Tierschutz Vorwürfe gegen Tierheim Gardelegen: Mangelnde Hygiene und Vernachlässigung

15. November 2024, 05:00 Uhr

Ehrenamtliche des Tierschutzvereins in Gardelegen, die anonym bleiben wollen, kritisieren mangelnde Hygiene und Vernachlässigung verletzter Tiere. Dem Landkreis sind die Vorwürfe bekannt, notwendige Maßnahmen seien eingeleitet worden. Die Vorsitzende des Tierschutzvereins streitet die Vorwürfe nicht ab, die Zustände hätten aber auch teilweise nicht verhindert werden können.

Hinweis: Im Beitrag folgt ein Foto eines verwundeten Tieres sowie eines Tieres, das sich in einer Notlage befindet.

Mehrere Ehrenamtliche des Tierschutzvereins in Gardelegen, die anonym bleiben wollen, kritisieren die Zustände im dortigen Tierheim. Auf Bildmaterial von Ende 2023 und April 2024, das MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt, sind unter anderem ein Tier mit offenen Wunden, verschimmeltes Futter und eine Katze zu sehen, die in einem Kippfenster hängt. Wäscheberge türmen sich und die Katzenklos sind teilweise verdreckt.

Verschimmeltes Trockenfutter in einem Hundenapf
Das verschimmelte wurde laut Tierschutzverein nicht verfüttert. Bildrechte: privat

Der Magdeburger Tierarzt Niels Mensing hat sich das Bildmaterial, das Momentaufnahmen zeigt, auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT angeguckt und sich mit den Vorwürfen auseinander gesetzt. Auch er sieht die Zustände kritisch und vermutet Überforderung der Mitarbeiter: "Es macht den Eindruck, dass die Menschen, die dort was Gutes für die Tiere wollen, einfach überfordert sind. Das kann personell sein, das kann materiell sein, es kann sein, dass Geld fehlt", sagt er.

Es macht den Eindruck, dass die Menschen, die dort was Gutes für die Tiere wollen, einfach überfordert sind.

Niels Mensing Tierarzt

Es müsse eine bessere Kontrolle des Veterinäramts und eine bessere Ausstattung der Einrichtung erfolgen, damit die sich optimal um die Tiere kümmern könnten, so Mensing weiter. Besonders die ausreichende Finanzierung durch die Kommune sei wichtig, um als Tierheim richtig arbeiten zu können.

Ein großer Wäscheberg mit Schmutzwäsche neben einer Toilette in einem Badezimmer.
Wäsche türmt sich auf der Tierheim-Toilette. Bildrechte: privat

Tierschutzverein: Hygiene wird regelmäßig kontrolliert

Auch Tierrechtsanwalt Andreas Ackenheil hat die Bilder gesehen und meint, die Zustände seien teilweise durchschnittlich in Tierheimen. Allerdings würden einige sichtbare Mängel das Tierrecht überschreiten. Dazu zähle unter anderem verschimmeltes Gemüse im Kühlschrank und die unsauberen Räume.

Er findet: "Die Katzenklos sollten ordentlich sein, da sollte ein sauberes Einstreu drin sein. Die Wassernäpfe, da sollte kein Streu oder Heu drin sein, was zu einer Verunreinigung führen kann." Eine grundsätzliche Reinigungsroutine sollte bestenfalls mehrmals täglich durchgeführt werden und regelmäßig kontrolliert werden, ob diese Routine ausreichend ist.

Auch der Deutsche Tierschutzbund sieht erhebliche Hygiene-Mängel auf den Bildern. Das Tierheim Gardelegen ist Mitglieds-Verein im Deutschen Tierschutzbund. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT schreibt der Verein, der sich bundesweit für den Missbrauch gegen Tiere einsetzt. "Das Tierheim scheint mit der Arbeit nicht hinterherzukommen oder diese nicht korrekt zu erledigen. Es ist aber schwer zu sagen, über welchen Zeitraum die sichtbaren Verunreinigungen und Wäscheansammlungen entstanden sein können", sagt eine Sprecherin. Das hänge auch mit der Größe des Tierheims zusammen. Der Dachverband könne nur beratend tätig sein, handeln müsse hier das zuständige Veterinäramt.

Verschimmelte Gurke und angegangene Möhren in einem Kühlschrank
Eine verschimmelte Gurke im Tierheim-Kühlschrank. Bildrechte: privat

Der Tierschutzverein, der das Tierheim betreibt, teilt auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit, Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen würden regelmäßig kontrolliert. Hygiene und Sicherheit habe für das Tierheim oberste Priorität. "Das Futter welches mit Schimmel besetzt war, wurde im Napf vergessen, was im Eifer des Tages durchaus passieren kann. Es wurde selbstverständlich nicht verfüttert, sondern entsorgt", so der Tierschutzverein.

Tierheim Gardelegen: Wiederholt Beschwerden

Ein weiterer Vorwurf ist die Vernachlässigung von verletzten Tieren. Auf dem Bildmaterial, das MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt, sind eiternde Wunden eines Kaninchens zu sehen. Niels Mensing meint, man könne anhand der Bilder nicht wissen, ob die Mitarbeiter die Wunden notwendig tierärztlich versorgt haben.

Eine offene, eiternde Wunde eines schwarzen Kaninchens.
Die offene, eiternde Wunde eines Tieres, das wohl nicht ausreichend behandelt wurde. Bildrechte: MDR/privat

Aber: "Es sind offene Wunden, da wurde Fell abrasiert, teilweise ist Fell aufgeleckt wurden. Das ist keine frische Wunde, die ist etwa fünf bis sechs Tage alt", sagt er.

Bereits in der Vergangenheit gab es wiederholt Beschwerden gegen das Tierheim, teilt der zuständige Altmarkkreis Salzwedel auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit. Zum Inhalt könne der Landkreis aber keine Informationen geben. In den vergangenen Jahren sei zwölf Mal im Tierheim kontrolliert worden, sowohl routinemäßig als auch anlassbezogen. Derzeit seien darüber hinaus aber keine neuen Vorwürfe bekannt.

Mögliches Katzenseuche-Sterben in Tierheim in der Altmark

Vor knapp einem Jahr sollen laut den Ehrenamtlichen zahlreiche Katzen im Tierheim in Gardelegen an einer sogenannten Parvovirose, also einer Katzenseuche gestorben sein. Das ist eine stark ansteckende Viruserkrankung, die vor allem Jungtiere und ungeimpfe Tiere gefährdet und über den Kot übertragen wird.

Auf den Bildern sollen unter anderem die Quarantäne-Räume zu sehen sein. Für diese gäbe es Richtlinien, die von Tierärzten aufgestellt wurden, sagt Tierrechtsanwalt Andreas Ackenheil. Bei der hochansteckenden Parvovirose müsse es unter anderem sehr sauber sein, um das Virus einzudämmen. "Die Separierung in Quarantäne-Einheiten ist zwingend erforderlich und eben ein höherer Reinigungsgrad als das, was man auf den Fotos gesehen hat", erklärt Tierrechtsanwalt Ackenheil.

Ein Katzenbaby sitzt in einem Katzenklo in einer großen Gitterbox. Neben ihr ist ein Napf mit Futter, Katzenstreu und Futter sind in der Box verteilt.
Die Zustände der Kitten in der Quarantäne. Kann so ein tödliches Virus eingedämmt werden? Bildrechte: privat

Landkreis soll bei Katzenseuche nicht kontrolliert haben

Die Todesfälle sind dem zuständigen Landkreis nicht bekannt. Es gäbe es im Tierheim Gardelegen die nötigen Schutzmaßnahmen, um die Ausbreitung der meist tödlich endenden Krankheit zu minimieren. "Eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Station ist essenziell, um solche Viruserkrankung zu bekämpfen. Dem Tierheim Gardelegen steht sowohl ein Quarantänebereich für Hunde, als auch für Katzen zur Verfügung. Diese Bereiche werden im Seuchenfall nur durch bestimmtes Personal betreten, um die dort befindlichen Tiere zu versorgen", so der Altmarkkreis Salzwedel.

Der Tierschutzverein Gardelegen, der das Tierheim betreibt, bestätigt einen Ausbruch der Parvovirose im September 2023. Daraufhin sei das Veterinäramt informiert worden, es sei aber zu keiner Kontrolle gekommen. "Eine Parvovirose ist für die meisten Kitten oft eine tödliche Erkrankung, bei der wir nur versuchen können gegenzusteuern", so die Vorsitzende des Tierschutzvereins auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT.

Katzenklo
Parvovirose wird durch den Kot verbreitet. In der Quarantäne sollte es deshalb so sauber wie möglich sein. Bildrechte: privat

Vorfall: Katze soll in angekipptem Fenster geklemmt haben

Im April 2024 soll sich laut den Ehrenamtlichen eine Katze stundenlang in einem angekippten Fenster befunden haben. Für die Katzen bedeutet das laut Tierarzt Niels Mensing meist eine Lähmung in der Hinterhand mit aufwendiger Weiterbehandlung oder gar die Einschläferung der Tiere. Dieser Unfall ist den Behörden bekannt.

Der Schutz und das Wohl unserer Tiere, Mitarbeitenden und Besucher stehen für uns an erster Stelle.

Vorsitzende des Tierschutzvereins

Mitarbeitende aus dem Tierheim wurden daraufhin belehrt, teilt uns der Altmarkkreis Salzwedel per Mail mit. Neue Arbeitsanweisungen sollen weitere Unfälle verhindern. Der Tierschutzverein schreibt MDR SACHSEN-ANHALT: "Uns war bei der Katze nicht bewusst[,] das[s] diese in der Lage war[,] Türen zu öffnen. Das Tier verschaffte sich so Zugang zu einen Raum[,] in dem das Fenster geöffnet angekippt war."

Eine schwarz-braun gefleckte Katze hängt in einem Fenster, das auf Kipp steht.
Jede Katzenbesitzerin weiß: Kippfenster können schnell zu einer Falle für den Stubentiger werden. Bildrechte: privat

Bisher seien alle Anordnungen des Landkreises umgesetzt worden. Sollte sich zeigen, dass Verbesserungen notwendig seien, wolle das Tierheim sofort handeln. "Der Schutz und das Wohl unserer Tiere, Mitarbeitenden und Besucher stehen für uns an erster Stelle. [...] Dennoch sind Unfälle wie der Kippfenstervorfall oder ein Ausbruch einer Parvovirose möglich und sehr bedauerlich", sagt die Vorsitzende des Tierschutzvereins.

2017: Betriebsverbot für das Tierheim Gardelegen

2017 ist dem Tierheim Gardelegen zeitweise die Betriebserlaubnis entzogen worden. Der damalige Grund: Hunde aus Rumänien und Ungarn wurden illegal importiert und vermittelt, Bestandsbücher sollen gefälscht worden sein. Etwa 40 Tiere mussten daraufhin auf andere Tierheime aufgeteilt werden. 2019 wurde das Tierheim neu eröffnet. Seit Jahren kritisieren Tierheime, dass sie überfüllt seien. Personal- und Geldknappheit fordern die Mitarbeiter täglich heraus.

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MDR (Katharina Gebauer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 16. November 2024 | 19:00 Uhr

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