Kommentar Balkonauftritt von Landtagspräsident moralisch fragwürdig

25. August 2023, 19:39 Uhr

Gunnar Schellenberger steht gleich mehrfach in der Kritik: wegen seines Landtagsbalkons, Roland Kaiser und fehlender Antworten auf Fragen von Abgeordneten und Journalisten. Als Landtagspräsident von Sachsen-Anhalt sollte er, statt nach Ausreden zu suchen, ein Kapitän mit klarem moralischem Kompass sein, kommentiert MDR SACHSEN-ANHALT-Reporter Lars Frohmüller.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Heute Morgen wurde ich durch einen Freund gefragt: Was ist eigentlich das Problem, jeder hätte wohl ein Büro mit so gutem Blick auf den Domplatz genutzt, um das Konzert zu sehen. Und das mag nicht mal falsch und sogar menschlich sein. Die meisten Tage im Jahr ist der Blick auf den Domplatz wohl kein Privileg. Es laufen Menschen darüber, Kinder spielen am Wasser, ab und an fährt die Kehrmaschine. Und dann ist mal etwas los, und warum nicht auch die beste Lage nutzen?

Private Party auf dem Balkon am Domplatz? – Darum geht es Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) hat am 12. August vom Balkon seines Landtagsbüros aus offenbar ein Konzert von Roland Kaiser auf dem Magdeburger Domplatz verfolgt. Fotos zeigen Schellenberger mit Sekt- und Weinglas und zusammen mit mehren anderen Personen. Die Bilder und deren Aufnahmezeit erwecken den Eindruck eines privaten Treffens. Mittlerweile hat Schellenberger sich dafür entschuldigt. Er habe sich "blöd angestellt". Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Landtagsfraktionen kritisieren Schellenbergers Verhalten. Linke und Grüne fordern seinen Rücktritt.

Aber auf der anderen Seite ist der Besitzer des Büros kein einfacher Bürger: "Als protokollarisch ranghöchster Politiker des Landes, vertritt er den Landtag nach außen", so heißt es in Veröffentlichungen des Landtages über den Landtagspräsidenten. Ein Vorbild für andere Politiker? Für die Bürger im Land? Was heißt das dann: Jeder sollte aus seinem Job die maximalen privaten Vorteile ziehen können?

Ein Vorbild für andere Politiker? Für die Bürger im Land? Was heißt das dann: Jeder sollte aus seinem Job die maximalen privaten Vorteile ziehen können?

Lars Frohmüller MDR SACHSEN-ANHALT-Reporter

Landtagspräsident auf der Suche nach Erklärungen

Es wäre sicherlich kein Problem, hätte der Landtagspräsident sofort reagiert und klar gemacht, es war ein Fehler. Doch es wurden augenscheinlich Ausreden gesucht: Eine Vorbereitung auf 25-jähriges Bestehen des Max-Planck-Institutes (MPI) im nächsten Jahr? Ich habe mit den Häusern in Halle und Magdeburg telefoniert. Das MPI Halle ist bereits 30 Jahre alt, Magdeburg feierte in diesem Jahr 25-Jähriges. Kein Haus will in diesem Zusammenhang auf einen Samstagabend im Landtag gewesen sein. Flunkert da der Präsident? Hinter vorgehaltener Hand hört man aus CDU-Kreisen: Zur Klausurtagung hätte sich der Landtagspräsident lauthals darüber gewundert, warum die Geschichte diskutiert wird. Er wäre der Chef im Haus. Er dürfe das.

Jetzt die halbherzige Rolle rückwärts. Es war warm und laut. Deswegen wäre die Besprechung schwer durchzuführen gewesen. Warum geht man dann nicht in andere Räume im Landtag. Das Gebäude ist groß. Und ist das Büro des Landtagspräsidenten nicht eines der wenigen klimatisierten? Und gab es keine anderen kalten Getränke, die aus Sekt- und Weingläsern getrunken werden? Und wer sind die Frauen, die fleißig auf dem Balkon Fotos vom Konzert machten? Nicht nur ich habe Fragen. Die liegen im Postfach der Pressestelle des Landtags. Ich vermute, sie bleiben unbeantwortet.

Politik braucht Vertrauen

Rainald Grebe singt: "Ich bin der Präsident, ich bin euer Kapitän." Das sollte eigentlich das Selbstverständnis jedes Präsidenten sein. Lotse, aber auch Besitzer eines klaren moralischen Kompasses. Und wäre es das erste Mal, dass Gunnar Schellenberger mit eigenwilligen Antworten auffällt, könnte man das verzeihen.

Aber da waren 7er BMW vermeintlich auf Rezept, weil der Sitz in einem kleineren PKW nicht gut genug ist. Reisen nach Singapur, in die USA, Israel als Staatsekretär für Kultur, die besser der Tourismusminister getätigt hätte, oder zuletzt Fachkräftegewinnungen ohne Rücksprache mit Land oder Ministerien.

Nicht alles, was irgendwie geht, ist auch immer moralisch vertretbar. Und wer "protokollarisch ranghöchster Politiker des Landes" ist, steht auch moralisch weiter vorn. Politik hat ein Vertrauensproblem, und die höchsten Politiker tun gut daran, das nicht weiter zu beschädigen.

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MDR (Lars Frohmüller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. August 2023 | 22:00 Uhr

18 Kommentare

ich mach da nicht mit vor 37 Wochen

Jeder der die Möglichkeit hat in den Schmalzpott zu fassen wird das auf irgendeiner Weise immer tuen, nur mit den Unterschied das diese Personengruppe straffrei bleibt.

Haxe4 vor 37 Wochen

Da gibt es sicher Politiker, die mehr auf dem Kerbholz haben, als nur mal eine Veranstaltung auf dem Balkon miterlebt zu haben. Das ist doch alles Pillepalle. Wozu hat man einen Balkon. Sicher nicht, um ihn nur zu haben. Man sollte dich lieber mal die Kasper in Berlin anschauen. Die treten das gesamte deutsche Volk mit Füßen.

Denkschnecke vor 38 Wochen

Wie kommen Sie denn auf so etwas? Es sind gerade Politiker- und erst recht Politikerinnen - links der Mitte, bei denen Kleinigkeiten zu Staatsaffären hochgejazzt werden. Beispiel Annalena Baerbocks Lebenslauf, die ja nun wirklich einen hochrangigen internationalen Studienabschluss hat, während man die verschiedenen Angaben eines Herrn Bausemer nur als komplette Hochstapelei abtun kann.

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