit unserem Qualitätsbericht Transparenz herstellen und sagen: Hier kann man gucken und kann sehen, was wirklich an Qualitätsvorgaben eingehalten wurde und was nicht, hilft das, damit ein Krankenhaus sich weiterentwickeln kann, Probleme zu lösen. Das sind ja alles tatsächlich große Transparenz-Bemühungen, auch seitens des Bundes.

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Wenn Qualitätskriterien wiederholt nicht eingehalten werden: Hat das Konsequenzen?

Nun sind wir nicht diejenigen, die dafür dann Sanktionen entwickeln müssen. Wir stellen nur fest und sagen, was an Qualitätsvorgaben nicht eingehalten wird. Wir sind im Dialog mit den Krankenhäusern, was man besser machen kann. Und wenn das wiederholt nicht eingetreten ist, dann muss überlegt werden, auch mit der Landesbehörde, also mit dem Sozialministerium und den Krankenkassen: Wird dieser Bereich noch weiterhin angeboten werden können? Oder muss man den harten Schritt gehen und sagen: Okay, dann kann ich eben diese Abteilung beispielsweise nicht mehr anbieten. Lieber die Leistung nicht anbieten als eine ganz schlechte Qualität, das wollen wir ja den Menschen, den Patienten nicht zumuten.

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Viel wird ja zur Zeit diskutiert, über die Krankenhauslandschaft, Umstrukturierungen im Klinikwesen. Was brauchen Sachsen-Anhalts Krankenhäuser, um gut für die Zukunft aufgestellt zu sein?

Die Krankenhäuser in Sachsen-Anhalts sind erstmal, glaube ich, von den Standorten her ganz gut gedacht. Wir müssen nicht perspektivisch über komplette Schließungen von Krankenhäusern nachdenken. Aber was Sachsen-Anhalt braucht, ist eine Konzentration von Leistungen, von hochspezialisierten Leistungen. Das kann nicht in der Fläche überall stattfinden, sondern das muss sich an Standorten wie Magdeburg oder Halle oder Dessau konzentrieren, damit die Wege nicht ganz so weit sind. Und es bedarf eines gesellschaftlichen Dialoges. Wir müssen mit den Menschen reden und sagen: Wenn du gute Qualität haben willst, dann kriegst du nicht immer und alles vor Ort, sondern musst auch mal ein Stückchen Weg in Anspruch nehmen. Aber wenn ich weiß, dass wenn ich eine Stunde fahre, ich wirklich gut versorgt bin, dann bin ich auch zufrieden. Und wir reden hier nicht von Notfällen, die müssen in der Fläche weiter behandelt werden. Hier geht es um planbare Operationen.

Die Fragen stellte Tom Gräbe.

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MDR (Tom Gräbe, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 17. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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