Interview Cellist Matthias Marggraff: "Straßenmusik hat etwas Verbindendes"

23. Juli 2022, 17:15 Uhr

Matthias Marggraff spielt Cello – und zwar nicht nur in klassischen Konzertsälen, sondern vor allem auch auf der Straße. Bei MDR SACHSEN-ANHALT spricht der 35-Jährige aus Magdeburger über seine Leidenschaft.

Daniel George
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

  • Seit der ersten Klasse spielt Matthias Marggraff nun schon Cello. Auf der Straße hört man ihn seit mehr als zehn Jahren.
  • Zwar spielt der 35-Jährige auch in Konzertsälen oder auf Veranstaltungen. Doch die Straßenmusik sei etwas Besonderes, sagt er.
  • Was sich der Magdeburger für die Zukunft der Straßenmusik wünscht.

Magdeburg setzt auf Straßenmusik! Zumindest können sich seit einiger Zeit Musiker bewerben, um immer sonnabends auf dem Wochenmarkt am Alten Markt aufzutreten. "Wir wollen die Innenstadt beleben", sagt Sandra Yvonne Stieger, Magdeburgs Wirtschaftsbeigeordnete. Und: "Ein Puzzle-Stück dazu sind die Straßenmusiker."

Einer der bekanntesten in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt: Matthias Marggraff, Künstlername "Pryprjat Syndrome", der Mann mit dem Cello. Bei MDR SACHSEN-ANHALT spricht der 35-Jährige über ...

... die Anfänge seiner Straßenmusik:

"Straßenmusik mache ich seit 2010. Bei mir lief alles gegen den Baum, das ganze Leben war eine Katastrophe. Ich musste etwas anders machen. Dann habe ich mich einfach rausgesetzt und es kam prompt Zuspruch. Es hat mir sofort Spaß gemacht, auch mal in einem anderen Ambiente zu spielen als auf Konzerten. Und dann hat sich das so entwickelt."

... die Unterschiede zwischen Straßenmusik und Konzerten:

"Es ist ein anderes Musik-Feeling. Du spielst anders. Straßenmusik ist spezieller. Da spielen so viele Faktoren mit rein, allen voran das Wetter. Ich bin da ja zweigleisig unterwegs, mache beides und das ist auch eine ganz schöne Abwechslung. Wenn ich nur Auftritte hätte, würde irgendetwas fehlen. Und auf der anderen Seite ist die Straßenmusik zwar cool und schön puristisch, aber nur alleine würde mir das auch nicht reichen."

... seinen Verdienst mit der Straßenmusik:

"Nur von der Straßenmusik zu leben, würde sicherlich gehen, aber da müsste man noch engagierter dabei sein. Ich habe beides, Konzerte und Straßenmusik und wenn eine Sache wegbricht wie in der Corona-Zeit, ist das nicht ganz so einfach.

Im Frühjahr 2020 war es noch so, dass die Leute doch mal mehr Geld reingeworfen haben. Aber nur für eine kurze Zeit. Das hat nicht lange angehalten. Viele hatten ja auch selbst finanzielle Engpässe."

... die Besonderheiten des Musizierens auf der Straße:

"Das Wetter spielt eine riesengroße Rolle. Ich spiele auch, wenn es kalt ist. Das hat seinen Reiz und formt auch ein bisschen den Charakter und die Spielweise. Wenn es kälter als zwei Grad wird, ist das schon Hardcore. Da musst du dich dolle einpacken. Du musst dich gesund ernähren, die Hände abends eincremen. Das ist eine Gratwanderung zwischen Ausruhen und Arbeiten. Klingt wie ein Kriegseinsatz, aber für die Pfoten ist es das im Winter wirklich manchmal (lacht)."

Zur Person

Matthias Marggraff ist 35 Jahre alt und wurde in Ludwigslust geboren. Seit früher Kindheit lebt der Musiker aber bereits in Magdeburg, ist mit seinem Instrument in ganz Deutschland unterwegs. Die Liebe dazu entdeckte er früh: Cello spielt er seit der ersten Klasse.

Matthias Marggraff, Straßenmusiker mit Cello in Magdeburg 1 min
Bildrechte: MDR/Matthias Marggraff/Alexander Blamberg
1 min

MDR SACHSEN-ANHALT So 31.07.2022 12:00Uhr 00:50 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/audio-2086618.html

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... die Freiheit der Straßenmusik in Sachsen-Anhalt:

"Ich habe ja schon in vielen deutschen Städten gespielt und muss sagen, wenn man das mit anderen Städten wie München vergleicht, ist es in Sachsen-Anhalt liberaler. Hier fährt nicht den ganzen Tag die Polizei oder das Ordnungsamt herum und kontrolliert. In Dresden oder Leipzig zum Beispiel ist das anders. Hier ist es aber noch entspannt. Das kann auch gerne so weitergehen."

... Regelungen für Straßenmusiker:

"Ehrlich gesagt interessieren die dich als Straßenmusiker erstmal nicht. Wenn du Straßenmukke machst, dann fragst du nicht nach einer Genehmigung. Dann gehst du hin und machst das erstmal. Wenn dann jemand kommt, muss man halt gucken, was man macht."

... Begegnungen auf der Straße:

"Ich habe die Augen beim Spielen meistens zu. Aber wenn ich dann doch mal hinschaue, ist es schon interessant, was da so passiert: Wie kleine Kinder manchmal richtig abgehen und abtanzen, ist echt drollig.

Es ist auch witzig, was für eine Bandbreite an Menschen da aufkreuzt, wenn du Musik machst: von Klinikprofessoren bis zu ganz abgedrehten Leuten. Oft wollen sich vor allem die Leute dann mit dir unterhalten, die gerade Probleme haben und ihr Herz ausschütten wollen. Dann bist du im Nebenberuf gleich auch Psychologe."

... Straßenmusik zur Belebung von Innenstädten:

"Das Denken muss sich ändern. Bei vielen wird Straßenmusik noch als etwas Nerviges angesehen. Aber ich denke, dass Straßenmusik eher etwas Verbindendes hat. Es ist einfach ein anderes Gefühl, wenn du durch eine Stadt gehst und Musik hörst.

Gerade in diesen Zeiten, in denen Innenstädte drohen, auszusterben, ist Straßenmusik doch etwas, dass die Innenstadt angenehm macht und beleben kann."

Daniel George
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den Autor Daniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.

Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt. Bei MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet er seitdem als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.

MDR (Daniel George)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. Juni 2022 | 15:00 Uhr

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