Ein flaches Gebäude aus Beton mit dem Schriftzug "Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen"
Das Dokumentationszentrum auf dem Gelände der Gedenkstätte konnte 2020 eröffnet werden. Bildrechte: Susann Meier

13. April 1945 Erinnerung an Todesmärsche: Drei Jahre Dokumentationszentrum in Isenschnibbe

14. April 2023, 05:05 Uhr

Auf dem Gelände am Stadtrand erinnerten über Jahrzehnte nur das Gräberfeld mit über 1.000 schlichten weißen Holzkreuzen, der Giebel der Feldscheune und Schautafeln an das unfassbare Verbrechen vom 13. April 1945. Das reichte vielen Menschen nicht. Sie hatten den Wunsch, dass der Tatort des Massakers intensiver und zeitgemäßer gewürdigt wird. Seit 2020 gibt es nun das Dokumentations- und Besucherzentrum "Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen".

Studio Stendal  Susann Meier
Bildrechte: MDR/Gaby Conrad

Ein schlichter, lang gezogener Betonbau steht parallel zur Straße am Eingang zur Gedenkstätte. Über diese Straße gingen 1945 über 1.000 KZ-Häftlinge in den Tod. In diesem Gebäude konnte vor drei Jahren endlich das Dokumentations- und Besucherzentrum eröffnet werden. "Unsere Gedenkstätte ist einmalig, denn es war nach Jahrzehnten der erste Neubau einer Gedenkstätte überhaupt in Deutschland", sagt Mandy Schumacher, Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde Stadt Gardelegen.

Gedenkstätte für Aufarbeitung

"Ich bin froh, dass es diesen Ort endlich gibt", sagt Torsten Haarseim vom "Förderverein Gedenkstätte Isenschnibbe". Die ursprüngliche Gedenkstätte, die bis 1965 entstanden war, sei deutschlandweit eine der wenigen Gedenkstätte gewesen, die an die Todesmärsche von Tausenden KZ-Häftlingen zum Ende des Zweiten Weltkrieges erinnerte, sagt er. Durch das damalige Engagement sei die Aufarbeitung der Todesmärsche erst in Gang gekommen, ergänzt Schumacher.

Großes Engagement

Torsten Haarseim, seine Mitstreiter vom Förderverein und viele Altmärker haben sich über Jahre dafür eingesetzt, dass ein Dokumentationszentrum gebaut wird. "Ganz viele Einwohner der Stadt, aus der Region, die Stadt selbst und auch Politiker haben sich für den Bau stark gemacht."

Denn 2017 gab es zwar einen Beschluss, dass gebaut werden soll, aber dann hatte das Land Sachsen-Anhalt kein Geld dafür im Haushalt eingeplant. Damit stand der Neubau auf der Kippe. Erst nach zahlreichen Protestveranstaltungen und Beschwerdebriefen aus der Altmark an Politik und Landesregierung gab es dann doch grünes Licht für den Neubau.

Drei Jahre Dokumentationszentrum

Seit der Eröffnung vor drei Jahren sind nicht nur Besucherinnen und Besucher aus der Region und der ganzen Welt vor Ort. Auch die Mitglieder des Fördervereins und viele engagierte Gardelegener kommen regelmäßig.

Auschwitzgefangene vorm Häftlingskrankenhaus mit Video
Als der Marsch am 18. Januar los geht, liegen viele Gefangene im Krankenbau. Der Großteil ist zu schwach um das Lager zu verlassen und bleibt zurück. Hier sind sie kurz nach der Befreiung mit Rotarmisten zu sehen. Bildrechte: Sarah Leyk

"Wir arbeiten eng mit dem Team der Gedenkstätte zusammen", sagt Haarseim. Der 58-Jährige beschäftigt sich seit Jahren mit den Ereignissen von 1945 in Gardelegen und den Dörfern rund um die Stadt. Dort gibt es 13 Ehrenfriedhöfe, auf denen Opfer der Todesmärsche beigesetzt worden waren. Sie werden in Zusammenarbeit mit der Stadt nach und nach saniert. Dazu liefert Haarseim oft neue Informationen und hält Vorträge.

Viele junge Menschen beteiligt

Der Gedenkstättenförderverein hat aktuell 20 Mitglieder. Der Altersdurchschnitt hat sich in den vergangenen Jahren enorm verjüngt. "Es ist toll, dass sich junge Menschen finden, die sich für dieses wichtige Stück Geschichte interessieren. Unser jüngstes Mitglied ist 20 Jahre alt", sagt Haarseim.

Mit verschiedenen Projekten werden Schüler an das Thema herangeführt. "Das ist wichtig, damit die Verbrechen, die sich zu Nazi-Zeit ereignet haben, nie vergessen werden", sagt Monique Grothe, Vorsitzende des Gedenkstättenförderverein. Sie freut sich, dass es viele interessierte Jugendliche gibt. Demnächst würden Schüler aus Mieste sich mit Zeitzeugen von 1945 treffen und deren Erinnerungen festhalten.

Massenmord immer noch präsent

Das Massaker vom 13. April 1945 beschäftigt die Menschen in Gardelegen noch immer und wird es auch in Zukunft. "Es gibt noch fünf bis zehn Familien, die sich ganz persönlich um Gräber auf dem Gelände der Gedenkstätte kümmern. Dazu waren die Einwohner von Gardelegen einst verpflichtet worden, als die 102. US-Infanteriedivision US-Armee das Verbrechen entdeckt hatte", erzählt Torsten Haarseim.

Bürgermeisterin Mandy Schumacher findet, es sei eine Besonderheit, dass sich viele Einzelne, der Förderverein und auch eine Menge Schüler engagieren und sich aktiv vor Ort für die Umgestaltung der Gedenkstätte stark gemacht haben. "Ich finde es toll, dass das Gedenken bei uns vor Ort verwurzelt ist."

MDR (Susann Meier, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 14. April 2023 | 07:30 Uhr

9 Kommentare

hinter-dem-Regenbogen am 14.04.2023

@Simone und @kleinerfrontkämpfer

Es ist vergebene Mühe, 78 Jahre danach, einen Schuldigen ausmachen zu wollen.
Wer wo an welchem Ort während des ersten und des zweiten Weltkrieges am meisten gelittetn hat, das kann man aus der heutigen Wohlstandssicht, kaum noch ausmachen.
Nur soviel sei gesagt - ein von seinen Mitmenschen getötetet/ermordeter Mensch ist Tot und davon gab es sehr viele in den Kriegen der Neuzeit. Wollten Sie all die Täter öffentlich bekannt machen, dann reicht dieses Forum bei Weitem nicht aus.

Wer den Krieg verherrlicht oder gar den Krieg mit Waffen und Granaten beliefert, der heisst dieses Ereignis auch für gerechtfertigt und das müssen nicht immer nur Deutsche sein.

So sehe ich persönlich eine gerechte Reaktion auf die Ereignisse.
Krieg ist Grausam und es trifft in der Regel immer und vor allem zuerst die unschuldigen Menschen. . . . . Darin sind wir uns alle einig.

hinter-dem-Regenbogen am 14.04.2023

@Simone

Ich habe versucht, die Gesamtsituation zum Ende des Krieges wiederzugeben, so wie ich mir das vorstelle, wie der Krieg funktioniert. Und natürlich sind die Schwächsten auch die ersten und in diesem Fall auch die letzten Opfer des Krieges.

Wen soll ich nun verurteilen - mich selbst ? denn ich bin von Geburt an Deutsch.
Da ich das nicht kann, aus ganz gewissens Gründen, neige ich dazu, den Krieg in seiner Gesamtheit zu verurteilen. Die Grausamkeiten, die der Krieg mit sich bringt, wurden schon zu genüge dargestellt - Jetzt gilt es, daraus die Lehren zu ziehen und nicht immer wieder aufs Neue, den Spannungsherd am zündeln zu halten.

ich hätte auch einen Bogen in die Gegenwart ziehen können - aber dann hätte ich mir den Zorn gewisser Aktivisten, die da glauben, dass es auch "gerechte Kriege" gibt, auf mich gezogen.

Lavendel am 14.04.2023

Schön, dass diese Gedenkstätte in ihrem Förderverein auch junge Menschen hat.
Es ist ja nicht für jeden selsbtverständlich, dass man die Erinnerung an solch ein schreckliches Verbrechen aufrecht erhält, damit jeder es sehen kann wohin die NS Ideologie geführt hat und wie zehntausende von Deutschen anscheinend ohne Anstand und Moral zu brutalsten menschenverachtenden Verbrechern mutiert sind.

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