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Neurobiologie Chip im Gehirn: Magdeburger Forscher auf Augenhöhe mit Elon Musks Firma

03. Februar 2024, 08:55 Uhr

Ein Chip ins Gehirn implantieren: Damit hat Elon Musks Firma zuletzt für Schlagzeilen gesorgt. Dabei wird in Magdeburg schon seit Jahren an ähnlichen Techniken geforscht. Doch während Deutschland bei der Grundlagenforschung zu solchen Themen ganz vorne mit dabei sei, seien andere Länder oft mutiger, wenn es um Investitionen gehe, sagt der Magdeburger Experte Michael Lippert.

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Elon Musk, der umstrittene US-amerikanische Techmilliardär, sorgte Anfang der Woche für Schlagzeilen. Sein Unternehmen Neuralink habe erstmals einem Menschen einen Chip ins Hirn implantiert. "Die ersten Nutzer werden jene sein, die ihre Gliedmaßen nicht mehr bewegen können" so Musk.

Überrascht war man von dieser Meldung im Magdeburger Leibniz-Institut für Neurobiologie nicht, denn hier arbeitet man seit längerem mit solchen Technologien. Werden wir bald alle ferngesteuert?

Neuralink-Idee nicht neu

Der menschliche Körper steht eigentlich ständig unter Strom, denn er verwendet elektrische Signale, um zu kommunizieren, sich zu bewegen oder zu denken. Das Nervensystem verteilt die entsprechenden Anweisungen. Wenn aber diese Leitungen unterbrochen sind, dann gibt es in der betroffenen Körperregion eine Art Black Out.

Diese Stellen mit Technologie zu überbrücken, ist die grundlegende Idee sogenannter Hirnschnittstellen. Und sie ist keinesfalls neu: "Also wir haben sehr ähnliche Elektroden wie beispielsweise Neuralink, schon vor einigen Jahren entwickelt", sagt Michael Lippert, Forscher am Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg.

Ernsthafter Eingriff in Hirn

Der Begriff "Schnittstelle" ist ernst zu nehmen, denn der Chip wird in einer Operation in das Gehirn eingepflanzt. Michael Lippert sagt: "Also die Menschen müssen ja eine Hirn-OP über sich ergehen lassen. Das macht man nicht, nur um das Handy mit Gedanken zu steuern. Das kommt in der aktuellen Debatte zu kurz."

Fans des Filmepos "Star Wars" wissen, dass die Jedi-Ritter allein durch ihre Geisteskraft große Gegenstände steuern können. Das ist nun mit so einem Hirnchip durchaus möglich: Die Hirnsignale werden von dem Chip in einen Computer übertragen, der dann den Gedanken umsetzt.

Menschen denken unterschiedlich

Allerdings gibt es ein Problem, denn der Mensch ist keine Maschine: "Die Prozesse sind zwar grundsätzlich ähnlich, aber die genaue Aktivität, die ist zwischen allen Menschen unterschiedlich. Und darauf muss so ein System immer erst trainiert werden", erklärt Lippert.

Also jeder denkt ein wenig anders, wenn er der Befehl "Licht aus" formuliert. Einen Vorteil habe das aber auch, so Lippert. Der Mensch sei nämlich generell zu unterschiedlich im Denken, um Gedanken zentral überwachen zu können, selbst wenn jeder einen solchen Chip tragen sollte.

Deutschland forscht – verdient wird anderswo

Ein großes, flaches Gebäude mit einer Skulptur davor
Im Leibnitz-Institut für Neurobiologie forscht man schon seit Jahren an Chips im Gehirn. Bildrechte: MDR SACHSEN-ANHALT

Tatsächlich steckt viel Grundlagenwissen aus deutschen Laboren in den aktuellen Entwicklungen der Hirnforschung. Deutschland sei sehr gut darin, Forschung auf der Grundlagenebene zu finanzieren. "Da sind wir weltweit durchaus in vielen Bereichen führend. Aber es gibt dann eine sehr hohe Schwelle in der Anwendung dieser Erkenntnisse. Und dann verdient jemand in den USA damit Geld", sagt Lippert.

Es sei kein Zufall, dass deutsche Forscher mit ihrer Firma Blackrock Neurotech in die USA gegangen seien. Das Unternehmen implantiert schon seit längerem Hirnchips und kann als direkter Konkurrent zu Elon Musk gesehen werden. Zuviel Bürokratie und zu wenig Geld, also sogenanntes Wagniskapital, vertreibe die Firmengründer. In den USA sind es reiche Investoren, in China sind es staatliche Behörden, die sich engagieren. In Deutschland scheuen sowohl private wie auch öffentliche Geldgeber das Risiko.

Behandlung von Krankheiten

Blinde werden sehen, Lahme werden gehen, so beschreibt die Bibel den Beginn des Gottesreiches. Zumindest die Verheißung für die Lahmen scheint sehr bald möglich zu sein, so der Neurobiologe Michael Lippert: "Ich denke, es wird sich langsam als Behandlung für bestimmte Krankheitsmuster durchsetzen, dass es durchaus auch relativ routinemäßig bei Patienten eingesetzt wird. Aber es ist nichts, was jeder Zweite in der Bevölkerung mit sich herumtragen wird."

Den ersten Teil der biblischen Verheißung umzusetzen, wird aber noch etwas dauern. Denn Signale aus dem Hirn herauszuhören, ist um einiges leichter als der umgekehrte Weg, nämlich Signale in das Hirn hineinzubekommen. Das ist ein aktueller Forschungsschwerpunkt im Leibniz-Institut für Neurobiologie, berichtet Lippert: "Wir arbeiten auch ganz gezielt daran, den anderen Weg zu gehen. Nicht nur Informationen aus dem Gehirn auszulesen, sondern auch mit Hilfe von Licht Informationen ins Gehirn einzuschreiben. Unser langfristiges Ziel ist es, Sehinformationen in das Sehsystem von blinden Personen hinein zu bringen."

Und was ist mit der Ethik?

Die Möglichkeit, die Gedanken von Menschen mit technischer Hilfe zu überwachen, erfordert von allen Beteiligten Bewusstsein für die Risiken. Woher weiß die digitale Steuerungseinheit, welche Daten ausgewertet werden sollen, welche hingegen nicht? Andererseits könne Menschen die Möglichkeit nicht vorenthalten werden, ihre Lebensqualität trotz Einschränkungen zu verbessern.

Michael Lippert rät, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen. "Viele Leute haben ja Angst oder stellen sich die Frage: 'Dürfen wir das überhaupt?' Und da hat man dann die Möglichkeit, Patienten zu fragen, was sie eigentlich selber wollen." Eine Luxusmedizin für Reiche seien die Neurochips jedoch nicht, so Lippert. Die Kosten seien überschaubar.

Allerdings fließen derzeit Milliarden weltweit in Forschung und Entwicklung von Neurochips. Das Geld muss wohl erstmal wieder eingespielt werden.

MDR (Uli Wittstock, Alisa Sonntag)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. Februar 2024 | 12:00 Uhr

6 Kommentare

Denkschnecke vor 11 Wochen

Da wird mit Verlaub der Philosoph neurobiologisch nicht tief genug im Stoff: Wenn der Chip de Hirnelektrizität misst, um damit ein externes Gerät anzusteuern, heißt das noch lange nicht, dass er das Hirn beeinflussen kann. (Wobei es aktive Hirnstammimplantate auch schon seit 15 Jahren gibt.) Vor allem aber nicht, dass man den Code von so etwas Komplexen wie Gedanken so weit kennen würde, dass man sie gezielt beeinflussen könnte.

th-kultur vor 12 Wochen

I: Der Philosoph Slavoj Žižek hatte in seinem Buch: HEGEL IM VERDRAHTETE GEHIRN aus dem Jahr 2020 zu dem Neuralink-Projekt einen Kommentar geliefert:
„Wie bei allen Erfindungen, die eine Bedrohung für die menschliche Freiheit darstellen, versuchen deren Befürworter, das Problem zu verschleiern, indem sie immer wieder leuchtende Beispiele dafür anführen, wie diese Technologien das Leben von Menschen mit Behinderungen erleichtern könnten. Ein typischer Bericht lautet etwa: ›Gelähmter kann sich mit Roboteranzug bewegen.‹ […] Unerwähnt bleibt, dass gedankengesteuerte Maschinen im Umkehrschluss auch die maschinelle Steuerung der Gedanken selbst bedeuten.
Schon im Mai 2002 wurde gemeldet, dass Wissenschaftler einer New Yorker Universität einen empfangsfähigen Computer direkt mit dem Gehirn einer Ratte verbunden hätten und so in der Lage seien, diese mittels eines Steuerungsmechanismus (ähnlich der Fernbedienung eines Spielzeugautos) zu lenken “ (S. 69-70).

Nudel81 vor 12 Wochen

Ich bin gespalten. Auf der einen Seite bin ich dagegen das und Maschine verschmelzen. Ich halte das für gefährlich weil es da nicht nur gute Möglichkeiten gibt. Auf der anderen Seiten gibt es kranken Menschen vielleicht ganz neue Möglichkeiten.

Ich weiß es nicht!

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