Jahrestag der Bombardierung "Eine Stadt für alle": So lief der Auftakt zur Aktionswoche in Magdeburg

17. Januar 2023, 06:44 Uhr

Die Aktionswoche "Eine Stadt für alle" ist am Montagabend vor dem Rathaus in Magdeburg gestartet. Geschätzte 1.000 Menschen erinnerten an die Bombardierung Magdeburgs und sangen Friedenslieder. Eine Gruppe "Spaziergänger" demonstrierte zeitgleich wenige Meter weiter und versuchte zeitweise, die Gesänge zu übertönen.

Knapp die Hälfte des Alten Marktes vor dem Magdeburger Rathaus ist mit Menschen gefüllt, als die Aktionswoche "Eine Stadt für alle" am Montagabend um 18 Uhr von Schirmherrin und Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) eröffnet wird. Die meisten der Menschen tragen brennende Kerzen und Zettel mit Liedtexten, mit denen sie an die Bombardierung Magdeburgs am 16. Januar 1945 erinnern und gleichzeitig ein Zeichen für eine weltoffene, friedliche Stadt setzen wollen.

Während die Veranstaltung in den vergangenen beiden Jahren Corona-bedingt weitestgehend digital stattfand, sind an diesem Tag nach Schätzungen einer Veranstalterin etwa 1.000 bis 1.500 Menschen versammelt.

Doch noch etwas ist anders als zuletzt: In den stillen Momenten der Veranstaltung sind laute Aufrufe und Tröten einer Veranstaltung selbsternannter "Montags-Spaziergänger" zu hören, die nur wenige Meter entfernt vor der Bankfiliale am Alten Markt stattfindet. Und die dem Eindruck nach durchaus bewusst versuchen, die Auftaktveranstaltung der Initiative "Weltoffenes Magdeburg" zu stören.

Oberbürgermeisterin Simone Borris ruft zu Toleranz und Weltoffenheit auf

Umso dringlicher appelliert Simone Borris in ihrer Begrüßungsrede an die Versammelten: Es gelte, gemeinsam an die Zerstörung Magdeburgs und an die vielen Opfer zu erinnern. Gleichzeitig müsse man an die hetzerischen Gedanken erinnern, die Deutschland in ein faschistisches Regime geführt und diese furchtbare Katastrophe zu verantworten hätten. Auch in diesem Jahr stelle man sich als Stadtgesellschaft wieder auf Demonstrationen von rechten Gruppierungen mit rechtem Gedankengut ein.

"Den Missbrauch demokratischer Praktiken durch rechte Gruppierungen beobachten wir seit einiger Zeit sichtbar auf den Montagsdemos", sagt Borris, und weist mit einer Hand auf die nur wenige Meter entfernt stattfindende Kundgebung der Spaziergänger.

Der Umgangston sei rauer geworden, doch zum Glück gebe es ein breites Band gesellschaftlichen Engagements, das die gesellschaftlichen Ereignisse zum Anlass nehme, sich für Toleranz und Demokratie einzusetzen.

"Gemeinsam setzen wir ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung", so Borris. Man müsse gemeinsam demokratische und europäische Werte verteidigen. "Lassen Sie uns gemeinsam singen und zusammen ein zuversichtliches und friedliches Jahr 2023 starten. Und lassen Sie uns lauter sein (als die Montagsdemo, Anm. d. Red.)!".

Gemischtes Fazit zur Auftaktveranstaltung

Das "Lauter-Sein" klappt zumindest während der Lieder relativ gut. Gemeinsam mit mehreren Chören und einem Orchester singen die Teilnehmenden eine Auswahl Friedenslieder in verschiedenen Sprachen, begleitet von mehreren kurzen Redebeiträgen.

Doch besonders zwischen den Liedern sind im hinteren Teil der Menge immer wieder laute Geräusche der Montagsdemonstration zu hören. Insgesamt, so ist der Eindruck, sind weniger Menschen gekommen als vor der Pandemie, und es wird auch etwas weniger mitgesungen als vor drei Jahren. Erst beim letzten Lied, "We are the world", tauen die Teilnehmenden in den kühlen Temperaturen so richtig auf.

"Es wäre schön, wenn noch mehr Magdeburger heute hierher gekommen wären und ein Zeichen gesetzt hätten. Denn das geht uns alle etwas an, das ist wichtig für unsere Stadt", zieht Christoph Fazit, nachdem er die Auftaktveranstaltung besucht hat. "Dass man die Rechten hier so laut gehört hat, zu diesem Anlass, das sollte eigentlich nicht sein."

Aktionswoche bis zum 27. Januar

Auch Birgit Bursee, Chefin der Freiwilligenagentur Magdeburg und eine der Veranstalter der Initiative "Weltoffenes Magdeburg", äußert Bedauern, dass die Montagsdemonstration zeitgleich so nah an der Auftaktveranstaltung stattfinden durfte. Dennoch zeigt sie sich zufrieden mit dem Start in die Aktionswoche.

Die geht traditionell bis zum 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. In dieser Zeit erinnern überall in der Stadt Initiativen, Vereine und Bündnisse an die Spuren, die der Nationalsozialismus und die Zerstörung Magdeburgs in der Stadt hinterlassen haben, und setzen sich für Vielfalt, Weltoffenheit und Demokratie ein.

Gleichzeitig versuchen einige Veranstalter, möglicherweise stattfindenden rechtsextremen Vereinnahmungen des Jahrestages, etwas entgegen zu setzen. Zum Angebot gehören etwa Mahnwachen, Gottesdienste, Konzerte, Stadtführungen, Workshops, Theaterstücke und Filmvorführungen.

Mehr zum Thema: 16. Januar in Magdeburg

MDR (Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Januar 2023 | 05:30 Uhr

16 Kommentare

Haller am 19.01.2023

"Friedenslieder, unter anderem von Ukrainerinnen, gesungen wurden."
Da wäre interessant wie diese Person sich zur seit Jahren bestehenden antirussischen Politik der Ukraine Positionen tut.

DER Beobachter am 18.01.2023

"Vor daher bin ich für Frieden mit beiden Seiten dieses derzeitigen Konfliktes.
Also auch für Frieden mit Russland. Ich denke, dass ist kein Verbrechen.
Und ich denke auch, dass sowohl die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung als auch die sogenannten Störer letztlich eines eint …. Der Wunsch nach Frieden." So kann man es natürlich auch umschreiben. Das setzt freilich voraus, dass R seine Truppen zurückzieht und der Ukraine ihre völkerrechtlich Souverenität garantiert....

Denkschnecke am 17.01.2023

Wenn Sie die Geschichte der "Meile der Demokratie" kennen würden, wüssten Sie, dass sie eben keine Initiative der Politik war, sondern der Zivilgesellschaft, und zu Anfang sogar gegen einige Widerstände aus der Politik durchgesetzt werden musste.

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