Rechtsextremisten im Harz Neonazis aus Dortmund bedrohen Halberstadts Jugendzentrum Zora

08. November 2024, 20:18 Uhr

Bundesweit bekannte Neonazis aus Dortmund ziehen nach Halberstadt und stärken die rechtsextreme Szene im Landkreis Harz. Dort operiert nun eine Firma, die mit dem Verkauf von Fanartikeln an Rechtsextremisten Geld erwirtschaftet. Die Neonazis machen Stimmung gegen ein lokales Jugendzentrum, doch dessen Team will sich nicht einschüchtern lassen.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Das Jugend- und Kulturzentrum Zora ist seit mehr als 30 Jahren ein fester Anlaufpunkt für alle Generationen und Kulturen in Halberstadt. Die unabhängige Einrichtung bietet Raum für Familienfeste, Jugendtreffen, Angebote für Migranten und Geflüchtete. Doch seit einigen Wochen gerät die Zora ins Visier rechtsextremer Gruppen.

In Telegram-Kanälen kursieren Drohungen und Gerüchte, die das Zentrum als "linksextremen Treffpunkt" brandmarken. Aufrufe zur Gewalt gegen die Zora häufen sich im Internet, was die Sorge in der Stadtgesellschaft wachsen lässt.

Es wird behauptet, wir seien ein Sammelpunkt von Linksterroristen, und das hat dazu geführt, dass Leute online schreiben: ‚Man soll das Gesindel in der Zora anzünden'.

Robert Fietzke, Zora e.V.

Den Hintergrund dieser Bedrohungen bildet der Zuzug von bundesweit bekannten Neonazis aus Nordrhein-Westfalen. Sie haben sich vor einigen Monaten in Halberstadt und Umgebung niedergelassen. Die Gruppe um Alexander Deptolla, Matthias Deyda und Markus Walter stammt aus der Dortmunder Neonazi-Szene. Ihre Namen tauchen in Berichten der Verfassungsschutzbehörden auf.

Der rechtsextreme Matthias Deyda auf einer Demo in Halberstadt.
Der rechtsextreme Matthias Deyda (rechts) auf einer Demo in Halberstadt. Bildrechte: MDR

Für das Zora-Team um Geschäftsführer Robert Fietzke ist diese neue rechtsextreme Präsenz eine reale Gefahr: "Wenn man sich umhört an den Schulen, was da zum Teil los ist an Radikalisierungen von Jugendlichen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es den nächsten Angriff auf die Zora gibt." Die Zora wolle sich jedoch auch weiterhin als Ort der Begegnung und des kulturellen Austauschs behaupten, versichert Fietzke.

Kampfsport zur Szene-Finanzierung

Alexander Deptolla gilt als einer der einflussreichsten Neonazis aus der Dortmunder Szene. Er war lange führendes Mitglied der gewaltbereiten Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" und engagierte sich später in der Partei Die Rechte und der NPD, die sich inzwischen Die Heimat nennt.

Die Firma Tremonia Druck in Halberstadt wird im Zusammenhang mit dem Rechtsextremen Alexander Deptolla auch im Bericht des Verfassungsschutzes genannt.
Die Firma Tremonia Druck in Halberstadt wird im Zusammenhang mit dem Rechtsextremen Alexander Deptolla auch im Bericht des Verfassungsschutzes genannt. Bildrechte: MDR

Deptolla hat den Sitz seiner Firma "Tremonia-Druck" ebenfalls aus Dortmund nach Halberstadt verlegt. Außerdem ist er Gründer des rechtsextremen Kampfsport-Events "Kampf der Nibelungen", das 2019 in Sachsen untersagt und dessen Verbot rechtskräftig gerichtlich bestätigt wurde. Fragen dazu will Deptolla nicht beantworten.

Ein Mann mit Brille
Experte für Rechtsextremismus David Begrich: Rechtsextreme wollen Halberstadt als zentralen Ort für ihre Netzwerke zu nutzen. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

David Begrich, Experte für Rechtsextremismus, vermutet hierin eine klare Strategie: "Die Firmen, die in diesem Themenkontext aktiv sind, erwirtschaften nicht nur Gewinn zum Lebensunterhalt einzelner Personen, sondern ein Teil des Geldes wird auch immer in die Bewegung investiert."

Halberstadt nicht zufällig als Standort gewählt

Für Deptolla und seine Mitstreiter ist Halberstadt kein unbeschriebenes Blatt, sondern dürfte ein bewusst gewählter Standort sein. Die Region Harz hat in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit durch rechtsextreme Aktivitäten erlangt. Mit seinem Zuzug zeigt Deptolla, dass er Halberstadt als neuen Raum für die Ausweitung seiner Netzwerke sieht.

Auf Montagsdemos, die regelmäßig durch die Stadt ziehen, mischt er sich unter die Demonstranten – pflegt alte Kontakte und knüpft neue Verbindungen. Auch wenn Deptolla selbst seine geschäftlichen Aktivitäten als "etwas Privates" bezeichnet, warnt Szene-Beobachter David Begrich vor einem gezielten Versuch der zugezogenen Neonazis, Halberstadt als zentralen Ort für ihre Netzwerke zu nutzen.

Weitere Rechtsextreme ziehen nach

Mit Deptolla kamen auch andere bekannte Figuren der rechtsextremen Szene nach Halberstadt, etwa Matthias Deyda und Markus Walter. Beide haben in der Dortmunder Szene eine lange Geschichte. Deyda war früher Stadtrat für die Partei Die Rechte in Dortmund und in deren Landesvorstand. Er versuchte in den letzten Jahren immer wieder, seine politischen Überzeugungen auch auf internationalen rechtsextremen Veranstaltungen zu verbreiten, belegt auch der Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2022. 

Walter gilt als enger Vertrauter der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck und ist tief in rechtsextreme Netzwerke eingebunden. Die Ansiedlung dieser Neonazis in der Region verstärkt die Szene im Harz.

Vernetzung mit lokalen Rechtsextremen

Auch lokale rechtsextreme Akteure wie Oliver Malina haben Anschluss an die Dortmunder Neonazis gefunden. Malina organisierte bis in die 2010er Jahre Rechtsrock-Konzerte in Sachsen-Anhalt, die regelmäßig mehr als 1.000 Besucher anzogen. Seine Verbindungen in die rechtsextreme Szene vor Ort und seine Erfahrung als Organisator könnten dem Zuzug aus Dortmund nützlich sein.

Der rechtsextreme Oliver Malina auf einer Demo in Halberstadt
Der rechtsextreme Oliver Malina auf einer Demo in Halberstadt. Bildrechte: MDR

Experte und Szene-Beobachter Begrich vom Miteinander e.V. schätzt die Aktivitäten so ein: "Deptolla versucht sozusagen Testballons zu starten, sein Revier zu markieren und Duftmarken zu setzen. All das, was wir als neonazistische Raumnahme beschreiben."

Zora will weitermachen

Robert Fietzke
Bildrechte: Robert Fietzke

Für Fietzke ist der Zuzug der Rechtsextremen nach Halberstadt auch eine Bedrohung für das demokratische Gefüge der Stadt. Gerade das unabhängige, eher links-orientierte, Jugendzentrum Zora ist für ihn ein Raum, der Menschen verbinden soll. "Wir erreichen hier viele Bevölkerungsschichten und Gruppen aller Couleur, aller politischer Richtungen. Unsere Arbeit wird sehr geschätzt, zum Beispiel unsere Fahrradwerkstatt oder unser Repaircafé."

Auch die Stadt Halberstadt steht hinter der Einrichtung: "Die Zora ist keine städtische Einrichtung. Wir schätzen die Arbeit der Einrichtung und die Mitarbeiter sehr, stehen in Kontakt und unterstützen sie nach unseren Möglichkeiten", so ein Sprecher des Oberbürgermeisters. "Das alles, was wir machen, wird gebraucht, und wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Das hat die Zora noch nie", stellt Fietzke klar.

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MDR (Lars Frohmüller, Katharina Gebauer, Roland Jäger)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. November 2024 | 19:00 Uhr

26 Kommentare

Fakt vor 4 Wochen

@faultier:

Auf welchem Bild sind denn diejenigen, auf die es ankommt, verpixelt? Bei mir sind die klar und deutlich erkennbar. Und wenn Sie im restlichen Bereich der Bilder, der in Graustufen konvertiert und sehr leicht "verpixelt" wurde, Probleme haben, dort etwas zu erkennen, sollten Sie den Optiker Ihres Vertrauens dringend aufsuchen.

DER Beobachter vor 4 Wochen

"Warum nicht"? Es wurde ja verschiedentlich und u.a. an anderer Stelle hier deutlich, dass verschiedenste rechtsextreme Gruppierungen hier im Osten, allen voran Sachsen, aber auch S-A ganz weit oben, halt erfolgreicher sind als im Westen und genau deswegen hier u.a. über Immobilien weiter versuchen, Fuß zu fassen. Ihrereinen scheint nach Ihren Kommentaren hier so das ja sehr gern zu begrüßen, sofern Sie doch nicht nur des Verstandes sind, den Herr Wöhrmann von der AfD der eigenen Wählerklientel recht treffend zuschreibt...

MDR-Team vor 4 Wochen

Nachnamen werden nicht genannt, um ihnen keine Bühne zu bieten, da es einige Straftäter (zum Beispiel beim Halle-Attentäter) gibt, die gerne in der Öffentlichkeit bekannt sein wollen. In den Artikeln zu ihm wurde der Nachname deshalb auch immer abgekürzt.

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