Gardelegen Artenvielfalt lässt Solarstromprojekt platzen
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28. November 2024, 09:37 Uhr
In der Altmark verhindert Artenreichtum den Bau einer Photovoltaik-Anlage. Auf knapp drei Hektar Fläche sind unter anderem 22 bedrohte Vogelarten entdeckt worden. Die nötigen Ausgleichsmaßnahmen waren dem Investor zu teuer. Jetzt nimmt er Abstand von seinem Plan.
So viel Natur, so viel Artenreichtum, so viele bedrohte Arten auf so kleiner Fläche: Saskia Kusian hätte das nicht erwartet. Die junge Frau ist im Gardelegener Bauamt zuständig für die Planungsverfahren für Photovoltaik-Anlagen. So ein Fall wie in Jerchel, einem Gardelegener Ortsteil, ist ihr aber auch noch nicht untergekommen.
Äußerlich sieht man es den 2,7 Hektar Fläche in Jerchel nicht an, dass sie so reich besiedelt ist. Von den LPG-Ställen, die dort einmal standen, sind nur noch ein paar Schutthaufen übrig. Darin, haben die PV-Anlagen-Gutachter festgestellt, fühlen sich unter anderem Zauneidechsen wohl.
Die sind noch nicht in ihrem Bestand bedroht, dafür aber ein paar ihrer Nachbarn. 63 Vogelarten haben die Landschaftsplaner im Rahmen des für die Genehmigung nötigen Umweltberichts gezählt, davon 22 vom Aussterben bedrohte. Neben Feldlerche, Rauchschwalbe, Kuckuck und Turteltauben haben es sich die akut bedrohten Steinmätzer dort gemütlich gemacht, genau wie Graureiher, Grauammer und Rotmilan, die auf der Vorwarnliste zum Artensterben stehen.
Zu viel Artenvielfalt für den Investor
Der Artenreichtum überraschte nicht nur Kusian, sondern auch den Investor, der den Solarpark bauen lassen wollte. Denn in einem solchen Fall werden vom Staat Ausgleichsmaßnahmen verlangt. Das Unternehmen hätte in Jerchel an anderer Stelle zwei Hektar Fläche kaufen oder pachten und die Umsiedlung der Tiere von Jerchel dorthin bezahlen müssen. Das war dem Investor zu teuer. In einer Mail sagte er der Stadtverwaltung ab.
Vielleicht, sagt Saskia Kusian, ist es künftig besser, bei den potentiellen Ansiedlungen darauf zu dringen, dass die Firmen oder Geschäftsleute den Umweltbericht möglichst früh im Planverfahren erstellen und nicht – wie derzeit gefordert – als eines der letzten Dokumente. Das erspare vor allem den Trägern Geld und Zeit.
Lange Planung, späte Umweltberichte
Im Moment vergehen vom ersten Antrag bis zum Zeitpunkt des zu erstellenden Umweltberichts gut anderthalb Jahre, in denen das jeweilige Planungsbüro aber nahezu alle erforderlichen Studien und Dokumente erstellt und dafür auch bezahlt werden will. Wenn dann die Artenvielfalt die Investition verhindert, ist das für Vorhabenträger wie Verwaltung ärgerlich.
Die Stadt Gardelegen lässt die artenreiche Fläche in Jerchel dennoch in ihrem Portfolio. 350 Hektar der insgesamt gut 632 Quadratkilometer großen Fläche der Einheitsgemeinde Hansestadt Gardelegen sollen maximal mit Solarstromanlagen bebaut werden. So sieht es das gesamträumliche Planungskonzept vor. Der Verwaltung liegen im Moment laut Saskia Kusia 75 Anträge auf den Bau von PV-Anlagen vor. Für sieben Anlagen laufen die verwalterischen Verfahren.
MDR (Katharina Häckl, Oliver Leiste)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. November 2024 | 12:00 Uhr
knarf vor 2 Wochen
steka:Vielleicht
haben Sie vergessen das
Solarstrom mit dazu dienen soll
den CO2 Anteil in unserer Erdatmosphäre
zurück zu drängen?Oder
gefällt Ihnen nicht das dabei auch Gemeinden Geld verdienen können?
emlo vor 2 Wochen
@hdr: Was für eine "Willkür Einzelner"? Hier ist alles ganz klar nach Recht und Gesetz gelaufen. Und bei anderen Bauvorhaben läuft es im Großen und Ganzen auch so, wobei natürlich Ausnahmen die Regel bestätigen.
Pollux vor 2 Wochen
Absolut richtige Entscheidung. Artenschutz geht vor, die Tiere brauchen ihren Lebensraum! Schließlich ist der Mensch nicht das einzige Lebewesen auf diesem Planeten.