Waffenkontrollen So selten werden Waffenbesitzer in Sachsen-Anhalt kontrolliert
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17. Juli 2023, 09:03 Uhr
Seit dem Femizid in Bad Lauchstädt im März dieses Jahres wird über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert. Etwa 25.000 Waffenbesitzer gab es im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt. Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT zeigen nun: Regelmäßig kontrolliert werden die wenigsten von ihnen.
- Auch in Sachsen-Anhalt wird über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert.
- Nur: Offenbar hapert es bereits bei der Umsetzung des bestehenden Waffenrechts. Zumindest sind Vor-Ort-Kontrollen eher eine Seltenheit.
- Das Innenministerium mahnt die Kreise und Städte in Sachsen-Anhalt an, ihre Waffenbehörden mit ausreichend Personal auszustatten.
Wann bei ihnen zum letzten Mal ein Mitarbeiter der Waffenbehörde zur Kontrolle vor der Tür stand? "Bei uns standen sie bei noch keinem vor der Tür", sagt ein Mitglied des Schießclubs Roßlau, der 75 Mitglieder zählt. "Aber wir sind ein überschaubarer Kreis an Waffenbesitzern. Wir haben eine Waffenbehörde, die auch wirklich Ahnung hat von dem, was sie da macht. Und ich denke, dass der Waffenbehörde bei uns in der Stadt jeder wirklich persönlich bekannt ist."
Waffenrecht lockern oder verschärfen? In Deutschland gibt es über fünf Millionen legale Schusswaffen in privatem Besitz. Doch wie streng werden Waffenbesitzerinnen und Waffenbesitzer kontrolliert? MDR exactly hakt nach.
Die Zahl der Vor-Ort-Kontrollen ist aber offenbar gering. Das bestätigen auch andere Mitglieder des Schießclubs. Und damit ist der Schießclub in Sachsen-Anhalt kein Einzelfall.
Waffen: Nur wenige Kontrollen vor Ort
In Deutschland befinden sich laut nationalem Waffenregister mehr als fünf Millionen legale Schusswaffen in privatem Besitz. Doch wie werden die Waffenbesitzer kontrolliert? Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT zeigen, dass in Sachsen-Anhalt einige Behörden gar keine Zahlen zu Vor-Ort-Besuchen erfassen. Andere registrieren dagegen genau.
Je nach Wohnort werden Waffenbesitzer unterschiedlich oft kontrolliert, in Summe aber nur selten. So gab es laut den zuständigen Behörden im vergangenen Jahr 284 Kontrollen in Sachsen-Anhalt – und das bei insgesamt 25.611 Waffenbesitzern.
Mehrfach wurde im Landtag von Sachsen-Anhalt zuletzt über das Waffenrecht debattiert, zuletzt Anfang Juni dieses Jahres. Welche Auflagen es künftig für Waffenbesitzer gibt? Aus der Bundespolitik kommen Signale für weitere Verschärfungen des Waffenrechts.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dies angekündigt. Die Landes-AfD will das verhindern und hatte einen Antrag eingebracht, um Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) im Landtag dazu aufzufordern, weiteren Gesetzesänderungen im Bund entgegenzuwirken. Der Antrag wurde zunächst zur weiteren Beratung in den Innenausschuss überwiesen. Ob er in geänderter Fassung noch einmal den Weg in den Landtag findet, ist offen.
Sachsen-Anhalt will Sportschützen und Jäger nicht "willkürlich" belasten
In der Diskussion seinerzeit stellte Sachsen-Anhalts Landesregierung klar, dass Sportschützen und Jäger weiter wie gewohnt ihrer Tätigkeit nachgehen können müssen. Innenministerin Zieschang sagte im Juni im Landtag, es dürfe "keine willkürliche Belastung gesetzestreuer Bürger" geben. Dafür werde sich die Landesregierung einsetzen.
Bei einer Änderung des Waffenrechts müsse es um die Angemessenheit der Maßnahmen gehen. Die CDU-Politikerin erklärte aber auch, dass Verfassungsfeinden oder etwa psychisch Kranken der Zugang zu Waffen verwehrt gehöre.
Im Video können Sie die gesamte Debatte zum Waffenrecht aus dem Juni 2023 ansehen.
SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben hatte bei der Debatte im Juni entgegnet, es gehe bei der Verschärfung unter anderem um ein Verbot halbautomatischer, kriegsähnlicher Waffen – etwa einer zivilen Variante des amerikanischen Sturmgewehrs AR-15. Es stelle sich die Frage, wozu man eine solche Waffe benötige.
Erben zufolge besteht "dringender Nachholbedarf" beim Waffenrecht, aber auch bei den Verwaltungsvorschriften. Die Kontrollen durch die Waffenbehörden müssten in Sachsen-Anhalt dringend verstärkt werden. Das Risiko einer unangekündigten Kontrolle sei "nirgendwo so gering wie bei uns", sagte Erben. Darüber berichtet hatte wenige Monate zuvor bereits das Nachrichtenmagazin Spiegel (€).
Landesjagdverband gegen verschärftes Waffengesetz
Betroffen von Veränderungen des Waffenrechts wären auch Jägerinnen und Jäger. Wolf Last, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes, sagt MDR SACHSEN-ANHALT: "Wir sind der Meinung, dass wir kein verschärftes Waffengesetz in Deutschland brauchen. Wir sehen die Notwendigkeit eher in einer besseren Ausstattung der Behörden und eben einer besseren digitalen Vernetzung der einzelnen Institute, um lückenlos nachvollziehen zu können, mit was für einer Person man es zu tun hat und ob sie in der Vergangenheit straffällig geworden ist oder nicht."
Jägerinnen und Jäger würden kontrolliert, wenn sie ihre Waffenbesitzkarte beantragen. In diesem Zuge gebe es eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz, außerdem alle drei Jahre eine behördliche Prüfung der Zuverlässigkeit und verdachtsunabhängige Kontrollen, so Last.
Wie oft diese Vor-Ort-Kontrollen stattfinden? "Theoretisch sollten die relativ regelmäßig bei den Jägerinnen und Jägern stattfinden", sagt Last, aber: "Was wir an Rückmeldungen bekommen, ist es so, dass viele Landkreise sich nicht in der Lage sehen, diese verdachtsunabhängigen Kontrollen durchzuführen und dass es daher relativ selten passiert."
Halbautomatische Waffen als Tabu-Thema?
Auf die Frage von SPD-Politiker Erben, wozu Waffenbesitzer halbautomatische Waffen besitzen müssten, antwortet Last: "Halbautomatische Waffen haben vor allem dann einen Vorteil, wenn es darum geht, schnell schussbereit zu sein. Und das ist vor allen Dingen bei Bewegungsjagden der Fall."
Auch Sportschützen besitzen halbautomatische Waffen, vor allem beim IPSC-Schießen kommen diese zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine auf Zeit ausgetragene Schießsportart, bei der ein Sportschütze einen vorher bekannten Parcours abläuft.
Schützenverbände äußern sich nicht
Solche Wettkämpfe finden nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT auch in Sachsen-Anhalt statt. Der Landesschützenverband verweist auf eine entsprechende Anfrage allerdings an den Bund Deutscher Sportschützen (BDS). Dieser wiederum fühlt sich ebenfalls nicht zuständig, verweist zurück auf die Sportschützen im Land. Auch das Innenministerium kann keine genauen Zahlen mit Aufschlüsselung nach Orten liefern, wenn es um den Besitz von halbautomatischen Gewehren vom Typ AR-15 geht. Mehrere Sportschützenvereine ließen Anfragen des MDR unbeantwortet. Offensichtlich handelt es sich um ein Tabu-Thema.
Zurück also zum Schießclub Roßlau. Nach dem Femizid von Bad Lauchstädt oder dem Amoklauf in Hamburg wird verstärkt über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert, auch unter den Mitgliedern des Clubs ist das ein Thema. Ein Sportschütze sagt, das Waffenrecht sei streng genug, aber: "Wir haben ein Vollzugsproblem. Wir haben also zu wenige Menschen, die rausgehen und suspekte oder verdächtige Personen kontrollieren."
Wir haben ein Vollzugsproblem. Wir haben also zu wenige Menschen, die rausgehen und suspekte oder verdächtige Personen kontrollieren.
Welche Entwicklung es bei der Personalausstattung der Waffenbehörde gegeben habe? "Die kommunalen Waffenbehörden erledigen die ihnen übertragenen Aufgaben in eigener Organisations-, Personal- und Finanzhoheit", erklärt eine Sprecherin des Innenministeriums. Zu personellen Maßnahmen in einzelnen Waffenbehörden könnten nur diese sich äußern.
"Waffenbehörden sind in Sachsen-Anhalt die Landkreise, die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau und die Polizeiinspektionen Halle und Magdeburg für die jeweilige kreisfreie Stadt", heißt es aus dem Innenministerium. "Die für den Vollzug des Waffenrechts zuständigen Organisationseinheiten der Polizeiinspektionen Halle und Magdeburg werden gegenwärtig einer vom Innenministerium veranlassten Organisationsuntersuchung unterzogen."
Austausch zwischen Waffenbehörden und Land "intensiviert"
Der Austausch zwischen dem Landesverwaltungsamt (LVwA) und den unteren Waffenbehörden sei intensiviert worden, heißt es. Und weiter: "Unter der Leitung des LVwA findet eine turnusmäßige Konferenz mit den Landräten und Oberbürgermeistern statt. Die Konferenz im März 2023 wurde zum Anlass genommen, die Landräte und Oberbürgermeister hinsichtlich ihrer Aufgaben als untere Waffenbehörden zu sensibilisieren. Auch eine auskömmliche Personalausstattung wurde angemahnt."
MDR (Daniel George, Engin Haupt, Katharina Forstmair, Heiko Kunzmann, Janett Eger)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 16. Juli 2023 | 19:00 Uhr
Shantuma am 17.07.2023
Ich halte diese Diskussion für völlig fehl am Platz.
Und nein, ich bin kein Waffenbesitzer und unterstütze dies auch nicht.
Es bleibt aber dabei, dass bei Straftaten mit Waffengewalt, jene Waffen entweder nicht angemeldet waren, oder eben nicht dem Täter, oder der Täterin gehörten, z.B. Familienmitglied.
Nun kann man gerne sich hinstellen mit geschwollener Brust und sich peinlich prusten, aber ganz ehrlich häufig weiß man wo der Schlüssel für den Schrank ist.
Es wäre wesentlich sinnvoller für weniger Spannung in der Gesellschaft zu sorgen. Weniger Misstrauen gegenüber dem Staat und den Behörden täte dem auch gut.
Die derzeitige Entwicklung, gerade in den letzten 3 Jahren, ist erschreckend.
pwsksk am 17.07.2023
Ihrem Text nach, sind sie also ein Waffen Kontrolleur und stellen mehr oder weniger oft fest, das Waffen nicht ordnungsgemäß aufbewahrt werden?
Ich könnte mir aber auch durchaus vorstellen, das der ein oder andere Waffenbesitzer seine Pistole wirklich im Nachtschrank aufbewahrt und nicht im Stahlschrank.
Warum? Die Frage muss jeder für sich selbst beantworten.
DanielSBK am 17.07.2023
Deutsches Waffengesetz ist das strengste der Welt! In die Köpfe kann man nicht reingucken und über die Messerangriffe wird nicht mal Buch geführt. Scheindebatte!