Schick auf dem Campingplatz Arendsee: 60 Jahre Dauercampen auf Stöckelschuhen

17. April 2023, 10:28 Uhr

Nur eine ist so lange Dauercamperin auf dem Campingplatz Arendsee, und nur diese eine läuft mit Stöckelschuhen, frisch frisiert und mit gestylten Fingernägeln zwischen den Wohnwagen, Caravans und hohen Kiefern umher: Renate Dannert, 79, ist das Faktotum des Platzes. Ein Unikum ist sie sowieso.

Vor 60 Jahren entdeckte Renate Dannert ihre Leidenschaft fürs Camping – auf dem Campingplatz am Arendsee, dem sie bis heute die Treue hält. Alles begann, erzählt sie MDR SACHSEN-ANHALT, mit einem Ferienlager der Berufsschule. Die Lehrer schlugen ein Riesenzelt auf, die Jugend hatte ihren Spaß, das Campingfieber hatte Renate erfasst.

Friseurin, Konditorin und Finanzbuchhalterin

Damals wollte sie Friseurin werden. Nach dieser Ausbildung folgt die zweite – als Konditorin. Renate backte Baumkuchen in Salzwedel, ihrer Heimatstadt. Engagiert war sie von Anfang an in jedem ihrer Jobs. Deshalb wurde der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) in Salzwedel auf die selbstbewusste Frau mit dem Hang zum Schick-Sein aufmerksam. Beim DFD bekam Renate den Job als Finanzbuchhalterin, am Ende leitete sie auch noch die Beratungsstelle für Frauen und Familie.

In Hackenschuhen auf dem Campingplatz

Doch bei allen Aufgaben – das Campen in Arendsee lassen sich Renate und ihr Mann von Anfang an nicht nehmen, nicht mal für ein Jahr. Als ganz junges Paar schlagen sie ihr kleines Vier-Mann-Zelt auf dem Campingplatz auf. Das nächstgrößere Zelt ist schon mit Auslegeware versehen und kleinen Schränken für die Kleidung. Irgendwann durften sie sich eine Gartenlaube auf dem Campingplatz bauen.

Die steht noch heute – mit modernem Bad und ausreichend Platz in Wohn- und Schlafzimmer, mit überdachter Terrasse. Von Anfang an sind Hackenschuhe mit dabei – ohne kann Renate gar nicht leben. "Es ist, als wäre ich in Hackenschuhen geboren. In flachen Schuhen kann ich gar nicht richtig laufen. Da watschele ich wie eine Ente. Ich trage Hackenschuhe, seit ich 14 bin."

Ausnahmeerscheinung zwischen ausgebeulten Jogginghosen

Zuerst haben die Leute ein bisschen komisch geguckt, wenn sie in ihren Pumps über den Campingplatz gelaufen ist, sagt Renate Dannert. Frisch tupiert, die Fingernägel immer frisch gemacht. An einem Ort, an dem viele die ausgebeulten Jogginghosen und die besonders legeren Shirts auftragen, ist Renate Dannert eine Ausnahmeerscheinung - auch heute noch. Mittlerweile hätten sich die meisten an ihren Anblick gewöhnt, lacht sie. Wer dumme Worte verliert, wird ignoriert. Renate macht ihr Ding - auch äußerlich.

Aufschwung auf dem Campingplatz macht treue Camper glücklich

24 Jahre lang hat sie nach der Wende den Verein der Campingfreunde Arendsee geleitet. Hat sich bei der Stadtverwaltung für die Belange der Camper eingesetzt, mit der Luftkurort-GmbH zusammengearbeitet. Es ist immer ein Stück vorangegangen, sagt sie. Doch was jetzt innerhalb weniger Monate auf dem Platz passiert ist, verschlägt ihr doch ein bisschen die Sprache. Die neue Tourismus-Chefin Claudia Schulz räumt auf. Säumigen Pächtern, die teilweise seit Jahren keine Gebühr fürs Campen zahlten und dennoch bleiben durften, hat sie gekündigt, verfallene Hütten abreißen, Gestrüpp und Unterholz beseitigen lassen. Der Platz macht eine bessere Figur als je zuvor.

Camping als Freiheit

Renate Dannert und ihr Mann sind damit zufrieden – und glücklich, dass sie das alles miterleben dürfen. Renate wird 80, ihr Mann ist sechs Jahre älter. Camper in Arendsee werden sie ihr Leben lang bleiben, sagen die beiden, die neulich ihre Diamantene Hochzeit feierten. Camping, das sei Freiheit. Keine Fristen, keine Termine, keine Zwänge. Das tun, worauf man Lust hat. Das lassen, wozu man keine Muße hat. 60 Jahre hat sie das erfüllt, und jedes Jahr genießen Renate und ihr Mann das mehr.

MDR (Katharina Häckl, Moritz Arand) | Erstmals veröffentlicht am 15.04.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. April 2023 | 19:15 Uhr

2 Kommentare

Ich nicht am 16.04.2023

Die schönsten und entspanntesten Urlaube hatte ich beim wandern und campen. Einfach den Rucksack gepackt, mit der Bahn zum Startpunkt gefahren und los geht's. Das Zelt, die Isomatte, der Schlafsack-alles ist leichter als früher. Der Rucksack ist ergonomischer. Dank Smartphone und Navi ist das Wandern einfacher als mit Karte und Kompass. Mit meiner Freundin wandere ich gerne die alte, innerdeutsche Grenze entlang. Nach 3 Tagen Altmark war der Campingplatz Arendsee zu laut für uns, das Frühstück war aber gut. Trotzdem waren wir froh als wir wieder die Ruhe auf dem Wanderweg genießen konnten. Noch 3 Jahre und wir gehen in Rente, dann geht's richtig los.

harzer am 15.04.2023

Zu DDR-Zeiten sind wir jährlich zum Zelten gefahren; Trabi- Hänger eigenes Hauszelt! Der See ist herrlich sowie die Gegend! Heute fahren wir mit unseren Kindern in Bungalow Urlaub verleben,ganz toll. Wir lieben diesen SEE.

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