Maßregelvollzug Uchtspringe mit neuem Anbau
Maßregelvollzug Uchtspringe mit neuem Anbau. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Neue Plätze geplant Überfüllter Maßregelvollzug: "Großer Druck, neue Plätze zu schaffen"

von Bernd-Volker Brahms, MDR SACHSEN-ANHALT

22. November 2023, 17:24 Uhr

Seit Jahren werden in Sachsen-Anhalt mehr Menschen im Maßregelvollzug betreut, als es eigentlich Plätze gibt. Nun ist in Uchtspringe im Landkreis Stendal ein Um- und Erweiterungsbau fertiggestellt worden, der für Entlastung sorgen soll. Der Bau für 4,3 Millionen Euro ist allerdings nur ein erster Schritt. Weitere Baumaßnahmen an den drei Standorten Bernburg, Uchtspringe und Lochow werden jetzt umgesetzt.

Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell App.


Wer zum Wohnbereich des frisch sanierten Hauses 33 im Maßregelvollzug in Uchtspringe will, muss erst einmal eine Reihe von Sicherheitsschleusen durchlaufen. Viele Türen müssen mit verschiedenen Schlüsseln geöffnet und wieder geschlossen werden. Umgeben ist der Gebäudekomplex von hohen Zäunen, die am oberen Ende mit Stacheldraht gesichert sind, sodass niemand hinübersteigen kann.

Langjährig Bedienstete können sich nicht erinnern, dass es jemals einem Insassen gelungen ist, von hier zu entkommen. Wenn jemand ausreißen konnte, dann nur beim begleiteten Freigang, also einer Lockerungsstufe nach jahrelanger Betreuung in den Gemäuern des Maßregelvollzugs.

Hochgesicherter Maßregelvollzug in Uchtspringe
Der Maßregelvollzug in Uchtspringe ist gut gesichert. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Stichwort: Maßregelvollzug Im Maßregelvollzug werden überwiegend Menschen untergebracht, die aufgrund einer psychischen Erkrankung für ihre Taten nicht bestraft werden können, aber weiterhin gefährlich sind (Unterbringung nach § 63 StGB). Diese Menschen leiden zum Beispiel unter psychotischen Erkrankungen wie Schizophrenie, unter Persönlichkeitsstörungen oder schweren Depressionen. Aufgenommen werden in Uchtspringe auch suchtkranke Straftäter, die nach § 64 StGB in den Maßregelvollzug eingewiesen wurden und bei denen eine Alkoholabhängigkeit im Vordergrund steht.

Druck, mehr Platz zu schaffen

"Es gibt einen großen Druck, mehr Platz zu schaffen", sagte Jürgen Richter, der Geschäftsführer der landeseigenen Salus gGmbH. Das Unternehmen ist Betreiber des Maßregelvollzugs im Land. An den Standorten Bernburg, Uchtspringe sowie in der Außenstelle Lochow bei Möckern sind derzeit rund 500 Menschen untergebracht – bei 444 offiziellen Plätzen.

Der Druck ist nicht nur bei der Unterbringung der Patienten vorhanden, sondern auch beim Einsatz des Personals. Allein in Uchstpringe gibt es 470 Beschäftigte in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern, wie Mediziner, Psychologen, Heilerzieher und Therapiefachkräfte und allgemeine Verwaltung. Sie alle brauchen Platz.

Weitere Plätze im Maßregelvollzug geplant

Nach rund anderthalbjähriger Bauzeit konnten jetzt in Uchtspringe 20 weitere Plätze geschaffen werden. "Das ist der der Anfang weiterer Maßnahmen", sagt Jürgen Richter. Bereits jetzt sind im Landeshaushalt 54,7 Millionen Euro für Erweiterungen an allen drei Standorten festgeschrieben. In Bernburg wird schon seit Sommer gebaut, in Lochow wird jetzt begonnen.

Und ab dem kommenden Jahr wird es die größte Erweiterung dann in Uchtspringe geben, wo ein weiterer Stationsbau errichtet wird. Dieser soll 2027 bezugsfertig sein. Insgesamt sollen so 66 weitere Plätze im Maßregelvollzug des Landes geschaffen werden. "Teilweise müssen derzeit Therapieräume für die Unterbringung dienen", erläutert Jürgen Richter. Mit den Erweiterungen soll zu regulären Bedingungen zurückgekehrt werden.  

Stichwort: Maßregelvollzug Uchtspringe Das psychiatrische Krankenhaus Uchtspringe übernahm 1992 als zentrale Einrichtung des Landes die Durchführung des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Täter nach § 63 StGB. Der Maßregelvollzug Uchtspringe verfügt heute über eine Kapazität von 264 Plätzen. 76 davon werden in der 2006 eröffneten Außenstelle Lochow geführt, die nach dem Konzept eines forensischen Dorfes mit arbeitstherapeutischem Schwerpunkt entwickelt wurde. Seit dem Jahr 2000 wird die hoheitliche Aufgabe des Maßregelvollzugs per Beleihungsvertrag unter dem Dach der landeseigenen Salus gGmbH geführt. Uchtspringe als Standort eines Fachklinikums (Psychiatrie) hat eine Tradition, die bis auf das Jahr 1892 zurückgeht. Viele heute noch bestehende Gebäude wurden in der Anfangszeit gebaut.

Uchtspringe: Historisches Haus wird umgebaut

In Uchtspringe ist jetzt das historische Haus 33 aus der Gründungszeit von Uchtspringe um 1894 umgebaut und erweitert worden. 4,3 Millionen Euro wurden dafür investiert. Es wird hier nun eine Station mit Ein- und Zweibettzimmern für bis zu 20 Patienten geschaffen, inklusiv Funktions- und Diensträumen.

Patientenzimmer im Gefängnis
Ein Patientenzimmer in Haus 33. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Das Gebäude konnte vor allem aus brandschutzrechtlichen Gründen zuletzt nicht mehr für die Unterbringung genutzt werden. Es wurde vor allem von der Verwaltung genutzt, die jetzt in Container auf dem Gelände umgezogen ist.

"Wir werden hier Patienten betreuen, die lange schon bei uns sind und geringes Gewaltpotenzial aufweisen", sagt Stationsleiterin Corinna Thiele. Es seien Männer mit psychischen Problemen oder Suchterkrankungen, die resozialisiert werden, sagt sie. "Wir organisieren hier Therapien", sagt Thiele.  

"Menschenrechtskonforme" Unterbringung ermöglichen

"Als Einrichtung können wir das Aufnahme- und Entlassungsgeschehen nicht selbst steuern", sagt die Uchtspringer Einrichtungsleiterin Anna Katalin Patz. Dies erfolge ausschließlich aufgrund richterlicher Entscheidungen. Mit den Erweiterungen würden jetzt nicht nur die Kapazitäten erhöht, sondern auch die therapeutische Weiterentwicklung ermöglicht, um die eingewiesenen Personen "menschrechtskonform" unterzubringen, so Patz.

Dass immer mehr Plätze im Maßregelvollzug benötigt werden, sei ein Bundestrend. Ursache der Entwicklung sei dabei nicht nur eine erhöhte Zahl an richterlichen Anordnungen zur Unterbringung, sondern auch eine Veränderungen bei der Klientel, die teilweise längere Behandlungsdauern erforderlich machen würden.

Umzug von 20 Patienten geplant

Die 20 Patienten, die ab dem kommenden Montag nun im sanierten Haus 33 in Uchtspringe auf zwei Etagen einziehen werden, haben schlichte Ein- und Zweibettzimmer – teilweise mit Dusche im Zimmer. In beiden Etagen gibt es eine Küche, einen Aufenthaltsraum sowie einen Balkon. Auf dem Flur gibt es eine Telefonzelle für den Außenkontakt. Im Keller befindet sich noch ein sogenannter Kriseninterventionsraum, der für renitente Patienten genutzt werden kann.

Dienstzimmer mit Monitor mit Bildern der Überwachungskameras
Die gesamte Station in Haus 33 ist videoüberwacht. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

"Das kommt zum Glück bei Patienten, die in diese Station kommen, sehr selten vor", sagt Stationsleiterin Thiele. Die gesamte Station ist von den Dienstzimmern aus videoüberwacht. Das Mobiliar wurde fast ausschließlich in der Integrationstischlerei der Einrichtung hergestellt.   

MDR (Bernd-Volker Brahms, Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 21. November 2023 | 12:00 Uhr

0 Kommentare

Mehr aus Sachsen-Anhalt

Eine Collage aus dem Europacup-Sieg 1974 und Jan Böhmermann 2 min
Bildrechte: MDR/dpa
2 min 08.05.2024 | 18:00 Uhr

50 Jahre Europacup, Hass im Netz und Paket-Chaos: die drei wichtigsten Themen vom 8. Mai aus Sachsen-Anhalt kurz und knapp. Präsentiert von MDR-Redakteur Daniel Tautz.

MDR S-ANHALT Mi 08.05.2024 18:00Uhr 01:41 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/video-nachrichten-aktuell-achter-mai100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Zwei Elefanten im Gehege des Zoos Magdeburg 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK